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Sonderdruck aus dem JAHRBUCH DES RÖMISCH-GERMANISCHEN ZENTRALMUSEUMS MAINZ 58. Jahrgang 2011 ANNE-MARIE JOUQUAND-THOMAS · ANNE LARCELET · CHRISTIAN MIKS RÖMISCHE HELME AUS EINEM MITTELKAISERZEITLICHEN SIEDLUNGSKONTEXT IN POITIERS / LEMONUM (DÉP. VIENNE / F) ANNE-MARIE JOUQUAND-THOMAS · ANNE LARCELET · CHRISTIAN MIKS RÖMISCHE HELME AUS EINEM MITTELKAISERZEITLICHEN SIEDLUNGSKONTEXT IN POITIERS/LEMONUM (DÉP. VIENNE / F) Der Werkstattladen P222 und sein Hinterzimmer P504 . . . 611 Resümee zu den Befunden und Funden . . . . . . . . . . . . . . 613 Grundzüge der Stadtentwicklung des antiken Poitiers / Lemonum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Zu den Befunden der Grabungen im »Ilot des Cordeliers« aus dem Jahr 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die großen Etappen der Geschichte des antiken Stadtviertels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der nähere Kontext der Helme und der ihnen zugeordneten Funde . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Werkstattladen P212 und sein Hinterzimmer P503 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 597 602 604 Helme vom »Typ Poitiers« aus den Grabungen im »Ilot des Cordeliers« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 Beschreibung der Fundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 Zur typologischen Einordnung der Helme . . . . . . . . . . . . . 627 Abschließende Bewertung der Waffenteile . . . . . . . . . . . . 643 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 Zusammenfassung / Summary / Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Die römischen Helme, die im vorliegenden Beitrag präsentiert werden, wurden während Rettungsgrabungen im »Ilot des Cordeliers« in Poitiers (dép. Vienne, westliches Zentralfrankreich), dem antiken Lemonum, dem Hauptort des Stammes der Pictones, entdeckt. Die wissenschaftliche Betreuung des im Vorfeld der Errichtung eines großen Einkaufszentrums im Jahr 1998 durchgeführten Bodeneingriffs oblag einem Grabungsteam der Afan 1, heute Institut national de recherches archéologiques préventives (Inrap). Es handelt sich um die bis heute wichtigste archäologische Ausgrabung in Poitiers (Abb. 1). Das im historischen Stadtzentrum, zwischen der Rue des Grandes Ecoles, der Rue Paul Guillon, der Rue des Cordeliers und der Rue du Marché, nur wenige Schritte vom Palais comtal entfernt gelegene Grabungsareal umfasste eine Fläche von etwa 4600 m² (Abb. 2). Um jeweils möglichst wenig Gelände zu blockieren, wurden die Ausgrabungen zeitgleich mit den Bauarbeiten durchgeführt und ihr Ablauf in die allgemeine Organisation der Großbaustelle integriert. Maßgebend für ihre Umsetzung waren somit einerseits die zeitliche Planung der einzelnen Neubauschritte mit den daraus resultierenden Forschungsmöglichkeiten und anderseits die Vorgaben des Staatlichen Archäologischen Dienstes (Service Régional de l’Archéolgie [SRA]), die darin bestanden, die gesamte archäologische Stratigraphie zu erfassen. Die Flächengrabung wurde schließlich unter extremem Zeitdruck von rund 20 professionellen Archäologen in sieben Monaten zufriedenstellend durchgeführt (Abb. 3). Die klassische stratigraphische Fundaufnahme entspricht der heute bei französischen Stadtgrabungen üblichen Praxis. Allerdings konnten aus Zeitmangel die Funde nicht einzeln mittels GIS eingemessen werden. Die einzelnen Funde und Fundkomplexe bekamen nur die Nummer der jeweiligen stratigraphischen Einheit sowie eine Objektnummer von 1 bis n, ohne dass dabei nach Material oder Bestimmung unterschieden wurde (z. B. objet 5010-2). Die Ausgrabung umfasst 4500 stratigraphische Einheiten und erbrachte 5000 Fotos sowie über 700 gefüllte Fundkisten aus 2000 Jahren Geschichte. Die Daten wurden in der Datenbank ArSol zusammengetragen, die auf der Grundlage des Programms 4eDimension vom LAT (Laboratoire Archéologie et Territoires, UMR 7324 CITERES) entwickelt wurde 2. 1 Association pour la fouille archéologique nationale. 2 Galinié u. a. 2005. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 591 Abb. 1 Poitiers (dép. Vienne / F). Luftbild des interessierenden Stadtviertels von Süden vor Beginn der Baumaßnahme. Eingezeichnet sind das Grabungsareal (umrandet) und markante Punkte im modernen Stadtbild: 1 Notre Dame la Grande – 2 Palais comtal. – 3 Square du Palais. – 4 Résidence des Cordeliers. – 5 Chambre de Commerce. – 6 Banque de France. – 7 rue des Grandes Écoles. – 8 rue Paul Guillon. – 9 rue des Cordeliers. – 10 rue du Marché. – (Luftbild mit frdl. Genehmigung von A. Olivier [Ville de Poitiers]). Die ersten chronostratigraphischen Ergebnisse liegen bereits in Form eines Grabungsberichts vor, der von der zuständigen archäologischen Instanz, d. h. der Commission Interrégionale de la Recherche Archéologique Grand Sud-Ouest, im Juni 2000 angenommen wurde 3. Die Untersuchung der antiken Kleinfunde 4, die mehr als 4500 Objekte umfasst (ohne Münzen und Eisennägel), wurde von 2005 bis 2010 zunächst im Rahmen einer vom Kulturministerium geförderten »Aide à la Préparation de la Publication« (APP) durchgeführt und dann nachfolgend von der Inrap im Rahmen eines »Projet d’Activité Scientifique« (PAS) unterstützt. Diese Arbeit ist jedoch noch immer nicht abgeschlossen 5. Die Grabungsunterlagen und Funde werden in den Räumen des SRA der Region Poitou-Charente in Poitiers aufbewahrt. Mit Ausnahme der drei im vorliegenden Aufsatz thematisierten Helme, deren Restaurierung vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) übernommen wurde 6, sind die Funde – besonders die Eisenobjekte – bislang in keiner Jouquand u. a. 2000. Die Definition der im Inventar dieses reichen Fundbestandes benutzten Rubriken lehnt sich an die methodologische Arbeit von J.-P. Guillaumet, CNRS UMR 5594 ARTeHIS (Guillaumet 2003, 8384), an. Die Rubrik »catégorie« (13 Felder) ermöglicht eine erste ziemlich grobe Einteilung mit den üblichen für Fundanalysen verwendeten Klassifizierungen (Produktion, Handel / Tausch, hauswirtschaftliche Tätigkeiten usw.). Durch die Rubrik »fonction« kann dann innerhalb einer Kategorie spezifiziert werden, welchem genaueren Bereich der jeweilige Fund zugehörig ist. 5 Viele Wissenschaftler sind an dieser Arbeit beteiligt: S. Morin führt die Analyse der Funde aus Kupferlegierungen durch, D. Mini 3 4 592 die Untersuchung der Überreste aus festen Materialien tierischer Herkunft, F. Dubreuil die Analyse der Glasfunde, M. Bérranger die Schlackenanalysen, J.-P. Guillaumet arbeitet wegen seiner Kenntnisse bezüglich des Handwerks mit, A. Ferdière ist für das Korrekturlesen zuständig. 6 Ein auffälliges Fragment dieser Helme wurde im Rahmen der Ausstellung »Vom Prunkstück zum Altmetall. Ein Depot spätrömischer Helmteile aus Koblenz« (26.9.-16.11.2008) in Mainz erstmals öffentlich präsentiert und in deren Folgezeit der Gesamtbestand an Helmteilen in den Werkstätten des RGZM detailliert untersucht und restauriert. Näheres dazu s. u. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 2 Poitiers. Lage der Ausgrabung im »Ilot des Cordeliers« auf dem digitalisierten Katasterplan der modernen Stadt. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Abb. 3 Poitiers. Gesamtansicht der Ausgrabungen im September 1998 von Süden. – (Foto B. Farago-Szekeres, Inrap). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 593 Weise behandelt oder konserviert worden. Sie mussten leider in ihrem Grabungs- / Auffindungszustand untersucht werden, und ihre Korrosion schreitet ungehindert fort. Auf dem Areal, von dem die Fundstücke stammen, deuten die Befunde für das letzte Stadium der antiken Siedlungsbebauung auf eine von Werkstattläden, Gebäuden öffentlicher oder handwerklicher Bestimmung sowie städtischen Wohnbauten (domi) gesäumte Straße hin. Wahrscheinlich im frühen letzten Drittel des 3. Jahrhunderts wurde dieser Häuserblock bei einem heftigen Brand zerstört. Es liegt hier der seltene Fall vor, dass man die gewaltigen Schuttmengen der eingestürzten Bauten danach nicht mehr beseitigt hat und die Gegenstände, die bei dem Unglück verschüttet worden waren, somit im Brandschutt verblieben. Die Errichtung der Befestigungsmauer des spätrömischen castrum, die – offenbar bereits am Ende des 3. Jahrhunderts – direkt auf der Trasse der zuvor hier verlaufenden Straße erfolgte, markiert schließlich einen vorläufigen Endpunkt städtischer Umbauten auf dieser Parzelle. Die Ruhephase dauerte bis zum Bau des Couvent des Cordeliers im 13.-14. Jahrhundert. All diese Umstände haben eine bemerkenswerte Erhaltung der archäologischen Zeugnisse im Boden begünstigt. So konnte dann auch aus den Werkstattläden 7 und ihren Hinterzimmern ein sehr vielfältiges Fundmaterial geborgen werden, in dem die drei Helme eine besondere Erwähnung verdienen. Die während der Ausgrabung gemachten Beobachtungen zeigen sehr deutlich, dass die Brandkatastrophe der Erbauung der Befestigungsmauer unmittelbar vorausgegangen sein muss. Die Tatsache, dass nichts aus den Trümmern geborgen wurde, könnte zu der Hypothese verleiten, dass die Errichtung des castrum möglicherweise schon vor dem tragischen Ereignis beschlossen worden war und es sich bei dem Feuer vielleicht um eine radikale und schnell zum Ziel führende behördliche Maßnahme gehandelt hat, die die Bewohner verjagen und das Stadtviertel einebnen sollte. Immerhin fand hier nachweislich ein Großbrand statt, dessen Spuren noch über eine weite Distanz zu verfolgen sind. So erlauben es frühere Entdeckungen, wie die von Pater La Croix am Square du Palais im Norden und die von G. Nicolini unter der Résidence des Cordeliers im Süden, die vom Brand zerstörten Werkstattläden auf einer Länge von mind. 200 m entlang der großen Straße zu rekonstruieren 8. Zu wissen, ob es sich bei dem Feuer um bewusste Brandstiftung handelte oder nicht, ist also mehr als eine Detailfrage, auch wenn es illusorisch zu sein scheint, darauf eindeutig antworten zu können. Im Endeffekt haben die erhaltenen Relikte der Werkstattläden jedenfalls den Augenblick der Katastrophe konserviert, und es ist deshalb sehr wichtig, nach der Repräsentativität der vor Ort gemachten Funde zu fragen. Blieb die Zeit, um Werkzeuge, Rohmaterialien und einige andere Sachen mitzunehmen, ehe man sich vor den Flammen retten musste, oder wurde man im Gegensatz dazu völlig überrascht? Während in den Werkstätten, in denen Kupferlegierungen hergestellt und kupferhaltige Bleche, Eisen und Knochen verarbeitet wurden, einige Werkzeuge zu fehlen scheinen, hat der Glas- und Töpferwarenhändler zumindest einen Teil seiner Ware in seinem Laden zurücklassen müssen. Die Indizien sind also ziemlich widersprüchlich. GRUNDZÜGE DER STADTENTWICKLUNG DES ANTIKEN POITIERS/LEMONUM Poitiers, das antike Lemonum, liegt am Nordrand der unter Augustus eingerichteten Provinz Aquitania (Abb. 4). Deren erste Hauptstadt war bis zum Ende des 1. Jahrhunderts vielleicht Saintes / Mediolanum 7 Im Falle von Poitiers ist dieser Terminus zutreffender. Es handelt sich zwar um Werkstätten, aber dort wurde auch verkauft, wie die Verteilung der Münzen in den verschiedenen Räumlichkeiten zeigt und auch das Vorhandensein eines Verkaufsinventars von 594 Töpferwaren bei gleichzeitigem Fehlen zugehöriger Töpfereibefunde unterstreicht. 8 La Croix 1905. – Nicolini 1977. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 4 Die Provinz Aquitania in der frühen Kaiserzeit. – (Nach Maurin 1992a, 8 Karte). Santonum (dép. Charente-Maritime / F) und dann spätestens ab dem 3. Jahrhundert Bordeaux / Burdigala (dép. Gironde / F) 9. Welche Stadt diesen Rang im 2. Jahrhundert innehatte, ist zwar unbekannt, doch ist nicht ganz ausgeschlossen, dass es sich dabei um Poitiers gehandelt haben könnte, auch wenn diese Hypothese unter Spezialisten nach wie vor viele Kontroversen hervorruft 10. Als Hauptort des Stammes der Pictones nahm Lemonum den höchsten Punkt einer breiten spatelförmigen Landspitze ein, die von der Mündung der Boivre in den Clain, einen Nebenfluss der Vienne, gebildet wird (Abb. 5). Dieser Landvorsprung mit einer Fläche von 200 ha überragt die beiden Wasserläufe, deren tief eingeschnittene Täler ihn von den umliegenden Plateaus trennen, um 45 m. Das vorrömische Oppidum wird üblicherweise im Nordwesten dieses Sporns lokalisiert 11. Die Hypothese fußt auf der räumlichen Verteilung der gallischen Münzen, die in diesem Sektor eine starke Konzentration aufweisen. Bisher bleiben die Zeugnisse, die dieser ersten Phase einer strukturierten Besiedlung des Plateaus zugeordnet werden könnten, allerdings eher spärlich, vermutlich mangels intensiverer Forschungen 12. Möglicherweise war der natürliche Sporn, der durch die Wasserläufe und Sümpfe geschützt wurde, bereits seit der Vorgeschichte im Süden durch einen Wall abgetrennt 13. Maurin / Bost / Roddaz 1992, 28. Maurin 1978, 132. 137-139. – Tassaux 2003, 57-60. 11 Hiernard 1987, 172. 9 12 10 13 Duval / Nibodeau 2007. Hiernard 1987, 171. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 595 Abb. 5 Poitiers. Siedlungsfläche (grau), Straßenverläufe (gestrichelt), besondere Fundstellen (schwarz) und Gräberfelder (dunkelgrau) des früh- bis mittelkaiserzeitlichen Lemonum über einem schematisierten Plan der modernen Stadt: 1 Résidence des Cordeliers. – 2 Square du Palais. – 3 Médiathèque. – Der Kreis zeigt die Fundzone gallischer Münzen an. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Abb. 6 Poitiers. Siedlungsfläche (grau), Mauerverlauf und besondere Fundstellen (schwarz) sowie Gräberfelder (dunkelgrau) des spätkaiserzeitlichen castrum über einem schematisierten Plan der modernen Stadt. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Die antike Siedlung, mit einer Größe von etwa 180 ha, ist demgegenüber wesentlich besser dokumentiert, doch wird eine aktualisierte zusammenfassende Studie dringend benötigt 14. Die während der Bauarbeiten und Ausgrabungen entdeckten Hinterlassenschaften weisen auf eine Stadt von größerer Bedeutung hin, deren Gründung offenbar in augusteischer Zeit erfolgte 15. Mehrere öffentliche Gebäude aus der frühen bis mittleren Kaiserzeit sind bekannt, so die Thermen von Saint-Germain im Norden und das Amphitheater im Süden. Letzteres ist eine große, offen gestaltete Anlage (155×130m), deren Errichtung aufgrund architektonischer Merkmale ganz ans Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. oder in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. (julisch-claudische Epoche) datiert werden kann 16. Zwar ist die Lokalisierung des Forums bislang nicht gesichert, aber die Entdeckung herausragender Objekte, wie der berühmten Inschrift des Marcus Sedatius Severianus 17 oder eines großen monumentalen Baukomplexes aus den Jahren 120-140, der im »Ilot des Cordeliers« ans Tageslicht kam, steht eindeutig mit einer bevorzugten, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hauptstraßenachse in Verbindung 18. Generell sind die Straßen der Siedlung nach einem rechtwinkeligen Liniennetz angelegt, das jedoch nicht auf dem ganzen Plateau systematisch eingehalten wurde. Zur Erklärung dieser Abweichungen wurden bereits mehrere Theorien vorgebracht, darunter eine, die davon ausgeht, dass sich möglicherweise Elemente eines älteren Straßenrasters an manchen Stellen in der Barraud 1992. Tilhard 2004. 16 Golvin / Hiernard 1986. 17 AE 1981, 640. Die vom Sockel eines Ehrenmals stammende Inschrift aus der Mitte des 2. Jhs. wurde 1977 bei einer Rettungsgrabung unmittelbar südlich der Ausgrabungen im »Ilot des Cordeliers« in den Fundamenten der spätkaiserzeitlichen 14 15 596 Befestigungsmauer entdeckt. Aus dem Poitou kommend machte Marcus Sedatius Severianus Karriere und stieg bis zum Statthalter der Provinz Kappadokien auf. Er ist einer der selten belegten römischen Senatoren aus den Tres Galliae. Der Sockel, der wohl einst eine Gruppe von Bronzestatuen trug, befand sich vermutlich auf dem Forum von Lemonum. 18 Hiernard 1987, 178. – Hiernard 2007. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Stadt erhalten haben könnten 19. Diese Annahme wird durch die Ausgrabungen im »Ilot des Cordeliers« bestätigt. Diese zeigen nämlich, dass in den Jahren 60-80 die große Nord-Süd-Achse (17°O20), die die Thermen und das Amphitheater verbindet, mitten durch eine Zone mit ziemlich dichter Bebauung geschlagen wurde, die trotz Umbauten die frühere Orientierung noch erkennen lässt 21. Die Ergebnisse der verschiedenen archäologischen Ausgrabungen kennzeichnen das früh- bis mittelkaiserzeitliche Lemonum durchgehend als eine dynamische Stadt, die gut in die großen Handelsverbindungen Aquitaniens, der gallischen Provinzen und des gesamten römischen Kaiserreichs integriert war. Gleichzeitig machen sie endgültig Schluss mit den von manchen Forschern vorgebrachten Spekulationen um einen Niedergang der Siedlung am Ende des 2. Jahrhunderts 22. Ganz im Gegenteil, die Stadt erlebte, wie die gefundenen Inschriften vermuten lassen, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts noch einen sehr großen Aufschwung 23. Deutlich kleiner präsentiert sich dann erst das spätkaiserzeitliche Poitiers, dessen Befestigungsring eine Fläche von 42 ha im östlichen Teil des Plateaus umschließt (Abb. 6). Ältere öffentliche Bauten wie die Thermen von Saint-Germain oder das Amphitheater lagen nun außerhalb der Mauer. Mit seinen Kurtinen von 2600 m Länge ist das spätrömische castrum von Poitiers das größte in Aquitanien. Es gehört wahrscheinlich zur ersten Gruppe entsprechender Befestigungen nach der Definition von L. Maurin, deren Errichtung noch an das Ende des 3. Jahrhunderts datiert wird 24. Diese neue, eingefriedete Stadt war sicher nicht gleichmäßig besiedelt. Das belegen die verschiedenen Ausgrabungen innerhalb der Stadtmauern, die sehr deutlich ganz unterschiedliche Verhältnisse zutage gefördert haben. ZU DEN BEFUNDEN DER GRABUNGEN IM »ILOT DES CORDELIERS« AUS DEM JAHR 1998 Die großen Etappen der Geschichte des antiken Stadtviertels Nach den Grundinformationen zur antiken Stadttopographie empfiehlt es sich nun, zunächst die Entwicklung des im vorliegenden Aufsatz primär interessierenden Stadtviertels bis zu der verheerenden Brandkatastrophe überblicksartig aufzuzeigen und dann anschließend das Gebäude 6 zusammenfassend vorzustellen, zu dem die handwerklich genutzten Räume gehören, in denen die Helme gefunden wurden, die der Anlass für den vorliegenden Beitrag waren. Die ersten Besiedlungsspuren im »Ilot des Cordeliers« sind landwirtschaftlichen Tätigkeiten zuzuordnen, die noch bis in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. hinein andauerten. Die frühesten nachgewiesenen Gebäudestrukturen stammen aus augusteischer Zeit. Eine wirkliche Urbanisierung des Sektors mit einer dichten Bebauung durch Stadthäuser (domi) in Holz-Lehm-Bauweise setzte allerdings erst unter Tiberius zwischen 15 und 35 n. Chr. ein. Am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde die große Nord-Süd-Achse angelegt, die fortan die Organisation der Stadtlandschaft bestimmte. Sie verband das Amphitheater mit den Thermen von Saint-Germain (Abb. 5). Diese große Straße wurde mitten durch die ältere Bebauung geführt. Ihre Breite von einer Hausfassadenfront zur gegenüberliegenden betrug 18 m. Sie umfasste eine 12 m breite Fahrbahn, die auf beiden Seiten von 3 m breiten Portiken gesäumt war (Abb. 7) 25. Nach und Hiernard 1987, 183. – Boissavit-Camus / Fabioux / Le Masne de Chermont 1992, 130. 20 Zu lesen: 17° östlich, Abweichung in Bezug auf den geographischen Norden. 21 Jouquand u. a. 2000. 22 Nicolini 1987. 19 Hiernard 1985. Maurin 1992b. – Garmy / Maurin 1996. – Simon-Hiernard / Hiernard 1991. 25 Diese Breiten wurden ausgehend vom einzig erhaltenen, westlichen Straßenrand rekonstruiert. 23 24 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 597 Abb. 7 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gesamtplan der Befunde am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Abb. 8 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gesamtplan der Befunde zwischen 100 und 140 n. Chr. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). nach wurden mehrere Gebäude entlang der neuen Straße errichtet, so die domi 4, 12 und 11, die an der Fassadenseite Läden aufwiesen, aber auch das Gebäude 5, mit einem weniger klassischen Grundriss und einer vermutlich rein kaufmännischen Funktion. Die Ausstattung und die Grundrisse der Peristylhäuser deuten auf domi von wohlhabenden und bedeutenden Personen hin. Zwischen 100 und 140 n. Chr. wurde der Stadtsektor stark umgebaut (Abb. 8). Der westliche Häuserblock wurde abgetragen und durch einen sehr großen, monumentalen Baukomplex ersetzt (Gebäude 10). Anstelle der einstigen Portikus längs der Straße wurde nun eine durchgehende Fassadenmauer (M225) 598 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 9 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gesamtplan der Befunde vom Ende des 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). errichtet, die auch als Stützmauer diente. Sie war noch über eine Länge von mehr als 60 m nachweisbar. Dahinter wurde die Fläche des ehemaligen Häuserblocks verfüllt. Auf der so entstandenen großflächigen Terrasse konnten noch mehrere Teilstücke von mächtigen, 1,20 m breiten Fundamenten festgestellt werden. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts oder in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurde schließlich noch eine öffentliche Latrinenanlage (Gebäude 25) erbaut 26, die in ihrer Flucht die Fassadenmauer M225 rechtwinklig durchbrach (Abb. 9). Sie war mit einem für die römische Welt innovativen System zur Wasserspülung ausgerüstet. Insgesamt betrachtet weist der erfasste Teil des Grundrisses des Baukomplexes 10 leider große Lücken auf, die durch spätere Zerstörungen verursacht wurden (antike und mittelalterliche Gräben); deshalb wird über seine Bestimmung noch diskutiert (forum, Heiligtum etc.?). Im östlichen Häuserblock blieb die Grundstückseinteilung im Wesentlichen gleich. Die Gebäude 12 und 5 wurden nur leicht verändert oder nach dem gleichen Bauplan wieder errichtet. Dies gilt nicht für die domus 4, deren straßenseitiger Bereich abgerissen wurde, während man andere Teile des ursprünglichen Bauplans beibehielt. Das architektonische Vorhaben bestand offenbar darin, den Südflügel sowie vermutlich auch den Nordflügel des Hauses von kleineren Veränderungen abgesehen zu erhalten und die von ihnen bislang abweichende Bauflucht des Gebäudeflügels am Westende des zentralen Peristyls zu korrigieren. Im Zuge dieser Richtungskorrektur wurde auch die durch Läden gegliederte Fassade völlig neu errichtet. Der lang gestreckte Grundriss des auf diese Weise entstandenen neuen Gebäudes 6, das eine Fläche von über 1120 m² (rekonstruiert) bedeckte, umfasste 23 unterschiedliche Räumlichkeiten (Abb. 10). Der Bauplan war 26 Jouquand-Thomas / Seigne 2011. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 599 an einer West-Ost-Achse ausgerichtet. Ein monumentaler Eingang in Form einer Exedra (P210), ein großes Vestibül von 65 m² (P501) und das Peristyl (P506) bildeten in einer Reihe mit einem Garten von 155 m² (P507) das Rückgrat des neuen Hauses. Zur Fassadenseite hin wies der Bau zunächst eine Küche (P505), einen Latrinenraum (P510) und vier Läden (P211, P212, P213 und P214) auf, deren teilweise schräge Anordnung durch die straßenparallele Orientierung der Hausfassade und einer zentralen Binnenmauer bedingt war. Der in den Hof (P507) gestürzte Säulengang erlaubt es, für das große Peristyl des Hauses eine rhodisch-ionische Portikus von hoher Qualität zu rekonstruieren (Abb. 11). Zwei Säulen größeren Durchmessers mit Konsolen unter dem Kapitell rahmten ein Zierbecken ein. Der Nordflügel des Hauses ist dank der Ausgrabungen von Pater de La Croix 27 am Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. Sie ermöglichten es, einen 70 m² großen Raum Abb. 10 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Plan des Aufbaus von (P562) mit Hypokaustum zu lokalisieren, der vermutGebäude 6 im rekonstruierten ursprünglichen Zustand. – (Graphik lich für Empfänge bestimmt war. R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Leider wurde im Gebäude 6 keine Inschrift gefunden, die es erlauben würde, diesem Bau eine spezielle Funktion oder einen herausragenden Besitzer zuzuordnen, doch scheinen die Besonderheiten der Ausstattung immerhin eine diesbezügliche Diskussion zu rechtfertigen. Der Eingang in Form einer Exedra, die die straßenbegleitende Portikus unterbrach und einen Raum für Fußgänger, eine Art kleinen Platz, entstehen ließ, wies zwei symmetrische mit Bänken versehene Nischen auf. Er war einem Vestibül von beeindruckender Größe vorgelagert, dessen Fundamente einen hoch aufragenden Bau tragen konnten. Ein Fragment eines kleinen ionischen Kapitells von einem Pilaster, das im Vestibül geborgen wurde, macht es wahrscheinlich, dass sich dort ein Altar befand. Diese ostentative Anlage ist ungewöhnlich und erinnert entfernt an zwei andere bemerkenswerte Bauten, die sogenannte schola des Trajan in Ostia (Citta di Roma / I) und die »Casa de la Exedra« in Santiponce / Italica (prov. Sevilla / E) 28. Es kann sich hierbei also um die domus eines wichtigen Mitglieds der lokalen Elite handeln, von der bekannt ist, dass sie eine besondere Aufmerksamkeit ihren Behausungen widmete, um ihren Erfolg und ihre Macht öffentlich darzustellen. Andererseits spricht aber auch nichts gegen eine Interpretation als schola, also als Sitz eines Handwerkervereins. Es sei daran erinnert, dass diese halböffentlichen / halbprivaten Gebäude, die ab dem 2. Jahrhundert in allen Provinzen des Römischen Reiches häufiger vorkamen, nicht nach festgelegten Architekturmodellen errichtet wurden und deswegen nur schwer zu identifizieren sind 29. Die Werkstattläden in der straßenseitigen Fassade des Gebäudes 6 sind kein entscheidendes Element, um sich für die eine oder für die andere Hypothese zu entscheiden, weil die Angliederung bzw. Einbindung solcher Räumlichkeiten in beiden Fällen durchaus geläufig ist. 27 Camille de La Croix (1831-1911), ein lokaler Gelehrter, hat viele Ausgrabungen in Poitiers und seiner Umgebung durchgeführt, darunter die der Chapelle des Cordeliers. Die zeichnerischen Unterlagen dieser Grabung enthalten sehr genaue Pläne. 600 28 29 Gros 1996, 380 Abb. 434. – Gros 2001, 83 Abb. 193. Gros 1996, 376-384. – Bouet 2001. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 11 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Westende des Peristyls von Norden. – (Foto P. Lotti, Inrap). Was auch immer also seine ursprüngliche Bestimmung gewesen sein mag, das zwischen 110 und 140 errichtete Gebäude erfuhr jedenfalls im Laufe seiner 150-jährigen Nutzungszeit einige Umbauten. Selbstverständlich war die letzte Bauphase am besten erhalten. Die durch den finalen Brand konservierten Hinterlassenschaften weisen auf ein Bauwerk hin, das bei seiner Zerstörung schon ziemlich heruntergekommen war und sich gerade im Zuge des Rückbaus befand. Man weiß natürlich nicht, über welchen Zeitraum sich dieser Vorgang erstreckte und ab wann sich die Nutzung seiner Räumlichkeiten änderte. In der letzten Phase waren jedenfalls die Läden P213 und P214 zu einem großen Ladenlokal (P222) vereint (Abb. 9), das von einem Glas- und Töpferwarenhändler betrieben wurde. Ein P222 angegliedertes Hinterzimmer (P504) umfasste, zusammen mit dem Hinterzimmer P503 des benachbarten Ladens P212, nun einen abgetrennten Teil der ehemaligen Küche P505 und des Latrinenraums P510 (vgl. auch Abb. 8), die zu diesem Zeitpunkt ihre ursprüngliche Funktion bereits verloren hatten. Ihre stark verkleinerten Restflächen, die nun nur noch vom Innern des Häuserblocks aus Richtung des Gebäudes 5 zugänglich waren, dienten jetzt vermutlich als Zimmer oder bescheidene Einliegerwohnung. Wie ist dieser Rückbau zu erklären? Änderte sich die Bestimmung des Gebäudes 6 im Laufe der Zeit? Auf jeden Fall wird hier eine enge besitzrechtliche Verbindung von den Räumen mit handwerklicher Nutzung zum dahinterliegenden restlichen Baukörper offenkundig. Geht man von der Hypothese einer luxuriösen privaten domus aus, wären die beschriebenen architektonischen Veränderungen tatsächlich schwer erklärbar. Wie sollte es einfachen Handwerkern oder Kaufleuten gelungen sein, eine Vergrößerung ihrer Ladenlokale in einen repräsentativen Privatbesitz hinein zu erwirken, es sei denn, dass diese Erweiterung vom Hauseigentümer selbst unternommen worden wäre? In diesem Fall bliebe zu überlegen, ob die domus zum fraglichen Zeitpunkt vielleicht schon nicht mehr von einer angesehenen Familie bewohnt wurde, sondern zu einem Mietshaus geworden war. Wenn man aber von der Hypothese einer schola ausgeht, wäre die »Zerschneidung« des Gebäudes, die – soweit nachvollziehbar – ein verhältnismäßig geringes Ausmaß aufwies, nicht abwegig, denn die collegia verfügten frei über ihr Eigentum 30. Bezieht man die zwei zum Gebäude 5 gehörenden Räumlichkeiten P216 und P217 in die Betrachtungen mit ein, wurden innerhalb der Ausgrabungsfläche auf der östlichen Straßenseite der Nord-Süd-Achse insgesamt sechs in die Häuserfront integrierte Werkstattläden erfasst. Vom Zeitpunkt ihrer Errichtung bis zur finalen Feuersbrunst weisen sie alle mehrere Phasen auf. Jede der Werkstätten durchlief dabei ihre eigene 30 Waltzing 1895-1900, Bd. 2, 452. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 601 Abb. 12 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Ansicht der Läden P211, P212 und P222 von Norden. – (Foto P. Lotti, Inrap). Entwicklung, die – abhängig von den jeweils aufeinandergefolgten antiken Säuberungen – zu durchaus unterschiedlichen archäologischen Stratigraphien geführt hat. Erwartungsgemäß sind natürlich die älteren Phasen weniger gut dokumentiert als die letzte, die in ihrem Zustand nach der Brandkatastrophe erhalten blieb. Anfangs wurden die vier Werkstattläden des Gebäudes 6 und die zwei Werkstattläden des Gebäudes 5 von Buntmetallschmieden benutzt, die Bleche verarbeiteten, aber auch Gussstücke anfertigten. Nachweislich wurden Niete hergestellt, und kleine schälchenförmige Schmelztiegel mit gekniffenem Ausguss scheinen auf die Verarbeitung von Edelmetall hinzudeuten. Im letzten Zustand, der uns hier maßgeblich interessiert, waren die Aktivitäten vielfältiger. Handwerker und Händler arbeiteten Tür an Tür (Abb. 12). In drei verschiedenen Räumlichkeiten, genauer im Werkstattladen P212, in dem Eisen, Kupferlegierungen und Knochen bearbeitet wurden, in seinem Hinterzimmer P503 und schließlich im Hinterzimmer P504 des benachbarten Ladens P222, wo man Töpferwaren und Glasgefäße verkaufte, traten u. a. die drei im Mittelpunkt des vorliegenden Aufsatzes stehenden Helme zutage (Abb. 9). Auch in den anderen Werkstätten nahm die Vielfalt der Aktivitäten zu. So ist etwa im Raum P211, neben der Verarbeitung von Blechen und dem Guss kupferhaltiger Legierungen, ferner mit einer Verwendung von Metallen wie Blei und vielleicht Gold zu rechnen. Die Produktpalette scheint dabei vielfältig gewesen zu sein. Es sei nur angemerkt, dass mehrere fertige Gegenstände dem militärischen Bereich entstammen könnten, wie das Schließband eines cingulum und ein Teil eines Kappzaums, die auf dem Boden dieser Werkstatt gefunden wurden. Für die Schlussphase des Werkstattladens P216 im Gebäude 5 lassen hingegen zwei Kalkwannen mit einem Wasserzulauf aus Blei, eine starke Konzentration von runden Pferdegeschirrbeschlägen, die alle fertig ausgearbeitet sind, sowie Eisenhaken auf die Verarbeitung von Leder schließen. Denkbar ist, dass hier u. a. die Anbringung von metallischen Zierelementen am umfangreichen Riemenwerk von Pferdegeschirr und Sattel erfolgte. Der nähere Kontext der Helme und der ihnen zugeordneten Funde Die drei Helme kamen an der Schnittstelle zwischen dem Fußboden der Räume und dem Schutt zutage, genauer in der schwärzlichen Brandschicht, die das Gebäude 6 bedeckte. Weil die Funde leider nicht per GIS eingemessen wurden, ist der genaue Fundort der Helme im Innern der Räume unbekannt. Waren sie 602 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext ursprünglich an den Wänden oder an der Decke aufgehängt oder befanden sie sich schon vor dem Brand auf dem Boden? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, aber es ist sicher, dass die zusammengehörenden Fragmente jeweils eines Helms nicht im Raum verstreut waren, sondern beieinanderlagen. Dies lässt darauf schließen, dass sie noch im Verbund waren, d. h. die Helme noch in einem Stück vorhanden waren und frühestens während der Brandkatastrophe zerstückelt wurden. Leider sind die Helme dennoch nicht vollständig. Ohne hier auf die Frage nach den Wangenklappen einzugehen, die in allen drei Fällen fehlen, ergaben sich beim Zusammensetzen der beiden Exemplare aus den Hinterzimmern P503 (Helm 2; Nr. 5006-12) und P504 (Helm 1; Nr. 5010-9) zudem deutliche Fehlstellen im Bereich der Helmkalotten 31. Es muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die dicke Schuttschicht, die die verbrannten Fußböden bedeckte, während der Ausgrabung rücksichtslos mit dem Bagger dicht über dem Boden abgeschoben wurde. Es ist durchaus möglich, dass dabei ein Teil der Helmfragmente mit dem Schutt abgeräumt worden ist. Im Falle des dritten Helms (Helm 3; Nr. 2533-68), der im Werkstattladen P212 gefunden wurde, fehlen allerdings zu große Partien, um sich mit dieser Erklärung zufriedenzugeben, und man kann davon ausgehen, dass der Helm schon z. T. auseinandergenommen war oder im Begriff war, wiederverwertet zu werden, als der Häuserblock brannte. Um den Zeitpunkt des Brandes zu bestimmen 32, liegen ein umfangreicher Bestand an Keramik, vor allem an Terra Sigillata 33, sowie fast 40 unter dem Brandschutt entdeckte Münzen vor. Zunächst ist ein Vergleich der Häufigkeit der verschiedenen Sigillataformen interessant, weil er besonders den Becher Lez. 102 (Déch. 72) und die Reibschale Lez. 100 (Drag. 45) hervorhebt, die vor allem für das 3. Jahrhundert typisch sind 34. Die gut belegten Gefäßtypen Drag. 37, Lez. 43 (Curle 23), Lez. 36 (Drag. 33) und Lez. 97 (Curle 21) sind ohne Zweifel einem »späten« Abschnitt ihrer Herstellung in Zentralgallien zuzuordnen. Die Fazies, die sie bezeugen, besitzt in mehreren Fundkontexten in Gallien Parallelen, die ins 3. Jahrhundert datiert werden 35. Außerdem gehören auch die Reliefverzierungen der zwei Gefäße Typ Drag. 37 aus den Räumen P222 / P504 den Verzierungsgruppen vom Ende der hohen Kaiserzeit an 36. Schließlich verrät die Mehrzahl der Keramikgefäße aus Lezoux (dép. Puy-de-Dôme / F) in Hinblick auf die charakteristischen Eigenschaften des Tons und des Überzugs eine weniger ausgefeilte Technik, die sich mit der Phase 7 dieser Manufaktur in Verbindung bringen lässt. Diese Gefäße können also in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts gestellt werden. Darüber hinaus entsprechen einige Teller- und Reibschalenformen ganz der Definition der Phase 8 von Lezoux, die ins zweite und dritte Viertel des 3. Jahrhunderts datiert wird 37. Während also die importierte Keramik es ermöglicht, den Brand in die Zeit nach 220-230 einzuordnen, erbringen die Münzen kostbare Zusatzinformationen. In Gebäude 6 kamen nicht weniger als 37 Münzen in den Lauf- bzw. Brandschichten zutage. Von diesen konnten drei nicht bestimmt werden, drei gehören der augusteischen Zeit an, 26 dem 1. und 2. Jahrhundert, drei dem ersten Viertel des 3. Jahrhunderts und schließlich zwei der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Bei den letzten beiden Münzen handelt es sich Näheres dazu bei der Betrachtung und Bestimmung der einzelnen Helme weiter unten. 32 Die Keramikbestimmung führte A. Wittmann, Keramikexperte des Inrap Auvergne, durch. Die Münzen bestimmte J. Hiernard, Professor für Alte Geschichte an der Université de Poitiers. 33 Nach der Zählung liegt die Mindestanzahl der Sigillatagefäße bei 134 Stück, was eine solide Grundlage für die Datierung gewährleistet. 34 Wittmann / Jouquand 2003. – Wittmann / Jouquand 2009. 31 Delage / Guillier 1997, 260 Abb. 4b. Die Caletus-Gruppe, später als 180/190, scheint sich im Wesentlichen in der ersten Hälfte des 3. Jhs. entwickelt zu haben (Delage 1999, V 115-117). Was den Verzierungsstil des Fgientinus betrifft, so erscheint er frühestens gegen 210-220 und tritt noch gegen Ende des 3. Jhs. im Gebrauchskontext auf (ebenda V 269-270). 37 Bet / Fenet / Montineri 1989. 35 36 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 603 jeweils um einen Antoninian des Valerian I.38 und der Salonina 39, deren Prägedaten einen terminus post quem von 257/258 für den Fundkontext ergeben. Da Münzprägungen der Kaiser des Gallischen Sonderreichs in und unter den Schuttschichten fehlen, ist es natürlich verlockend, die Brandkatastrophe bereits in der Zeit vor 260-270 anzusetzen. Allerdings ist der äußert geringe und zeitlich weit gestreute Anteil von Prägungen des 3. Jahrhunderts innerhalb der vorliegenden Münzreihe nicht repräsentativ genug, um das Ereignis mit einiger Berechtigung in die unmittelbare Nähe der Emissionsdaten der beiden Schlussmünzen rücken zu dürfen. Zudem muss man bedenken, dass die Emissionen der gallischen Kaiser offenbar keine gleichmäßige Verteilung innerhalb des Sonderreichs erlangten. Vielmehr scheint ihr Verbreitungsschwerpunkt in den Gebieten nördlich und östlich der Loire gelegen zu haben 40. Selbst bei einer breiteren Materialbasis als der vorliegenden muss deshalb ihr Fehlen auch in einem gesicherten Kontext der Zeit zwischen 260 und 274 je nach Region nicht unbedingt verwundern. Eine gewisse Umlaufzeit der Fundmünzen vorausgesetzt, scheint für die Brandkatastrophe von Poitiers somit ein Datum in den 260er bis frühen 270er Jahren wahrscheinlicher. Der Werkstattladen P212 und sein Hinterzimmer P503 Die beobachteten Befunde Die Werkstatt P212, in der der Helm 3 (Nr. 2533-68) gefunden wurde, ist ein trapezförmiger Raum von 26 m², dessen Fassade, wie die der anderen Werkstätten, aus Holz war (bewegliche Holzwände auf einer niedrigen Schwelle). In der letzten Nutzungsphase, die uns hier interessiert, war der Innenraum durch ein auf dem Boden liegendes Holzstück (Balken F650) zweigeteilt, dessen verkohlter Abdruck partiell noch dokumentiert werden konnte. Östlich des Balkens wurde der Boden auf einer Fläche von ungefähr 12,75 m² sauber gehalten. Dort konnte nur eine Feuerstelle (F631) festgestellt werden, die an der Verblendung der südlichen Mauer angelegt worden war. Ihre Tenne bestand aus einfachen Platten gebrannten Lehms, die durch einen aschehaltigen Mörtel verbunden waren (Abb. 14). Keinerlei Abfall wurde gefunden. Im Halbkreis um die Feuerstelle herum konnten Löcher von Holzpflöcken beobachtet werden. Im Gegensatz dazu war der Werkstattboden in der westlichen Hälfte des Raumes, eine Fläche von etwa 13,50 m², mit einem Konglomerat von verkohlten Objekten und Abfällen bedeckt (Abb. 15). Das Feuer brannte an dieser Stelle offenbar sehr stark und die Reste bildeten eine Art homogene Kruste. Die auf den wenigen Quadratmetern zerstreuten und vermischten Objekte, der Hammerschlag, die Gussformfragmente, die Schlacken, die Bruchstücke von Schmelztiegeln und die Knochenabfälle weisen auf eine Schmiede, eine Beinschnitzerei und eine Buntmetallgießerei im selben Bereich hin. Obgleich mehrere Hundert Funde bestimmt werden konnten, sind Reste der handwerkspezifischen Werkstattausstattung eher rar und schwer zu identifizieren. Die Stratigraphie dieses Bereichs zeigte ein komplexes Durcheinander zertretener Abfälle, die bei der Arbeit der Handwerker anfielen. Zwar fanden sich zwischen den verschiedenen Abfallhaufen manchmal Auffüllungsschichten, doch war es nicht wirklich möglich, eine relative Chronologie der diversen Abfallniederschläge zu erstellen. 38 Nr. 7521.5: Antoninian, 4. Emission (254-256 n. Chr.) AV/ [ImpC]PLICVA[le]RIANUSPFAUG, drapierte, gepanzerte Büste mit Strahlenkrone n. r. RV/ FELICITASAVGG, stehende Felicitas n. l., Äskulapstab und Füllhorn haltend. 2,9 g, 21/19,5 mm, 12 h. RIC V/1, 45 Nr. 87 (aber Büste C). 604 Nr. 2526.15: Antoninian (257-258 n. Chr.) AV/ [Corn]SAL[oni]NAAVG, drapierte Büste n. r. auf Mondsichel. DV/ [Veneri genet]RICI, stehende Venus n. l., Apfel und Zepter haltend. 3,7 g, 21/19 mm, 6 h (verbrannt [?] und verformt). RIC V/1, 114 Nr. 61. 40 Chameroy 2009, 333 f. 39 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 13 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Detailplan des Werkstattladens P212 und seines Hinterzimmers P503. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Immerhin ließ sich an zwei Orten eine Konzentration von Hammerschlag und kleinen Eisenstücken beobachten, die auf das ehemalige Vorhandensein von Ambossen schließen lässt oder zumindest auf Stellen, an denen Eisen gehämmert wurde. In unmittelbarer Nähe gibt eine Anhäufung von Schlacken und Wandfragmenten aus geröteter Erde Anlass zu der Hypothese, dass dort einst ein eingeebneter Schmiedeofen (P630) stand. Schließlich traten in der Mitte des Arbeitsbereichs zwei muldenartige Befunde in der Oberfläche des Werkstattbodens zutage. Die Vertiefung F632 (L./B./T.: 0,32 × 0,18 × 0,30 m) hatte senkrechte Wände, die nicht gerötet waren. Die Verfüllung bestand aus kohlehaltigem Sediment, Schlacken – darunter metallischer Bodensatz – und Lehmfragmenten aus einer Ofen- oder Feuerstellenwandung. Die zweite, weiter östlich gelegene Vertiefung F634 (L./B./T.: 0,44 × 0,24 × 0,35 m) entsprach der zuvor beschriebenen. Die Funktion dieser Befunde ist unbekannt (Feuerstellen oder Pfostenlöcher einer Werkbank?). Der Raum P503 (Abb. 13), aus dem der Helm 2 Abb. 14 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Ansicht der Feuerstelle F631 im Werkstattladen P212. – (Foto A.-M. JouquandThomas). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 605 Abb. 15 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Gesamtansicht des Werkstattladens P212 von Osten. – (Foto P. Lotti, Inrap). (Nr. 5006-12) stammt, hat einen rechteckigen Grundriss von weniger als 10 m². Der Zugang erfolgte durch eine einfache, nicht sehr sorgfältig gearbeitete Öffnung in der Rückwand des Ladens P212. Aufgrund seiner Lage im Innern des Gebäudes war das kleine Hinterzimmer nur schwach von der Fassade aus beleuchtet. Die einzige hier beobachtete Installation ist eine an die Verblendung der Mauer M245 angelehnte Feuerstelle (F575). Sie bestand aus gebrannten Lehmplatten und wurde von tegula-Bruchstücken begrenzt. Die geborgenen Funde Anhand des umfangreichen Fundmaterials aus dem Werkstattladen P212 lässt sich hier sowohl die Verarbeitung von Metallen (Eisen und kupferhaltige Legierungen) als auch von harten, tierischen Rohstoffen (Knochen, Geweih und vermutlich Horn) nachweisen 41. In Bezug auf die Buntmetallfertigung fällt die große Vielfalt und Heterogenität der Funde auf. Dabei ist die gesamte Produktionskette belegt, angefangen mit Metallguss und Blechverarbeitung bis hin zur Fertigstellung der Endprodukte, die durch bewegliche und fest installierte Poliersteine bezeugt wird. Vom Zuschneiden vorgefertigter Bleche, die man hier u. a. für Treibarbeiten nutzte, künden entsprechende Schnittabfälle. Ein noch nicht fertiggestelltes Treibdekorblech, das Apollo mit einer Leier zeigt (Abb. 16, 1), vermittelt einen Eindruck von der Qualität der Produkte. Bei seiner Entdeckung lag es noch auf einer Bleiunterlage, die darauf hindeutet, dass es sich also gerade im Stadium der Ziselierung befand. Gegenüber diesem halbfertigen Werkstück ist der Gießereibetrieb überwiegend durch Produktionsabfälle (Gussreste, Gussrinnen und vor allem benutzte Schmelztiegel) und Gussformen dokumentiert. Letztere belegen die Herstellung von Pferdegeschirrteilen, darunter Führungsringe und durchbrochene, mondsichelförmige Schmuckscheiben mit zwei rückseitigen Befestigungszapfen (Abb. 17, 1-2) 42. Den Formen entsprechende fertige Gussstücke kamen in der Werkstatt hingegen nicht zutage. 41 Im Einzelnen: 102 Objekte und Abfälle aus festem, tierischem Rohmaterial, 508 Objekte und Abfälle aus Eisen, 198 Objekte und Abfälle aus Kupferlegierungen, 15 kg Eisenschlacken und 112 Gussformfragmente. 606 42 Von 14 Gussformen, die bestimmt werden konnten, dienten sechs der Herstellung von Führungsringen und sechs dem Guss von peltaförmigen Zierscheiben. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 16 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Werkstattladen P212. Funde aus Kupferlegierungen. – (Zeichnungen S. Morin, Inrap). – M. 1:2. In Bezug auf fertige, jedoch nicht zwangsläufig vor Ort hergestellte Objekte sei angemerkt, dass mehrere Fundgegenstände dem militärischen Bereich angehören bzw. angehören könnten. Zu nennen sind u. a. einige Fragmente von Scheiden- oder Schildrandeinfassungen mit u-förmigem Querschnitt (Abb. 16, 4-5), ein ziemlich massives grobes und in dieser Hinsicht vielleicht noch nicht ganz fertiggestelltes Ortband einer Dolch- oder Schwertscheide (Abb. 16, 6) 43, sieben platte oder leicht gewölbte runde Zierscheiben vom Pferdegeschirr (Abb. 16, 7-8) 44 und eine ovale Zierscheibe vom Pferdegeschirr mit Resten von Glaspaste (Abb. 16, 9). Weit überraschender ist schließlich die Existenz eines bronzenen Ringknaufs mit eiserner 43 Vgl. u. a. James 2004, 158 Kat.-Nr. 583-584 Abb. 91. 44 Aurrecoechea 1995/1996, 101. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 607 Abb. 17 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Werkstattladen P212. Gussformen für Zaumzeugbeschläge. – (Fotos mit frdl. Genehmigung von A. Maillier [Bibracte, Centre archéologique européen]). – M. 1:1. Befestigungslasche (Abb. 16, 10), wie er bisweilen am Griff- / Angelende mittelkaiserzeitlicher römischer Dolche und Schwerter anzutreffen ist 45. Es handelt sich dabei um eine ursprünglich sarmatische Art der Griffgestaltung, die in anbringungstechnisch und gestalterisch etwas veränderter Form in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts von der römischen Armee übernommen wurde und ihren dortigen Umlaufschwerpunkt bereits während des fortgeschrittenen 2. Jahrhunderts hatte. Seinen Ringkonturen zufolge gehört das vorliegende Stück unter den Vertretern römischer Formgebung schon zu den tendenziell jüngeren Exemplaren 46. Neben letztem Fund gibt es auch noch weitere Gegenstände, bei denen Buntmetallelemente mit Eisenteilen kombiniert wurden. Erwähnt sei hier nur ein Schlüssel mit Bronzegriff in Form einer Löwenprotome, die aus einem Palmblatt hervortritt, entsprechend Typ 81 nach Masurel 47 (Abb. 16, 2). Es handelt sich dabei um ein gut bekanntes Modell 48, das vor allem in Nordgallien vorkommt und bis ins 3. Jahrhundert benutzt wurde. Einen direkten Hinweis auf die lokale Fertigung von zumindest Halbfabrikaten entsprechender Kombinationsprodukte liefert hingegen der aus einer Kupferlegierung hergestellte Messergriff in Form eines Pferdebeins (Abb. 16, 3), dessen zugehörige eiserne Klinge noch nicht befestigt worden war. Daran anknüpfend ist zu bemerken, dass im Werkstattladen P212 allerdings auch die Eisenverarbeitung zahlreiche Abfälle hinterlassen hat. Diese dokumentieren, dass es eine Schmiede gab, in der schon vorbereiteter metallischer Rohstoff bearbeitet wurde, welcher in Form von HalbErzeugnissen (Barren und Halbfabrikate) vorlag. Die Beschaffenheit der Abfälle sowie die geringe Anzahl bewusst »zusammengefalteter« Gegenstände lassen vermuten, dass die Wiederverarbeitung von Altmetall möglicherweise nur eine verhältnismäßig geringe Rolle spielte. Auch die geborgenen Eisenfunde zeichnet eine große Vielfalt aus. Ungefähr 20 Werkzeuge für die Metall- und Knochenverarbeitung wurden bestimmt sowie weitere Gegenstände aus dem häuslichen Bereich – z. B. ein Fragment einer Sklavenfessel mit festen Ringen 49 – und aus dem Bereich des Hausbaus (Tür- und Fensterbänder, Ringnägel etc.). Die Werkstatt scheint aber vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Produktion von Klingen ausgerichtet gewesen zu sein. Vier längliche Blechobjekte gleicher Form, von denen das größte eine Länge von 9,5 cm besitzt, könnten daneben die Herstellung von Riemendurchzügen zur Aufhängung von Schwertscheiden andeuten (Abb. 18, 1). Soweit noch näher bestimmbar, gehören die geborgenen Schwertriemenbügel zur Gruppe der eisernen Feugère 1993, 157-159. – Biborski 1994, 85 ff. – Miks 2009, 129 ff. 46 Miks 2009, 138 f. Der vorliegende Knauf entspricht der Form C. Buntmetallene Vertreter dieser Knaufform, die in der Regel eine eiserne Befestigungslasche besitzen, sind u. a. etwa aus Kalkar45 608 Hoennepel (Kr. Kleve / D) oder Ancy (dép. Aisne / F) bekannt (ebenda 151. 154 Nr. 29. 53 Abb. 15, 53; 16, 29). 47 Masurel 1979. 48 Piton 1993, 82. 49 Halbout / Pilet / Vaudour 1987, 110. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Abb. 18 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Werkstattladen P212. Eisenfunde. – (Zeichnungen A. Larcelet). – M. 1:3. Laschenkopf-Bügel (Carnap-Bornheim Typ IIID2-3) 50, deren maßgeblicher Nachweis von der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis ins dritte Viertel des 3. Jahrhunderts reicht 51. An Klingen wurden sowohl solche von kleinen Messern und von Rasiermessern als auch Werkzeugklingen (Schere und Sichel) und solche von großen Messern mit konvexer Schneidenkontur (Abb. 18, 2) gefunden, 50 von Carnap-Bornheim 1991, 44 ff. 57 TypenTaf. 4. 51 Miks 2007, 305 ff. Taf. 230-233. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 609 wie sie in der hohen Kaiserzeit im westlichen Zentralgallien häufiger anzutreffen sind und die z. T. als Jagdmesser interpretiert werden 52. Schließlich kamen noch Fragmente von drei zweischneidigen Klingen zutage, die Schwertern und vielleicht auch Dolchen zugerechnet werden können. Eine von ihnen lässt sich aus mehreren Stücken noch annähernd komplett zusammensetzen (Abb. 18, 3). Das Ende ihrer Angel, die einen kräftigen rechteckigen Querschnitt zeigt, ist weggebrochen. In der anderen Richtung endet das Klingenblatt in einer unfertigen, sehr gedrungenen dreieckigen Spitze. Deren Kanten haben eine gerade und rohe Oberfläche, die durch Zuschneiden entstanden ist. Eine Schneide ist hier nicht festzustellen. Mit ihrer noch verifizierbaren Länge von 49 cm (ohne Angel) erreicht die 4 cm breite Klinge nicht das Maß der Langschwerter (spathae), die in der römischen Armee während des 3. Jahrhunderts üblicherweise in Gebrauch waren 53. Kurzschwerter wurden in dieser Zeit hingegen kaum noch benutzt und die wenigen überlieferten Exemplare weisen nicht selten Anzeichen dafür auf, dass es sich lediglich um abgebrochene und mit einer neuen Spitze versehene spathae handelt, so etwa Klingen aus Hortfunden in und um das Auxiliarkastell von Künzing / Quintana (Lkr. Deggendorf / D), das um die Mitte des 3. Jahrhunderts zerstört und aufgegeben wurde 54. Immerhin belegt ihre Existenz, dass man ihnen immer noch einen gewissen Gebrauchswert beigemessen zu haben scheint, und sei es nur als eine Art Notwaffe 55. Sofern man den Zustand der beschriebenen Klingenblattspitze aus Poitiers nicht auch dahin gehend interpretieren möchte, dass hier gerade eine abgebrochene Langschwertklinge umgearbeitet wurde, läge für das Schwert eine Zuweisung zur Gruppe der gladii vom »Spatha«-Typ, Tendenz / Variante ähnlich »Straubing« nahe. Letztere entwickelten sich vermutlich auf Basis der gladii vom Typ Pompeji und der spathae vom Typ Straubing-Nydam und sind zumindest vereinzelt noch aus Kontexten des fortgeschrittenen 3. Jahrhunderts belegt 56. Von den beiden anderen zweischneidigen Klingen ist jeweils nur der vordere Teil des Klingenblattes erhalten, der in einer lang gestreckten, sich mehr oder minder gleichmäßig verjüngenden Spitze endet (Abb. 18, 4-5). Das offenbar bewusste Umschlagen der Spitze an einem der Exemplare (Abb. 18, 5) lässt entweder auf ein bei der Herstellung angefallenes Fehlprodukt oder aber auf ein unbrauchbar gemachtes Altstück schließen. Leider sind die beiden Klingenabschnitte zu unvollständig und angesichts ihres noch unrestaurierten Zustands auch in den Konturen und Querschnittsformen zu verunklart, um sie einem bestimmten Schwert- oder Dolchtyp einigermaßen sicher zuordnen zu können. Augenscheinlich eng mit dem Metallhandwerk verbunden war ferner die im Werkstattladen P212 ebenfalls betriebene Verarbeitung von Geweih, Knochen und vermutlich Horn. Die gefundenen Gegenstände und Abfälle belegen die Fertigung von Griffen für Messer und / oder Rasiermesser. Daran angeschlossen wurden als Nebenprodukt auch knöcherne Haarnadeln hergestellt. Unter den noch bestimmbaren Grifftypen befinden sich Exemplare für Klingen mit viereckigem oder eiförmigem Angelquerschnitt und für Klappmesser. Ein deutliches Vorherrschen des Hirschgeweihs gegenüber der Verarbeitung von Knochenmaterial ist vermutlich auf die spezielle Produktpalette der Werkstatt zurückzuführen. Die Verwendung von Horn ist nur durch ca. 15 Hornzapfen bezeugt, deren Hälse Sägespuren aufweisen. Die Verarbeitung von Horn dürfte auf Griff- / Angelbelagplatten für Messer mit flacher Angel beschränkt gewesen sein. Entsprechende Messerklingen sind im Rahmen der vorliegenden Eisenverarbeitung gut belegt. Gegenüber dem reichen Material aus dem Werkstattladen P212 sind Funde aus dessen Hinterzimmer P503, wo der Helm 2 (Nr. 5006-12) geborgen wurde, rarer. Die Nutzung dieses kleinen, sauber gehaltenen Rau- Lintz / Vuaillat 1988, 165-188. Feugère 1993, 147-151. – Miks 2007, 21 ff. 443 Abb. 2-3. 54 Schönberger / Herrmann 1967/1968, 59 f. Abb. 20. – Fischer 1991, 140 Abb. 9, 17. 55 Ulbert 1974, 210 f. Abb. 3. – Fischer 1991, 140. 167 mit Anm. 33. 52 53 610 56 Miks 2007, 71 ff. Taf. 46-50. Vgl. u. a. etwa die Form einer Klinge aus Saint-Laurent-les-Églises (dép. Haute-Vienne / F): ebenda 716 Kat.-Nr. A628 Taf. 48. – Perrier 1961, 17 f. Abb. 5, 2. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext mes scheint sich deutlich von der Werkstatt unterschieden zu haben, obwohl es auch hier Hinweise auf handwerkliche Tätigkeiten gibt (ein Gefäßboden, der als Abfallbehälter für Zuschnittreste gedient hat, ein kleiner beweglicher Polierstein aus Schiefer oder ein unvollständiger Mörser aus Kalkstein). Des Weiteren stammen aus diesem Raum zwei Ringe aus Kupferlegierungen, von denen der erste (Typ Guiraud 6d) 57 in Gallien vom 1. bis zum 4. Jahrhundert geläufig ist, und der zweite (Typ Guiraud 9a) 58 ein Modell repräsentiert, das ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis ins 3. Jahrhundert auftritt. Hinzu kommen Eisenobjekte, die zur Raumausstattung gehörten (Tür- und Fensterbänder, Scharniere und Eckverstärkungen von Holzkästen), und schließlich ein aus Eisenblech gefertigter Wasserkessel 59 von bisher unbekannter Form, dessen Boden fehlt. Die Funktion des Raumes P503 ist schwer zu bestimmen, aber die unvollständigen und verschiedenen Gegenstände lassen an einen Abstellraum denken. Der Werkstattladen P222 und sein Hinterzimmer P504 Die beobachteten Befunde Am Ende der Nutzungszeit des Gebäudes 6 wurden die beiden Werkstätten P213 und P214 zu einer Räumlichkeit P222 vereinigt und mit einem festen Betonboden ausgestattet (Abb. 19). Zwei Wanddurchbrüche (F219 und F603) führten durch die Rückwand zum Hinterzimmer P504, das anscheinend zur gleichen Zeit gebaut wurde. Sie lagen in der Mittelachse der beiden alten Räume und hatten Holzschwellen. Das 23 m² große, mit einem Boden aus Magermörtel versehene Hinterzimmer P504 wies in der Mitte zwischen beiden Schwellen eine kleine Feuerstelle (F703) mit einem Boden aus flach verlegten Ziegeln auf. Zwei steril verfüllte kleine Gruben (F710 und F714) und zwölf kleine Pfostenlöcher wurden ebenfalls beobachtet. Aufgrund seiner Lage im Innern des Gebäudes dürfte der Raum P504 ziemlich dunkel gewesen sein, genau wie das benachbarte Hinterzimmer P503. Die geborgenen Funde Der große Laden P222 und sein Hinterzimmer P504 bargen 482 Tongefäße und 28 Glasgefäße (Abb. 20). Diese außergewöhnliche Anhäufung von Gefäßen und die Einrichtung des Raumes weisen auf das Geschäftslokal eines Glas- und Töpferwarenhändlers hin. Die Terra Sigillata macht 6 % der angenommenen Mindestanzahl der Gefäße (MZG) aus und stammt ausschließlich aus zentralgallischen Manufakturen, im Wesentlichen aus Lezoux 60. Der Rest beschränkt sich auf 70 verschiedene Typen lokaler oder regionaler Ware, mehrheitlich Keramik mit weißem Überzug (43 % der MZG). Es handelt sich überwiegend um Tafelgeschirr für Flüssigkeiten, vor allem große und kleine Krüge (36 % der MZG), die sich in unterschiedliche Modelle einteilen lassen. Was das Glas anbetrifft, so kommen Trinkgefäße, primär Schalen (Is. 85b), und Transport- oder Aufbewahrungsgefäße für Waren (Flaschen, Fässchen und Flakons) vor. Die Kleinfunde aus Kupferlegierungen oder Eisen, die aus P222 geborgen wurden, gehören überwiegend zur Einrichtung und Möblierung des Ladens (Schlüssel, Scharniere, Möbelbeschläge und Lampen). Das Vorhandensein einer aus Kupferlegierung gefertigten, sogenannten römischen Waage (staera) zusammen mit Bleigewichten überrascht in diesem Kontext nicht. 57 58 Guiraud 1989, 193-194. Ebenda 196-198. An den Innenwänden hat sich eine 3 mm dicke Kalkschicht abgelagert. 60 Wittmann / Jouquand 2003. – Wittmann / Jouquand 2009. 59 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 611 Abb. 19 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Detailplan des Ladens P222 und seines Hinterzimmers P504. – (Graphik R. Bernard / V. Chollet, Inrap). Abb. 20 Poitiers, »Ilot des Cordeliers«. Gebäude 6: Konzentration von Keramikgefäßen im Laden P222. – (Foto F. Champagne, Inrap). 612 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Der Raum P504, wo der Helm 1 (Nr. 5010-9) zutage kam, war sicherlich in erster Linie ein Lagerraum, in dessen Nordostecke ein Teil der Waren (97 Keramikgefäße und 14 Glasbehälter) aufbewahrt wurde. Einige Eisenobjekte, die aus dem häuslichen Bereich oder vom Hausbau stammen, fanden sich zusammen mit Gegenständen, die üblicherweise dem militärischen Bereich zugeordnet werden. Zu letzteren zählen eine kleine eiserne Tüllenpfeilspitze, Reste von Kanten- / Schildrandeinfassungen aus Kupferlegierung und das Fragment eines beinernen Schwertriemenbügels vom Typ Nydam 61. Laschenkopf-Bügel dieses Typs stellen eine anscheinend reichsweit verbreitete charakteristische Form des 3. Jahrhunderts dar, mit deren gelegentlichem Verkommen aber selbst noch in Fundkontexten des fortgeschrittenen 4. Jahrhunderts gerechnet werden muss 62. Ausgehend vom Material des Bügels ist hier abschließend auch noch auf einige Knochenabfälle und Kleinfunde hinzuweisen, so etwa einen kleinen Polierstein aus Schiefer, die mit Beinverarbeitung in Verbindung gebracht werden können und vielleicht auf eine handwerkliche Nebentätigkeit im vorliegenden Laden bzw. in seinem Hinterzimmer schließen lassen. Resümee zu den Befunden und Funden Mit Ausnahme des offenbar von einem Glas- und Töpferwarenhändler genutzten Ladenlokals P222 lassen alle Beobachtungen, die in den übrigen durch das Feuer zerstörten Werkstattläden gemacht wurden, auf die Herstellung von sehr qualitätvollen oder gar luxuriösen Objekten schließen, welche ein großes handwerkliches Können voraussetzten. Bei den geborgenen Funden handelt es sich überwiegend um Artikel für eine männliche Kundschaft (Klappmesser, Rasiermesser, große Messer, Schwertklingen / -scheiden, Pferdegeschirr), unter denen ein militärisches / kämpferisches Element hervorsticht. Damit stellt sich zum einen die Frage, wer die Handwerker waren, die solche Dinge herstellten, und zum anderen, woher die Kunden kamen, die solche spezialisierten Läden im Zentrum einer Zivilstadt aufsuchten. In ein und demselben Gehwegabschnitt wurden hier nahe dem vermuteten Forum entsprechende Güter verkauft, auf Bestellung fabriziert und zweifellos auch repariert. Der unvollständige Zustand der Helme (besonders das Fehlen von Wangenklappen) spricht dafür, dass sie gerade repariert oder wiederverwertet wurden bzw. für eine von beiden Verfahrensweisen vorgesehen waren. Dies schließt die zunächst naheliegende Vermutung aus, dass es sich bei den Betreibern der Werkstattläden um Veteranen gehandelt haben könnte, die Kaufleute geworden waren und ihre Ausrüstung oder zumindest ihre Helme als eine Art Trophäen aufbewahrt hatten 63. Zwei der Helme stammen aus einem funktional kohärenten Baukomplex, der von der Werkstatt P212 und deren Hinterzimmer P503 gebildet wird. Das Vorhandensein des dritten Helms im Hinterzimmer (P504) eines Glas- und Töpferwarenhändlers ist demgegenüber schwieriger zu erklären, verbindet aber diese verschiedenen Räumlichkeiten oder zumindest deren Nutzer miteinander. Muss man hier vielleicht die u. a. in der Baustruktur des Gebäudes 6 zu verankernde Hypothese einer schola aufgreifen, in deren angegliederten Gewerbelokalen Mitglieder einer sie unterhaltenden Handwerkervereinigung zusammenarbeiteten? Eine klare Antwort darauf ist derzeit nicht zu geben. Schließlich kommt man in Bezug auf den Fundort auch nicht umhin, daran zu erinnern, dass das dort durch eine Katastrophe konservierte historische »Standbild« des Stadtviertels mit einem Wendepunkt in der römischen Geschichte zusammenfällt, der allgemein als »Reichskrise des 3. Jahrhunderts« bezeichnet wird. Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte man den Brand der Läden und die geborgenen Waffenteile vermut61 von Carnap-Bornheim 1991, 61 TypenTaf. 6,b. – Miks 2007, 313 ff. Taf. 235-237. 62 63 Miks 2007, 314 ff. Jouquand / Wittmann 2010, 82. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 613 Abb. 21 Poitiers. Kammfragment von Helm 1 vor dem Beginn der Restaurierung. – (Foto R. Müller, RGZM). – M. ca. 1:2. lich sofort mit Brandschatzungen und Kämpfen im Zuge der in dieser Zeit des Niedergangs partiell bis nach Spanien durchschlagenden Germaneneinfälle in Verbindung gebracht, ohne weiter darüber zu diskutieren. Erneute Analysen der bei Ausgrabungen gewonnenen Daten zeigen jedoch, wie sehr die Idee eines allgemeinen Niedergangs der Städte am Ende des 3. Jahrhunderts nuanciert werden muss. Heute spricht man eher von Veränderungen der Stadtlandschaft als von einem Bruch 64. Zwar hat sich im »Ilot des Cordeliers« selbst die urbane Struktur, so wie sie sich bereits im 2. Jahrhundert herausgebildet hatte, bis zum Bau der spätrömischen Befestigungsmauer (Ende 3. Jh.) nicht mehr gewandelt – hier scheint der Städtebau erstarrt zu sein –, doch zeigen andere Ausgrabungen, dass zur selben Zeit durchaus noch architektonische Bauvorhaben im Stadtgebiet umgesetzt wurden 65. Und wenngleich Beschädigungen an den Gebäuden oder zumindest ein mangelhafter Unterhalt der Bauten sowie die Umnutzung einiger Räumlichkeiten festgestellt werden konnten, so beweisen im Gegensatz dazu die Fundgegenstände und Produktionsabfälle eine große Dynamik in den auch im »Ilot des Cordeliers« noch durchgeführten handwerklichen und kommerziellen Tätigkeiten. Sie erwecken den Eindruck, als hätten diese bis in die 260er Jahre hinein nicht unter den politischen Ereignissen und dem wirtschaftlichen Niedergang des Reichs zu leiden gehabt. HELME VOM »TYP POITIERS« AUS DEN GRABUNGEN IM »ILOT DES CORDELIERS« Im Zuge eines Forschungsprojektes zu spätantiken Segmenthelmen, dessen Ausgangspunkt ein Depotfund des mittleren 4. Jahrhunderts aus Koblenz / Confluentes (D) bildete 66, wurde Ch. Miks auf einige eiserne Helmreste aus einer seinerzeit noch weitgehend unpublizierten Ausgrabung in Poitiers aufmerksam gemacht 67. Ein Helmkammfragment (Abb. 21), das aufgrund seiner großteiligeren Erhaltung optisch aus dem unrestaurierten, stark zerscherbten Material (darunter u. a. auch Nägel, Stücke einfacher rechteckiger Beschlagbleche und Messerfragmente) herausstach, suggerierte eine enge Verwandtschaft zu einer Gruppe Van Ossel 2011, 17. Wie z. B. die Errichtung eines großen, über 23 m langen, öffentlichen(?) Gebäudes mit Hypokaustum (Robin u. a. 1998, 47-52). 66 Vorbericht: Miks 2008a; Endpublikation: Miks in Vorb. 64 65 614 67 Für den Hinweis bin ich Dr. Martin Schönfelder (RGZM), der auch den Kontakt zu den französischen Kollegen herstellte, zu Dank verpflichtet. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 Abb. 22 Poitiers. Beispiele für die Oberflächenzustände der Helme vor der Restaurierung: 1 Fragmente von Helm 2. – 2 Fragmente von Helm 3. – (Fotos R. Müller, RGZM). – M. 1:3. 2 spätrömischer Kammhelme, die sich durch die Verwendung einer senkrecht stehenden dünnen Blechscheibe (Kammscheibe) entlang ihres Mittelscheitels auszeichnet 68. Dank des außerordentlichen Entgegenkommens der französischen Kollegen 69 konnte dieses bis dato unrestaurierte Kammfragment im Rahmen einer kleinen, dem Koblenzer Depotfund gewidmeten RGZM-Kabinettausstellung während des Jahres 2008 unter ähnlich gestalteten Kammhelmelementen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden 70. Im Anschluss daran verblieb es, zusammen mit zahlreichen weiteren Eisentrümmern aus Poitiers, die bereits in Frankreich im Hinblick auf eine mögliche Helmzugehörigkeit vorselektiert worden waren, zur Restaurierung im RGZM. Die dortige Differenzierung, Restaurierung und Zusammenfügung der höchst verschieden korrodierten größeren und kleineren Eisenscherben wurde im Dezember 2010 abgeschlossen. Die Rückführung der Objekte nach Frankreich erfolgte im Januar 2011. 68 69 Dazu u. a. Miks 2008b. Mein Dank gilt Anne-Marie Jouquand-Thomas (Inrap – Base de Tours) und Anne Larcelet (Inrap – Base de Dijon) sowie Jacques Buisson-Catil (SRA Poitou-Charentes, Poitiers). 70 Miks 2008a, 6 Abb. 10. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 615 Beschreibung der Fundstücke Die Masse der Fragmente verteilte sich letztlich auf die drei Helmkalotten. Während bei zweien von ihnen nach der Zusammenfügung der Eisenscherben die einstige Gesamtform trotz großer Lücken sicher nachvollzogen werden kann, hat sich vom dritten Helm lediglich ein Teil des Nackenschirms und der daran anschließenden Hinterhauptpartie erhalten. Die exakte Repositionierung vieler ehemals zusammenhängender Teile wurde durch den Umstand erleichtert, dass die Bruchkanten der einzelnen Fragmente bis auf wenige Ausnahmen nicht mit Korrosionsprodukten überwuchert waren. Letzteres deutet jedoch gleichzeitig darauf hin, dass große Kalottenpartien erst kurz vor bzw. bei der Bergung der Funde verloren gegangen sein dürften. Unterstützt wird diese Beobachtung auch durch die »keramikartige« Zerscherbung der Helme, die erst zu einem Zeitpunkt erfolgt sein kann, als die Metallstruktur bereits so stark abgebaut war, dass sie nicht mehr genug Flexibilität aufwies, um nur zu deformieren. Obwohl alle eisernen Helmfragmente ganz und gar durchkorrodiert sind, d. h. keine metallische Substanz mehr besitzen, lagen sie in äußerst unterschiedlichen Korrosionszuständen vor. Bei den zwei vollständigeren Kalotten (Nr. 5006-12 und 5010-9), die in den Hinterzimmern P503 und P504 entdeckt wurden, trat unter einem innen- und außenseitig aufliegenden blasigen Agglomeratpaket 71 aus Korrosionsprodukten, Bodenpartikeln und Holzkohle (Abb. 22, 1) eine stark aufgeworfene blasige Oberfläche mit einer sehr harten schwarzbraunen Brandpatina (Magnetitschicht) zutage. Dieser Zustand lässt darauf schließen, dass das Metall der Kalotten sekundär starker Hitze ausgesetzt war. Das Eisenblech der im Werkstattladen P212 gefundenen dritten Kalotte (Nr. 2533-68), bei der diese Brandpatina fehlt, ist demgegenüber nicht nur in seiner Oberflächenstruktur stärker abgebaut (Abb. 22, 2), sondern auch im Kern weitgehend hohlkorrodiert 72. Einerseits aus Zeitgründen und andererseits, um das angegriffene Material nicht zu sehr zu schwächen, wurde bei der Restaurierung lediglich die Außenseite der Kalotten ganzflächig freipräpariert. Hingegen konzentrierte sich die Bearbeitung der Helminnenseiten größtenteils nur auf Punkte, deren Freilegung zur Klärung konstruktionstechnischer Details relevant erschien. Helm 1 (Nr. 5010-9) aus Raum P504 Der vollständig eiserne Helm (Gesamth.: noch rund 330 mm), zu dem das große Kammfragment gehört, das seinerzeit schon in der erwähnten Kabinettausstellung präsentiert wurde, zeigt große, durch moderne Verluste entstandene Fehlstellen, die sich über die gesamte Kalotte verteilen (Abb. 23; Taf. 2-4). Bis auf ein kleines Bruchstück im Bereich des Nackenschirms ist die Position aller dem Helm noch zuweisbaren Teile dennoch durch direkte, wenn auch teilweise nur sehr kleine passgenaue Berührungspunkte gesichert. Dass in den Zeichnungen und Fotografien des Helms manche Scherben trotzdem keinen Kontakt zu ihren Nachbarn aufweisen, ist darauf zurückzuführen, dass bei ihrer reversiblen Montage auf eine moderne Stütz- 71 Die teilweise sehr bizarren, säulchenartigen Ausprägungen dieses Pakets (z. B. Taf. 5, 4 links oberhalb des Bandblechs) lassen darauf schließen, dass die Objekte in einem relativ lockeren Bodenmilieu mit größeren Hohlräumen eingebettet waren, in denen sich die durch Wassereinwirkung ausgespülten Korrosionspartikel niederschlagen konnten. 616 72 Die gemachten Angaben fußen im Wesentlichen auf den Beobachtungen der für die Funde verantwortlichen Restauratoren des RGZM: Ulrike Lehnert, Stefan Prießnitz und Fabian Maier. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 2 a 1 a c b 3 4 Abb. 23 Poitiers. Helm 1: 1 Ansicht der Stirnpartie (a Querschnitt der Stirntülle). – 2 Ansicht von oben. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite (a Querschnitt der Kammscheibenkonstruktion; b Befestigung des rechten Wangenklappenscharniers auf der Kalotteninnenseite; c Längsschnitt der Stirntülle). – (Zeichnungen M. Ober, RGZM). – M. 1:3. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 617 konstruktion die optische Wiederherstellung der ursprünglichen Kalottenform im Vordergrund stand. Dazu war es nötig, eine starke Deformation der Kalotte in Form einer offenbar von der linken Seite her erfolgten Stauchung etwas auszugleichen. Dies wiederum führte zu den besagten leichten Spaltbildungen. Wie die deutliche Eindellung der Scherben an der linken Seite und die etwas stumpfere Verformung des rechtsseitigen Kalottendachs belegen, war zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung auf den anscheinend nach rechts gekippten Helm das Metall noch vollständig biegsam. Dementsprechend dürfte es sich hierbei um eine alte, wahrscheinlich schon antike Beschädigung handeln. Die einteilige Helmkalotte wurde – soweit trotz der Korrosion noch ermittelbar – aus etwa 1 mm starkem Blech gefertigt. In ihrer restauratorisch leicht korrigierten, jedoch immer noch seitlich sekundär gedrückten Form weist sie auf Höhe der Stirnkante eine Breite von ca. 155 mm und eine Tiefe von 242 mm auf (ohne Kamm und Stirntülle). Ihr Umfang beträgt hier ca. 690 mm. Die maximale Kalottenhöhe, die, gemessen ab der von Schläfe zu Schläfe verlaufenden Stirnkante, ohne den Helmkamm bei nur etwa 130-135 mm liegen würde (je nach Ausrichtung der Stirnkante), wird durch eine weit nach unten gezogene Nackenpartie auf maximal rund 260 mm erweitert. Die Vorderkanten letzterer schließen etwa in der Mitte der Kalottenseiten in einem stumpfen Winkel an die Stirnkante an und setzen die Kalottenkante bis zum Ansatzpunkt des nach außen abgewinkelten Nackenschirms fort. Als ein integrierter Bestandteil der Kalotte kragt der Nackenschirm in seinen erhaltenen Partien noch 5055 mm nach außen aus. Trotz seiner heute starken Beschädigungen dürfte er diesen Wert auch im intakten Zustand nicht nennenswert überschritten haben. Wie einige besser erhaltene Abschnitte erkennen lassen, waren seine Kanten einst mit einem separaten Eisenblechband ummantelt. Diese recht nachlässig ausgeführte, in ihrer Breite zwischen 6,8 und 12,8 mm stark variierende Einfassung diente wohl im Wesentlichen zur zusätzlichen Aussteifung des Nackenschirms. Durch dessen leichte Abdachung steigt die Gesamthöhe der Kalotte auf rund 280 mm. Einen besonderen Blickfang bildet schließlich der als separat gefertigte Komponente entlang der Längsachse des Helms auf der Kalottenaußenseite befestigte eiserne Helmkamm mit hoch aufragender senkrechter Kammscheibe. Das ehemals insgesamt knapp 470 mm lange Bauteil (gemessen entlang der Basis) fängt bereits unmittelbar oberhalb des Nackenschirms mit einem laschenförmigen Ende von weniger als 6 mm Dicke an und legt auf den ersten rund 210 mm – d. h. in der Nacken- und Hinterhauptpartie des Helms – nur weitere rund 6 mm an Höhe zu. Erst auf den nächsten 230 mm steigt der Kamm dann rapide zu einer ausgeprägten Kammscheibe an, nahe deren vorderem Ende er eine maximale Gesamthöhe von immerhin 55 mm erreicht. Den vorderen Abschluss der Scheibe bildet eine hohe gerade Kante, die senkrecht zur Kalottenoberfläche hin abfällt. An ihrem Fuß läuft der Kamm schließlich in einer flachen Lasche aus, deren ehemalige Länge angesichts einer Fehlstelle nur ungefähr mit ca. 20-30 mm angegeben werden kann. Die Kammscheibe stellt zweifelsohne das »Herzstück« des Kammes dar. Sie ist im vorliegenden Fall aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Den Kern bilden zwei parallel verlaufende, senkrecht gestellte Bleche (Blechst.: ca. 0,7 mm) mit theoretisch völlig identischer sichelförmiger Konturierung. Da das linksseitige Blech allerdings etwas kürzer ausgefallen ist – wohl aufgrund fertigungstechnischer Nachlässigkeiten –, sind die Dimensionen des rechten Bleches (L. entlang der Oberkante / Unterkante: knapp 280/230 mm) für die gesamte Kammscheibe entscheidend. Die Differenz der Bauteile macht sich an ihrem hinteren Ende in einem Blechversatz von immerhin 13,4 mm zueinander bemerkbar (Taf. 4, 7). In ihrem vorderen Bereich wurde die Basis der beiden Konstruktionsbleche auf einer Länge von 155 mm (linkes Blech) bzw. 160 mm (rechtes Blech) um annähernd 80-90° in entgegengesetzte Richtungen abgewinkelt. Im Querschnittsvergleich ergibt sich daraus für die beiden Blechelemente ein gegensätzliches L-Profil. Die wiederum nachlässig ausgeführten, abgewinkelten Basisstreifen mit einer variierenden Breite von 10-14 mm (linkes Blech) bzw. 14-17 mm (rechtes Blech) dienen als Befestigungsflansch. Sie liegen mehr oder minder plan auf dem Kalottendach auf und sind durch je zwei Eisenniete mit sehr breitem flachgeschmiedetem Kopf (Dm.: 11,3- 618 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 12,3 mm) – je einer nahe dem vorderen und hinteren Ende der Flanschstreifen – fest mit diesem zusammengefügt. Auch untereinander sind die beiden Kammbleche mittels zweier vergleichbarer vierkantiger Eisenniete (Schaftst.: 3,5-4,0 mm; Kopfdm.: 11,7 und 12,6 mm) verbunden. Diese wurden ohne erkennbare Berücksichtigung dekorativer Aspekte oder einer technisch besonders relevanten Position von der rechten Kammseite her durch den senkrechten, maximal ca. 48 mm (ohne Flansch) aufragenden Teil der Bleche getrieben und auf der Außenseite des linken Kammblechs einfach grob krummgeschlagen (Taf. 4, 1). Zumindest scheint man dabei aber darauf geachtet zu haben, dass sich zwischen den Blechen lediglich entlang ihrer Ober- und Vorderkante eine direkte Kontaktzone ergab, während sie an der Basis größtenteils eine deutliche Distanz zueinander wahren (Abb. 23, 4a). Der daraus resultierende Hohlraum vergrößert die Basisbreite der Kammscheibe auf immerhin 9-10 mm. Demgegenüber beträgt ihre Dicke an der Oberkante gerade einmal 3,0-3,5 mm (inklusive einer zusätzlichen Kanteneinfassung aus rund 0,7 mm starkem Blech). Rechnet man die Befestigungsflansche hinzu, so erreicht der Kamm an deren hinterem Ende eine maximale Basisbreite von 32 mm, in ihrem Mittelabschnitt von 43 mm und am vorderen Flanschende von immerhin noch 29 mm. Wie schon angedeutet, sind die Vorder- und Oberkante der Kammscheibe mit einer rinnenförmigen Leiste aus 0,7 mm starkem Eisenblech ummantelt, die der Verbindung zwischen den beiden Scheibenhälften zusätzliche Stabilität verleiht. Die fertigungstechnische Ausführung besagter Leiste ist wiederum nicht sehr akkurat, sodass die Schenkellänge ihres U-Profils sehr ungleichmäßig verteilt ist. Während sie auf der rechten Seite der Kammscheibe willkürlich zwischen 7,8 und 12,5 mm schwankt, reicht sie auf der linken Seite 7,6-15 mm in die Scheibenfläche hinein. Ebenfalls willkürlich schwankt dabei auch bereits die Breite des Blechstreifens, aus dem die Leiste gefertigt wurde, um über 5 mm. Am hinteren Ende der Kammscheibe ist die Verarbeitung gar so nachlässig, dass – offenbar schon in antiker Zeit – der Abschluss des kürzeren linken Kammscheibenelements seitlich aus der Einfassungsleiste herausgesprungen ist (Taf. 4, 7). Letztere setzt sich auch über das hintere Ende der beiden Scheibenelemente hinweg in den Hinterhauptbereich der Helmkalotte fort. In merklich verbreiterter Form (10,7-12,9 mm) verläuft die Leiste hier als nicht weiter unterfütterte tunnelartige Halbröhre (Taf. 4, 8) mit allmählich abnehmender Höhe noch über die gesamte Nackenpartie des Helms. Erst knapp oberhalb des Nackenschirms bildet ihr an dieser Stelle plattgeschlagenes Ende (B.: 18,3 mm), das durch einen Eisenniet der schon beschriebenen Form (Kopfdm.: 13,7 mm) auf der Kalotte fixiert ist (Taf. 4, 9-10), gleichzeitig den hinteren Abschluss des gesamten Kamms 73. Dieser wird / wurde flankiert von zwei intentionell durch das Blech der Kalotte getriebenen Löchern, von denen jenes links des Kammendes besser erhalten ist als sein Pendant knapp 16 mm weiter rechts, dessen Ansatz in einer modernen Bruchkante gerade noch erkennbar ist (Taf. 4, 10). Auch am stirnseitigen Kammende setzte sich die Einfassungsleiste vom Fuß der Kammscheibe aus noch ein Stück ohne Unterfütterung fort. Ihr wiederum abgeplattetes Ende verschwindet hier schließlich unter dem Flansch eines weiteren Helmelements, mit dem zusammen es mittels eines gemeinsamen Eisenniets auf der Kalotte fixiert ist. Beim genannten Helmelement handelt es sich um ein rund 65 mm langes trapezoides Blech (B. oben / unten: ca. 37,5/47 mm; St.: 0,5-1,0 mm), das mit seiner Unterkante bis an die Stirnkante der Helmkalotte heranreicht und sie partiell sogar noch leicht umfasst (Taf. 4, 4-6). Entlang seiner Vertikalachse weist das Blech eine herausgetriebene kantige Mittelrippe auf, die unmittelbar unterhalb des Kammendnietes beginnt, mit nasenartiger Formgebung in ihren Dimensionen zunimmt und sich schließlich als nach unten offene, zur Stirnkante hin ausgerichtete, kantige Tülle präsentiert (Mündungsb./-h.: 15 × 12,5 mm). Außer durch den Kammendniet an seinem oberen Ende ist das Bauteil durch je einen weiteren Eisenniet in den flach an der Kalotte anliegenden Flanschstreifen (B.: 13-17 mm) beiderseits der Mittelrippe / Tülle mit 73 In Korrektur der Aussage bei Miks 2008b, 453 konnte das vernietete Ende im weiteren Verlauf der Restaurierungsarbeiten schließlich doch noch unter den vorliegenden Helmfragmenten identifiziert werden. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 619 dem Helm verbunden. In der technischen Ausführung dieser Niete, von denen der rechtsseitige einen flachen Kopf von gerade einmal 7 mm Durchmesser besitzt, während der 21,3 mm große Kopf seines linksseitigen Pendants bis über die Außenkante der Flanschzone auslädt, offenbart sich wiederum die nachlässige Konstruktionsweise des Helms. Je zwei auffällig große, innen einfach krummgeschlagene, kantige Eisenniete wurden schließlich auch zur Anbringung zweier Scharniere (je eins pro Helmseite) benutzt, die auf die einstige Existenz von Wangenklappen hindeuten. Erhalten ist in beiden Fällen allerdings nur das obere Scharnierband (Abb. 23, 4b; Taf. 4, 2-3). Dabei handelt es sich jeweils um eine grob zugeschnittene, mehr oder minder rechteckige Eisenblechplatte (St.: ca. 1 mm), die um eine Scharnierachse gebogen und auf sich zurückgeführt wurde. Durch eine mittige Blechauskantung entstanden im Bereich ihrer Umbiegung je zwei getrennte Scharnierschlaufen. Am besser erhaltenen rechtsseitigen Scharnierband (B./H.: 48,6 × 31,5 mm) beträgt deren Breite 10,5 und 12,6 mm, während ihr ungleichmäßiger Abstand zueinander eine Spanne von 16,8-18,4 mm aufweist. Beim nur max. 46 mm breiten linken Scharnierband liegen die Schlaufenbreiten hingegen bei 14,4 und 15,3 mm und der Mittelabstand bei 16 mm. Die im Schläfenbereich des Helmträgers positionierten Scharnierteile sind derart auf der Kalotteninnenseite montiert, dass lediglich ihre beiden Schlaufen unter dem Stirnrand des Helms hervorschauen. Zum Ansatzpunkt der nach unten gezogenen Nackenpartie der Kalotte wahren letztere einen Abstand von ca. 30 mm. Sowohl das Fehlen von Metallresten der einstigen Scharnierachse im Bereich der Schlaufen als auch das generelle Fehlen von identifizierbaren Wangenklappenfragmenten innerhalb des gesamten Materialkomplexes legen den Schluss nahe, dass die Klappen anscheinend bereits demontiert waren, als der vorliegende Helm im Boden eingelagert wurde. Helm 2 (Nr. 5006-12) aus Raum P503 Der ebenfalls komplett eiserne Helm 2 (Gesamth. mit / ohne verbogenen Nackenschirm: rund 366/310 mm) ist in seiner Form zwar dem Helm 1 sehr ähnlich, weicht jedoch in fertigungstechnischen Details merklich von ihm ab und ist insgesamt auch etwas sorgfältiger verarbeitet (Abb. 24; Taf. 5-7). Während der Nackenschirm und die Nackenpartie nahezu vollständig vorhanden sind, weist das Kalottendach einige großflächige Fehlstellen auf, die die Verbindung eines großen Fragments aus der frontalen Stirnpartie der Kalotte mit den restlichen Helmteilen unterbrechen. Eine verlässliche Aussage zur ursprünglichen Tiefe der Kalotte ist damit leider unmöglich. Bezüglich der Ausrichtung und Positionierung der verschiedenen Helmfragmente auf einer modernen Stützkonstruktion stand – wie schon beim Helm 1 – wiederum die annähernde optische Nachvollziehbarkeit der Kalottenform im Vordergrund, selbst wenn dies ein leichtes Auseinanderklaffen mancher eigentlich exakt aneinander anschließender Bruchkanten zu Folge hat. Im vorliegenden Fall galt es, eine starke frontale Helmdeformation abzumildern. Wie die Verformung einzelner Scherben und Bruchkanten nahelegt, scheint die Gewalteinwirkung von vorne unten diagonal auf die zentrale Stirnkante erfolgt zu sein. Dabei wurde die gesamte Stirnpartie nach innen gequetscht, während die Seitenbereiche der Kalotte stark nach außen gedrückt wurden. Sicherlich handelt es sich dabei um keine Beschädigung, die während des Gebrauchs der Schutzwaffe entstanden ist. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, der Helm hätte umgedreht am Boden gelegen und man habe gezielt auf die Kante eingetreten. Daraus könnte sich gleichzeitig die starke Abwärtsbiegung / -deformation des Nackenschirms erklären, die offenbar zudem ein Einreißen des Blechs im Bereich der linken Schirmseite verursachte. Ähnliche Hinweise auf antike Rissspuren zeigen auch die Kanten des bereits erwähnten frontalen Stirnfragments (Taf. 5, 1-2), das bei der Deformation des Helms seine ursprüngliche Biegung fast völlig eingebüßt hat. Dass der Helm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gebrauchstauglich war, legt ferner der Umstand nahe, dass seine Wangen- 620 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 a b 2 c a b 4 3 Abb. 24 Poitiers. Helm 2: 1 Ansicht der Stirnpartie (a-b Quer- und Längsschnitt der Stirntülle; c Verstärkungsblech auf der Kalotteninnenseite mit ankorrodiertem Stabfragment). – 2 Ansicht von oben. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite (a Querschnitt der Kammscheibe; b Befestigung des rechten Wangenklappenscharniers auf der Kalotteninnenseite). – (Zeichnungen M. Ober, RGZM). – M. 1:3. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 621 klappen anscheinend bereits demontiert waren. Dafür sprechen dieselben Indizien wie beim Helm 1. Dass es sich bei ihm tatsächlich um ein Altstück und nicht etwa um ein noch unfertiges Neuprodukt handelte, beweist zudem die Beschädigung der auch am Helm 2 vorhandenen Stirntülle. Diese wurde hier mutwillig von innen nach außen aufgerissen (Abb. 24, 1-1a; Taf. 5, 1-3). Ob die Gesamtdeformation der Kalotte auf eine gezielte »Einstampfung« von Altmetall verweist oder aber unbeabsichtigt erfolgte, etwa durch herabstürzende Gebäudetrümmer, lässt sich – wie schon beim Helm 1 – am Objekt selbst allerdings nicht entscheiden. Wie bereits angedeutet entspricht die Kalottengrundform des Helms 2 der von Helm 1. Soweit noch feststellbar, könnte auch der Umfang auf Höhe seiner Stirnkante einst ebenfalls zwischen 680 und 690 mm (ohne Kamm und Stirntülle) gelegen haben. Die heute messbare große Kalottenbreite von ca. 210 mm dürfte hingegen zum Teil darauf beruhen, dass es nicht gelungen ist, die schwere Helmdeformation bei der Endmontage der Teile nach ihrer Restaurierung gänzlich zu beseitigen. Während der höchste Punkt des Kalottendachs rund 120 mm (ohne Kamm) über der Stirnkante liegt, beträgt die Länge der nach unten herausgezogenen Nackenpartie ca. 145 mm. Der Ansatzwinkel zwischen ihren Vorderkanten und der Stirnkante ist dabei etwas schärfer als beim Helm 1. Die Nackenpartie mündet nach unten in einen ehemals offenbar weitgehend horizontalen, heute partiell nach unten verbogenen Nackenschirm ein, der einen integrierten Bestandteil der Kalotte darstellt. Seine Breite beträgt an seinen seitlichen Vorderkanten 60 mm und nimmt zur spitzbogig nach hinten herausgezogenen Schirmmitte bis auf 80 mm zu. Alle Schirmkanten waren oder sind noch mit einem separaten Eisenblechband ummantelt, das mit einer Breite zwischen 8,5 und 10,5 mm in die Fläche des Nackenschirms hineinragt. Insgesamt betrachtet erweitert der Nackenschirm die Frontalansicht der im Bereich der unteren Nackenpartie nur noch 160 mm breiten Kalotte auf ganze 265 mm. Den markantesten Blickfang bildet auch beim vorliegenden Helm wieder der Helmkamm, der als ein separates Bauteil auf der Kalotte montiert ist. Er lässt sich noch über eine Länge von 476 mm (gemessen entlang der Basis) nachvollziehen. Leider werden exakte Aussagen zum ehemaligen Aussehen seines vorderen Endes durch größere Fehlstellen in diesem Bereich etwas eingeschränkt. Auf den ersten Blick scheint die sichelartige Formgebung des Kammes, mit der eine Höhenzunahme von 5 mm am hinteren Ende bis auf 45,5 mm auf dem oberen Kalottendach einhergeht, für eine Parallele zum Helm 1 zu sprechen. Bei genauerem Hinsehen legen jedoch der Verlauf der Oberkante kurz vor der Fehlstelle und die durch erhaltene Reste noch erschließbare Mindestlänge des zerstörten vorderen Kammendes den Schluss nahe, dass die hoch aufragende Kammscheibe hier nicht wie beim Helm 1 mit einer geraden Kante senkrecht zur Kalottenoberfläche hin abfiel, sondern dass sie sich dieser eher in einem sanften Bogen allmählich wieder annäherte. Auch konstruktionstechnisch weicht der vorliegende Kamm deutlich von dem des anderen Helms ab, da er aus einem einzigen Eisenstück ausgeschmiedet wurde. Sein als lanzettförmige Lasche (L./B.: 20 × 16,7 mm) plattgeschmiedetes hinteres Ende liegt unmittelbar oberhalb des Nackenschirmansatzes (Taf. 5, 6-7). Es ist hier mit einem eisernen Niet auf der Kalotte fixiert. Wie schon beim Helm 1 wird es von zwei intentionell positionierten, stark ausgeschlagenen Löchern im Kalottenblech flankiert. Im Anschluss an seine Endlasche setzt sich der Kamm zunächst als langsam an Höhe zunehmender Vierkantstab (B./H.: 4,5-6,5 × 5,0 mm nahe der Lasche bzw. 6,1 × 6,0 mm auf Stirnkantenhöhe) über den gesamten Nackenbereich des Helms nach oben fort. Erst im mittleren Hinterhauptbereich geht der stabförmige Querschnitt in eine nun zunehmend an Höhe gewinnende Blechform von schließlich nur 1,7-2,0 mm Breite / Materialstärke über, die für den hohen Kammscheibenbereich kennzeichnend ist. Kurz vor Erreichen des höchsten Kalottenpunkts ist die Unterkante des Kamms mit zwei annähernd rechtwinklig zur Scheibe ausgeschmiedeten kurzen Flanschen (links- / rechtsseitige Flanschl.: 79,5/78,8 mm; max. Flanschh.: ca. 3,5 mm) versehen. Sie verleihen dem Querschnitt dieses Kammabschnitts eine umgedrehte T-Form. Von oben betrachtet ergänzen sich ihre bogenför- 622 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext mig von der Kammscheibe weg und wieder darauf zu führenden Außenkanten zu einer insgesamt einst linsen- / spindelförmigen Ansatzplatte, deren nur fragmentarisch erhaltene Breite heute immerhin noch 35,5 mm beträgt. Der Kamm ist hier mit je zwei Eisennieten pro Flansch, die in den Zwickeln zwischen der abgehenden bzw. wieder ankommenden Außenkante und der aufragenden Kammscheibe platziert sind, auf der Kalotte befestigt. Jenseits des Flanschabschnitts läuft die Kammscheibe ohne einen noch erkennbaren weiteren Arretierungspunkt bis in den Vorderhauptbereich der Kalotte fort, wo sich ihre Spur aufgrund des schlechten Erhaltungszustands schließlich verliert. Während das Bruchstück eines leistenartigen Buntmetallblechs mit getriebenem Eierstabdekor, das hier links der Kammreste auf der Kalotte festkorrodiert ist (Taf. 5, 5), wohl eher nichts mit dem Helm zu tun hat, könnte es sich bei einem in sekundärer Position an der inneren Stirnkante der Kalotte festkorrodierten Stabfragment (L./B.: 27 × 6 mm) mit laschenartiger Abplattung und Nietkopfrest(?) vielleicht um das abgebrochene vordere Kammende handeln (Abb. 24, 1c; Taf. 5, 2-4). Der Kamm wäre dementsprechend auch am vorderen Ende noch einmal für einen kurzen Abschnitt in einen stabförmigen Querschnitt übergegangen, an dessen Ende sich ein schon aus Stabilitätsgründen zu postulierender Befestigungsniet befand. Dass letzterer – anders als beim Helm 1 – nicht auch gleichzeitig zur Fixierung einer Stirntülle gedient hat, wird durch ein großes, ohne unmittelbaren Kontaktpunkt mit der restlichen Kalotte erhaltenes Fragment vom Stirnrand des Helms bestätigt. Auf diesem ist noch das vollständige Tüllenblech vorhanden (Taf. 5, 1-4). Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine halbkreisförmige Platte (L./B.: 67-68 × 91,7 mm; Blechst.: ca. 0,5 mm), deren gerade Basis bündig mit dem Stirnrand der Kalotte abschließt. Entlang ihrer Rundung ist sie mit insgesamt fünf annähernd gleichmäßig gesetzten, vierkantigen Eisennieten (Kopfdm.: ca. 10 mm) plan auf der Kalottenoberfläche befestigt. Ihre nasenförmige, nach unten offene Mitteltülle (L./B./H.: 40 × max. 25 × noch 11 mm), die offenbar weniger kantig herausgetrieben war als beim Helm 1, wurde anscheinend mutwillig auf einer Länge von 33 mm sekundär aufgerissen und das zerfetzte Blech wahllos nach außen umgebogen. In dem Abschnitt, in dem die Stirntülle außen auf der Kalotte aufsitzt, ist der Stirnkante auch an der Kalotteninnenseite auf einer Länge von 105-106 mm ein 20 mm breiter Eisenblechstreifen (Blechst.: ca. 1 mm) hinterlegt, der von den beiden unteren Befestigungsnieten der Tüllenplatte mit arretiert wird / wurde (Abb. 24, 1c; Taf. 5, 4). Mittels eines weiteren Niets, diesmal mit Kopf auf der Kalotteninnenseite (Kopfdm.: 9 mm), ist der Streifen zudem im unmittelbaren Tüllenbereich noch einmal mit dem Kalottenblech verbunden. Soweit erkennbar bestand die Aufgabe dieses Streifens lediglich darin, die stirnseitige Kalottenkante im Abschnitt der Stirntülle zusätzlich zu verstärken bzw. auszusteifen. Wie schon bei Helm 1 sind schließlich auch beim Helm 2 in den Schläfenbereichen der Kalotte die oberen Scharnierbänder einer Wangenklappenaufhängung erhalten (B./H.: rechtsseitig 55 × 31,8-32,2 mm; linksseitig 55 × 32 mm). Konstruktionstechnisch sind sie mit denen am Helm 1 identisch, wenn auch etwas gleichmäßiger gefertigt (Abb. 24, 4b; Taf. 5, 8-9). Mittels je zweier Eisenniete sind sie wiederum derart auf der Kalotteninnenseite befestigt, dass die beiden Scharnierschlaufen (B.: rechtsseitig je 15 mm; linksseitig noch 14,6 mm) unter dem Stirnrand des Helms hervorragen. Ihr Montageabstand zum Ansatz der nach unten gezogenen Nackenpartie der Kalotte beträgt rund 30-32 mm. Helm 3 (Nr. 2533-68) aus Werkstattladen P212 Vom dritten Eisenhelm ist im Wesentlichen nur ein stark deformierter Teil der Nackenpartie mit ursprünglich integriertem, jedoch sekundär extrem geflicktem Nackenschirm erhalten (Abb. 25; Taf. 8). Vom Ansatzpunkt des abgewinkelten Schirms aus ragt die Nackenpartie auf der linken Seite noch bis zu ca. 230 mm in die Höhe (je nach Ausrichtung des Gesamtfragments bzw. des Anstiegswinkels seiner vorderen Kante). Ihre in diesem Bereich abschnittsweise erhaltene Vorderkante verdeutlicht, dass sich auch der Helm 3 durch Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 623 1 3 b 2 a a b 4 Abb. 25 Poitiers. Helm 3: 1 Ansicht von oben. – 2 Hinteransicht / Rückseite. – 3 Fragment (a Außenseite; b Innenseite) der rechten Vorderkante der aufgehenden Nackenpartie. – 4 Flickagestelle am rechten Ende des Nackenschirms im Detail (a Ansicht von der Kalotteninnenseite; b Ansicht von der Schirmunterseite). – (Zeichnungen M. Ober, RGZM). – M. 1:3. 624 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext eine Kalotte (Blechst.: ca. 1,5 mm) mit tief heruntergezogenem Nackenbereich auszeichnete. Die Vorderkante ist mit einem Eisenblechstreifen (Blechst.: ca. 0,9-1,0 mm) ummantelt, dessen Umschlagbreite auf der Kalotteninnenseite 15,0-16,5 mm misst, während er auf der Außenseite eine noch bis zu 54 mm breite Zone abdeckt. Auf der rechten Kalottenseite, wo die aufgehende Nackenpartie allerdings nur noch bis in einer Höhe von 84 mm erhalten ist, beträgt die maximale Einfassungsbreite hingegen lediglich 10,512,7 mm auf der Innenseite und 43,5-44,0 mm an der Außenseite. Aufgrund letzterer Kriterien ist ein kleineres Kantenfragment (B./H.: max. 57 × 55 mm) mit entsprechender Einfassung, jedoch ohne direkten Berührungspunkt zum übrigen Kalottenrest, mit ziemlicher Sicherheit der rechtsseitigen Vorderkante zuzuweisen (Abb. 25, 3; Taf. 8, 4). In seinem Abschnitt ist die Kanteneinfassung (B. innen / außen: 10-11/40,741,7 mm) zudem durch einen Eisenniet (Kopfdm. innen / außen: 15,2/12,6 mm), der allerdings nur ihre außen aufliegende Blechpartie tangiert, an der Kalotte fixiert. Eine vergleichbare Arretierung hat sich – ebenfalls an der rechten Vorderkante – auch ein kurzes Stück oberhalb des Nackenschirms erhalten. Allerdings erfasst der hier positionierte Niet zudem beide Enden eines separaten, 14,2-17,9 mm breiten Blechstreifens (St.: ca. 1,2 mm), der an dieser Stelle als zusätzlicher Sicherungsbügel horizontal um die Kante und ihre Einfassung herumgeführt wurde. Unterhalb desselben folgt die Vorderkanteneinfassung noch der Auswärtsbiegung des einstmals wohl annähernd rechtwinklig ausgestellten Nackenschirms bis zu dessen hinterer, separat eingefasster Außenkante, um die ihr Ende herumgeschlagen ist. Vom ursprünglichen Nackenschirm des Helms ist nur ein kleiner Teil im Bereich seines rechtsseitigen Endes erhalten. Sofern die zahlreichen Flickmaßnahmen richtig interpretiert sind, scheint der Nackenschirm zunächst irgendwo in diesem noch ca. 81 mm langen Abschnitt (gemessen entlang der Kante zur aufgehenden Nackenpartie) beschädigt worden zu sein. Jedenfalls war es wohl nötig, den Schirm hier mit einem entsprechend abgewinkelten Stabilisierungsblech flächig zu unterfangen (Abb. 25, 4a-b; Taf. 8, 5-6). Auf der Kalotteninnenseite reicht besagtes Blech (Taf. 8, 5a) auch noch bis in eine Höhe von etwa 27 mm in den aufgehenden Nackenbereich hinein. Dort wurde es durch einen Niet befestigt. Da das für letzteren vorgesehene Loch jedoch offenbar zu groß geraten war, sah man sich dazu genötigt, den innenseitigen Nietkopf (Dm.: 8,2 mm) zur Sicherheit mit einem rechteckigen Eisenplättchen (15 × 15 mm) zu unterlegen. Die beschriebene Verstärkung des Schirmabschnitts mag der Grund dafür sein, dass er erhalten blieb, während der restliche Nackenschirm zu einem späteren Zeitpunkt entlang des Knicks zur aufgehenden Nackenpartie vollständig abgerissen ist. Man ersetzte diesen Bereich daraufhin durch ein auf der Innenseite der Kalotte angenietetes, max. 76 mm hohes Blech, dessen unterer Teil über die Abrisskante hinweg zu einem 25-35 mm ausladenden Nackenschirm abgewinkelt wurde. Dieses Ersatzteil (Taf. 8, 5b) überlagert partiell das Blech der ersten Flickmaßnahme. Letztlich bezog man letzteres sowie das erhaltene Fragment des ursprünglichen Nackenschirms auch dadurch in die jüngere Reparatur ein, dass man es bei der Neueinfassung der äußeren Schirmkante mittels eines rinnenförmig gebogenen Eisenblechstreifens (Einfassungsb. außen / innen: 12,2-14,5/max. 19 mm) mit ummantelte. Weiter abgesichert wurde die trotzdem offenbar nicht sehr stabile Flickwerkkonstruktion schließlich durch zwei L-förmig gebogene Eisenblechwinkel, die außen auf den Helm aufgesetzt und durch je einen Niet pro Schenkelende mit der unteren Nackenpartie der Kalotte bzw. der Außenkante des angestückelten Nackenschirms verbunden wurden. Ob ihre Anbringung in einem Zug mit der Neumontage des Nackenschirms erfolgte, oder ob sie erst eine nachträglich hinzugefügte Verstärkung darstellen, ist allerdings nicht zu klären. Während die Stelle des linksseitigen Haltewinkels nur noch anhand eines Abdrucks in der Korrosionsschicht der unteren Nackenpartie ausgemacht werden kann, ist der mehr rechtsseitig positionierte noch vollständig vorhanden, wenngleich mittig zerbrochen (L./B.: 45 + 30 × 15 mm; Blechst.: ca. 2,6 mm). Dieser Bruch kam zustande, als der geflickte Nackenschirm mit Gewalt nach unten verbogen wurde und sich dadurch das Material des Winkels überdehnte. Dementsprechend muss die Beschädigung eingetreten sein, als das Metall noch flexible Eigen- Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 625 1 3 2 Abb. 26 Frankfurt-Heddernheim / D. Helm vom Typ Niederbieber (Eisen, Buntmetall; B./H./T.: 250 × 340 × 310 mm [B./T. ohne Nackenschirm, Stirn- und Kreuzbügel: 210 × 260 mm]) aus dem sogenannten Hallenbau im Zentrum der antiken Stadt Nida; terminus ante quem 259/260 n. Chr. (Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.; Inv.-Nr. X 8385): 1 Ansicht von rechts vorne. – 2 Ansicht der rechten Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – (Fotos Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.). – o. M. 626 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 2 Abb. 27 Spätrömische Helmteile mit sichelförmigen Kammscheiben: 1 Fundort unbekannt (angeblich Syrien). Halbkalotte mit ehemals aufgenietetem Kamm und senkrecht darauf montierter Kammscheibe (Eisen mit vergoldeter Buntmetallverkleidung; Privatbesitz, USA). – 2 Helmkamm mit noch montierter, separat gefertigter Kammscheibe (Buntmetall mit Vergoldung und eisernen Konterplatten; Privatbesitz, London). – (1 nach www.legionsix.org/images/intercisa.jpg; 2 Foto V. Iserhardt, RGZM). – o. M. schaften besaß. Als mögliche Ereignisse sind dabei sowohl die aktive Nutzung des Helms im Kampf als auch eine Altmetallkomprimierung nach seiner Ausmusterung oder die Einwirkung herabstürzender Gebäudetrümmer bei seiner Verschüttung in Betracht zu ziehen. Zur typologischen Einordnung der Helme Bei der Betrachtung der Helme aus Poitiers fällt sofort deren markante Kalottenform mit der weit heruntergezogenen Nackenpartie auf. Sie rückt die Fundstücke zweifellos in die Nähe römischer Militärhelme des späten 2. bis 3. Jahrhunderts. Besonders in den Blickpunkt geraten dabei die Vertreter des Typs Niederbieber 74. Außer durch die unverkennbare Form ihrer buntmetallenen oder eisernen Kalotte zeichnen sich diese vor allem dadurch aus, dass ihr Dach regelhaft durch zwei außen aufgesetzte Metallbügel verstärkt ist, welche sich im Idealfall am höchsten Kalottenpunkt rechtwinklig kreuzen (Abb. 26) 75. Während die Formgebung funktionstechnisch vergleichbarer Kreuzbügel an früh- bis frühmittelkaiserzeitlichen Infanteriehelmen vom Typ Weisenau 76 noch einen stark improvisierten Eindruck erweckt 77, präsentiert sich dieselbe Schutzvorrichtung an ihnen als ein vollständig durchgestaltetes Konstruktionselement mit einer für den Helmtyp signifikanten Außenkontur. So zeichnen sich die beiden üblicherweise separat gefertigten und erst Grundlegende Typenbezeichnung nach Couissin (1926, 409 ff.). – Typ Niederbieber, Variante I nach Waurick (1988, 338 ff.). – Entsprechend Auxiliary Cavalry type E-F nach Robinson (1975, 97 ff.). 75 Vgl. zum abgebildeten Beispielfund aus Frankfurt-Heddernheim (Stadt Frankfurt a. M. / D) u. a. Donner-von Richter 1894, 21 ff. Abb. 1a-b. – Robinson 1975, 97 Taf. 259. – Reis 2010, 110 Kat.Nr. 41 Taf. 65. – Maßangaben in der Abbildungsunterschrift nach frdl. Auskunft durch Dr. Peter Fasold (Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.). 76 Bezeichnung nach Couissin (1926, 331 ff.). – Entsprechend Imperial-Gallic / -Italic type nach Robinson (1975, 45 ff.). 74 77 Dieser ist eventuell auf die möglichen Umstände ihrer Einführung als Ad-hoc-Maßnahme gegen die Wirkung spezieller Feindeswaffen in den trajanischen Dakerkriegen (101-102 und 105106) zurückzuführen. Vgl. dazu u. a. Connolly 1991, 362. – Sim 2001/2002, 105 ff. – Entsprechend ausgestattete Helme (Imperial-Italic type G nach Robinson [1975]) stammen etwa aus Berzovia / Bersobis (jud. Caraş Severin / RO; Protase / Petculescu 1975, 85 ff. Abb. 1), Hebron? (Muhāfaza Hebron / Westjordanland; Robinson 1975, 71 ff. Taf. 175-178), Szőny / Brigetio (Kom. Komárom-Esztergom / H; Ubl 1975, 218 f. Anm. 17-20 Taf. 19) oder Theilenhofen / Iciniacum (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen / D; Klumbach / Wamser 1976-1977, 52 ff. Abb. 7). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 627 bei ihrer Montage zu einem Kreuz zusammengesteckten Buntmetall- oder Eisenbügel des Niederbieber-Typs durch einen hochrechteckigen Materialquerschnitt aus, der vom Kreuzungspunkt zu den Bügelenden hin allmählich an Höhe verliert. Letztere sind schließlich zu breiten Laschen ausgeschmiedet, an denen der Kreuzbügel mittels je eines großkopfigen, oft dekorativen Niets auf der Helmkalotte fixiert ist. Hinsichtlich dieses technischen Details sowie ansatzweise auch seiner Konturen erweist sich der entlang des Mittelscheitels der Kalotte verlaufende, bis in den unteren Nackenbereich des Helms hinabreichende Längsbügel dabei als eine bemerkenswerte Parallele zum geschmiedeten Kamm des Helms 2 aus Poitiers. Allerdings steht er dessen extremer Höhenzunahme letztlich doch deutlich nach und besitzt nie den Flanschabschnitt im oberen Kalottenbereich, da er dort ja ohnehin durch den mit ihm verschränkten Querbügel in seiner Position fixiert ist. Wie in diesem Detail, offenbart ein direkter Vergleich der bislang bekannten Helme des Niederbieber-Typs mit den Fundstücken aus Poitiers schließlich noch eine Reihe weiterer markanter Abweichungen. So bindet zumindest bei zweien der letzteren (Helme 1-2) die horizontale Stirnkante unmittelbar an die nach unten abgehende Nackenpartie an, ohne dass ein bogenförmiger Randeinzug dazwischengeschaltet ist, wie er bei vergleichbaren mittelkaiserzeitlichen Militärhelmen praktisch regelhaft den Ohrbereich des Trägers markiert. Und obwohl das breitzonige eiserne Einfassungsblech entlang der Nackenvorderkante des Helms 3 durch ähnlich breite Buntmetallauflagen entlang der Kanten an NiederbieberHelmen inspiriert sein könnte, deutet auch an diesem nichts darauf hin, dass es vielleicht in seinem oberen Abschnitt einst eine winklig ausgestellte Ohrschutzkante besaß. Während die Position und Art der Wangenklappenbefestigung dann wieder recht gute Übereinstimmungen erkennen lässt, stellt das Fehlen des für zeitgenössische Infanteriehelme üblichen horizontalen Stirnbügels bzw. Schlagschutzes, der stets ein Stück oberhalb des Gesichtsfeldes parallel zur Stirnkante der Kalotte montiert ist, ein weiteres markantes Desiderat der Poitiers-Helme dar. Im umgekehrten Fall sucht die bei wenigstens zweien von ihnen in diesem Bereich platzierte Stirntülle in der römischen Militärausrüstung der mittleren Kaiserzeit ebenfalls erfolglos ihresgleichen. Leider führt auch ein Blick auf die Militärhelme der späten Kaiserzeit, der angesichts der Zeitstellung des Fundkomplexes aus Poitiers naheliegt, in diesem Punkt nicht weiter. Wie an anderer Stelle bereits angedeutet, sind unter spätkaiserzeitlichen Helmen aber immerhin weitere gute Vergleichsmöglichkeiten für die Art der Kammbefestigung gegeben. So bilden bei den sogenannten Kammhelmen des ausgehenden 3. Jahrhunderts bis zumindest frühen 5. Jahrhunderts mehr oder minder ausgeprägte Kämme mit entlang ihrer Basis verlaufenden Flanschstreifen das Hauptverbindungselement zwischen der jeweils separat getriebenen oder nochmals aus maximal je drei Einzelsegmenten zusammengesetzten linken und rechten Kalottenhälfte 78. Hinzu kommt, dass einige von ihnen eine sichelförmig ansteigende buntmetallene oder eiserne Kammscheibe mit senkrecht abfallender Vorderkante aufweisen, die dem entsprechenden Abschnitt am Helm 1 aus Poitiers verblüffend ähnlich sieht 79. Unter den wenigen derzeit bekannten Exemplaren sind sowohl Scheiben belegt, die als separater Aufsatz erst sekundär mit ihrer Basis vernietet wurden (Abb. 27) 80, als auch solche, bei denen Scheibe und Basis aus einem einzigen Werkstück hergestellt sind (Abb. 28) 81. Der umgedreht T-förmige Materialquerschnitt der letzteren kann dabei durchaus dem Querschnitt im Flanschabschnitt des geschmiedeten Kamms an Helm 2 aus Poitiers zur Seite gestellt werden. Zudem spricht der Nachweis bereits zweier Fertigungsvarianten innerhalb einer bislang recht kleinen Fundmenge für die Möglichkeit, dass bei den Kämmen / Kammscheiben spätrömischer Helme vielleicht auch noch mit weiteren Konstruktionsweisen gerechnet werden muss. Unter ihnen wäre eine konstrukAls Überblickswerk zu Helmen besagter Konstruktion s. Klumbach 1973. 79 Miks 2008b, 449 ff. 78 628 Zu den abgebildeten Beispielen s. u. a. Born 2003, 87 Abb. 13. – Miks 2008b, 461 ff. 469 Abb. 13. 18. 81 Zum Fund aus Kessel-Hout (prov. Limburg / NL): Prins 2000, 309 ff. bes. 311 Abb. 4, 8a-b; 5; 10. 80 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 2 Abb. 28 Maastal bei Kessel-Hout / NL. Fragmente eines Helms mit einteilig gefertigtem Kamm (Eisen, Buntmetall, Silber, Vergoldung) aus einem zerpflügten Materialhort(?); Anfang 5. Jahrhundert n. Chr. (Centre Céramique, Maastricht; Inv.-Nr. 3824 A): 1 rekonstruierter Helm vom Typ Dunapentele / Intercisa unter Einbeziehung der originalen Kalotten- und Kammfragmente. – 2 anhand der Originalteile rekonstruierte Schnittansicht. – (Nach Prins 2000, Abb. 5. 10). – o. M. tionstechnische Entsprechung zur Kammscheibe des Helms 1 aus Poitiers gut vorstellbar. Der bei diesem außerdem angewandte »Trick«, mittels einer tunnelartig auf die Kalottenoberfläche aufgesetzten Halbröhre / Blechrinne die Illusion eines massiven Kamms zu erzeugen, findet sich immerhin bereits bei einem spätantiken Helm mit einteiligem Kalottendach aus Biberwier (Bz. Reutte / A) wieder 82, für den auf diese Weise eine Zugehörigkeit zur Gruppe der »echten« Kammhelme mit segmentierter Kalotte suggeriert wird. Bei genauer Betrachtung bilden die beschriebenen Parallelen in der Kammgestaltung / -fixierung, zu denen allenfalls noch der Umstand hinzukommt, dass auch die spätrömischen Militärhelme in der Regel keinen Stirnbügel / Schlagschutz mehr besitzen, allerdings keine ausreichende Basis, um die Helmfunde aus Poitiers zwingend als Bindeglieder zwischen ihnen und der auf ganz anderen Traditionen beruhenden Entwicklungslinie früh- bis mittelkaiserzeitlicher römischer Armeehelme 83 anzusehen. Immerhin sind hoch aufragende sichelförmige Kämme mit in der Regel senkrecht zur Kalotte hin abfallender gerader Vorderkante auch schon bei Reiterhelmen des 3. Jahrhunderts häufiger anzutreffen, so etwa bei den Vertretern des Typs Theilenhofen 84 oder den Hinterhauptkalotten zweiteiliger pseudoattischer bzw. pseudokorinthischer Visier- / Teilvisierhelme der Typen Worthing und Frankfurt-Heddernheim 85. Wenngleich die Kämme bei ihnen durchweg lediglich als Teil des Dekorapparates direkt aus dem Blech der Kalotte herausgetrieben sind (Abb. 29-31) 86, nehmen sie zweifelsfrei Bezug auf separate, der Oberflächentextur Hasler u. a. 2005, 32 f. Abb. 27-28. – Miks 2008a, 12 f. Abb. 20. – Kat. Karlsruhe 2009, 57 Kat.-Nr. 42 Abb. 42. 83 Dazu u. a. Miks 2008a, 2 ff. Abb. 3 84 Benennung in Anlehnung an die Bezeichnung Typ Guisborough/Theilenhofen nach Junkelmann (1997, 63 ff.). – Entsprechend Typ Weiler / Guisborough, Variante Guisborough nach Waurick (1988, 341 ff.). 85 Benennung nach Junkelmann (1997, 61 ff.). – Entsprechend Cavalry Sports type G-H nach Robinson (1975, 129 ff.). 82 86 Siehe zum Fundstück aus Theilenhofen u. a. Klumbach / Wamser 1976-1977, 54 ff. Abb. 8-10. – Garbsch 1978, 55 f. Kat.-Nr. F1 Taf. 10. – Zum Helm aus Worthing (co. Norfolk / GB): Toynbee / Clarke 1948, 20 ff. Taf. 2-4. – Zum Helm aus Frankfurt-Heddernheim: Donner-von Richter 1894, 34 ff. Abb. 29-35 Taf. 4. – Garbsch 1978, 72 Kat.-Nr. O53 Taf. 29. – Reis 2010, 110. 225 Kat.-Nr. 40a-h Taf. 63-64. – Maßangaben in der Abbildungsunterschrift teilweise nach frdl. Auskunft durch Dr. Peter Fasold (Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.). Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 629 2 1 3 Abb. 29 Theilenhofen / D. Helm vom Typ Theilenhofen (Messing, Verzinnung; B./H./T.: 210 × 305 × 290 mm) aus einem Materialhort im Vicusbereich des Auxiliarkastells; terminus ante quem 259/260 n. Chr. (Archäologische Staatssammlung, München; Inv. 1978,836-837. – Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Inv.-Nr. R1032-1033; Kopie im RGZM): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – 5 Ansicht von oben (Stirnseite nach rechts). – (Fotos R. Müller, RGZM, nach Kopie im RGZM. Mit frdl. Genehmigung durch B. Steidl/K. Mansel, Archäologische Staatssammlung, München). – o. M. 4 5 1 2 4 3 Abb. 30 Worthing / GB. Hinterhauptkalotte eines zweiteiligen pseudoattischen Visierhelms vom Typ Worthing (Messing; B./H./T.: 202 × 251 × 242 mm) aus dem Fluss Wensum (Castle Museum, Norwich): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – (Nach Toynbee / Clarke 1948, Taf. 2-3). – o. M. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 631 1 2 3 Abb. 31 Frankfurt-Heddernheim / D. Zweiteiliger pseudokorinthischer Visierhelm vom Typ Frankfurt-Heddernheim (Buntmetall, Verzinnung; B./H./T.: 210 × 390 × 300 mm [B. ohne Nackenschirm und Halskrempe: 195 mm]) aus dem sogenannten Hallenbau im Zentrum der antiken Stadt Nida; terminus ante quem 259/260 n. Chr. (Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.; Inv.-Nr. X 7596): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Teilansicht von oben (Stirnseite nach unten). – 4 Hinteransicht / Rückseite. – (Fotos Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.). – o. M. 632 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 4 zufolge meist aus organischem Material bestehende oder mit solchem kombinierte Kämme. Deren hinterer Befestigungsniet ist nicht selten als getriebener Zierbuckel im unteren Bereich der hier ebenfalls recht lang gestreckten Nackenpartie dargestellt. Reale Fundmaterialbelege entsprechend geformter separater Kämme sind aus früh- bis mittelkaiserzeitlichen Kontexten bislang allerdings kaum beizubringen. Eine mögliche Ausnahme bildet allenfalls ein Fundstück (Abb. 32) aus einem nicht genauer datierbaren Graben der batavischen Siedlung von Tiel-Passewaaij (prov. Gelderland / NL), Fundplatz Hogeweg 87. Bei dem sichelförmig konturierten verzinnten Buntmetallobjekt (L./H.: noch 250 × max. 47 mm) mit y-förmigem Querschnitt könnte es sich um eine Kammscheibe handeln, deren rinnenförmig aufgespreizte Oberkante (B.: 14 mm) zur Aufnahme eines Helmbuschs aus organischem Material – wie Pferdehaar oder Haarmoos 88 – diente. An drei verschiedenen Stellen entlang seiner Unterkante positionierte Löcher sowie eine langrechteckige Kantenausklinkung im hinteren Unterkantenabschnitt deuten darauf hin, dass der potenzielle Kamm an wenigstens drei Stellen an der Helmkalotte fixiert gewesen sein muss. Ob er dabei dicht aufsaß oder alternativ nur in einem Punkt – z. B. beim mittleren Loch – in eine erhabene Helmbuschhalterung mit Schlitzfassung eingeklinkt wurde, während die anderen Löcher lediglich als Schnürösen dienten 89, ist angesichts der Singularität des Fundstücks und seiner letztlich nicht zweifelsfreien Zuweisbarkeit zu einem Helm, geschweige denn zu einem bestimmten Helmtyp, unklar. Immerhin unterstützt das Objekt die Möglichkeit, dass vielleicht nicht erst die spätkaiserzeitlichen Militärhelme über separat aufgesetzte sichelförmige Metallkämme / Kammscheiben verfügten. Ohnehin sind unmittelbar auf der Kalotte aufsitzende hohe Metallkämme zudem auch noch bei einer anderen Helmgattung zu finden, für die komplexer erhaltene, kontextdatierte Fundstücke bislang maßgeblich aus dem 1. Jahrhundert vorliegen. Gemeint ist die Gattung der Gladiatorenhelme 90. Unter diesen könnte besonders eine Gruppe undekorierter »eiförmiger« Helme mit scheibenartigem Kamm entscheidende Hinweise zur Interpretation der Fundobjekte aus Poitiers liefern. Als reale Waffenteile sind Helme besagter Form, deren Gebrauch dem Gladiatorentyp des secutor zugeordnet werden kann 91, derzeit lediglich durch drei ganz bzw. annähernd vollständig erhaltene Exemplare aus Pompeji (prov. Napoli / I) greifbar 92. Sie sind Nicolay 2003, 364 Abb. 9. – Nicolay 2005, 20 Kat.-Nr. 242.4 Tab. 3.3 Taf. 6. – Nicolay 2007, 17 Kat.-Nr. 242.4 Tab. 3.3 Taf. 6. – Heeren 2007, 311 Abb. 260. – Heeren 2009, 327 Tab. 41, 12 Abb. 55, 2. Die von den beiden Autoren vorgeschlagene Einordnung des Fundstücks ins 1. Jh. basiert wohl im Wesentlichen auf den typologischen Überlegungen von J. Nicolay. Unter den datierbaren Siedlungsgräben (Heeren 2009, Tab. 34) ist seine Kontextnummer jedenfalls nicht vertreten. 88 Widertonmoos (Polytrichum), auch Haarmützenmoos bzw. Frauenhaarmoos genannt, ist als Buschmaterial eines Helmkamms nachgewiesen, der in einer Abfallschicht am Grund der äußeren Gräben des ersten Holz- / Erdelagers (85-90 n. Chr.) von Cesterholm / Vindolanda (co. Northumberland / GB) zum Vorschein kam (Birley 2009, 47 f. Abb. 17). 89 Für letztere Möglichkeit kämen z. B. Helme vom Typ Weisenau, Variante Aquincum (Imperial-Gallic type I nach Robinson [1975]) infrage. Vgl. dazu etwa Fundstücke aus Budapest / Aquincum (Budapest Főváros / H; Kocsis 1984, 227 ff. Abb. 1620) oder Mainz / Mogontiacum (Klumbach 1961, 96 ff. Taf. 4345). 90 Einen neueren Überblick über deren Entwicklung und den bekannten archäologischen Gesamtbestand bietet Junkelmann 2008, 53 ff. 231 ff. Als Fundstücke aus enger datierbaren Kontexten können dabei lediglich die linke Wangen- / Visierklappe eines Attisch-Böotischen Visierhelms (Variante Pompeii) aus Schnitt 1090 im zwischen 13/12 v. Chr. und 70 n. Chr. 87 belegten Legionslager Vetera I auf dem Fürstenberg bei Xanten (Kr. Wesel / D; Klumbach 1974, 67 f. Nr. 56 Taf. 52-53. – Hanel 1995, 54 Kat.-Nr. B130 Taf. 8, 1. – Junkelmann 2008, 242 Kat.Nr. H21 Abb. 402) und die über 20 Helme und Helmteile gelten, die beim Vesuvausbruch des Jahres 79 in Pompeji und eventuell auch in Herculaneum (prov. Napoli / I; Junkelmann 2008, 233 ff. Kat.-Nr. H6-7. H9-10. H12-20. H22-24. H29-32. H34-36 Abb. 69. 72-73. 83. 85-88. 100. 120-126. 372-377. 379-401. 406-414. 416-422) verschüttet wurden. Immerhin gibt eine zwangsläufig zwischen 39 und 70 angebrachte Inschrift der legio XV Primigenia auch für die Krempe mit Kalottenansatz eines Attisch-Böotischen Visierhelms der Variante Chieti, die angeblich aus der Waal bei Nijmegen / Noviomagus (prov. Gelderland / NL) geborgen wurde, noch einen zeitlichen Anhaltspunkt (Klumbach 1974, 68 f. Nr. 57 Taf. 54. – Junkelmann 2008, 234 Kat.-Nr. H8 Abb. 378). Aus einem wohl erst im Verlauf des 2. Jhs. errichteten hölzernen Limesturm an der Donau in Fischamend (Bz. Wien-Umgebung / A) stammen zu guter Letzt die buntmetallenen Visiergitter eines AttischBöotischen Visierhelms der Variante Berlin (Groller 1903, 45 Nr. 17 Abb. 19. – Junkelmann 2008, 243 Kat.-Nr. H28 Abb. 405). 91 Junkelmann 2008, 56 ff. 92 Nach Fiorelli 1869, 13 Nr. 272-273 sollen zwei der Helme (Inv.Nr. 5643 und 5636) hingegen aus Herculaneum stammen. An ihrer Datierung und den Verschüttungsumständen würde dies allerdings nichts ändern. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 633 1 2 Abb. 32 Tiel-Passewaaij / NL. Mögliche Kammscheibe mit integrierter Helmbuschfassung (Buntmetall, Verzinnung) aus einem Graben der späteisen- bis mittelkaiserzeitlichen batavischen Siedlung am Hogeweg (Archeologisch Centrum Vrije Universiteit, Amsterdam; HBS Fd.-Nr. 132.0.17). – (1 nach Heeren 2007, Abb. 260; 2 nach Nicolay 2007, Taf. 6, 242.4). – M. ca. 1:2. Teil eines in zwei Kisten deponierten Waffenhorts aus den rückwärtigen Räumen der dem szenischen Theater angeschlossenen Quadriporticus. In der letzten Nutzungsphase vor ihrer Verschüttung beim Vesuvausbruch am 24. August 79 war diese anscheinend zur Gladiatorenkaserne umfunktioniert 93. Während einer der Helme ganz aus Buntmetall gefertigt wurde (Abb. 33) 94 – wie auch alle sonstigen derzeit bekannten / identifizierten Gladiatorenhelme –, bestehen bei den beiden anderen Fundstücken, von denen eines noch stark mit Eruptionsmaterial verkrustet ist, die Kalotte und die Wangenklappen aus Eisenblech mit lediglich buntmetallenen Anbauteilen (Abb. 34-35) 95. Soweit am unverkrusteten Helm erkennbar, sind letztere, bis auf einige Kanteneinfassungen, durch Niete auf den Eisenelementen fixiert. Neben partiellen Verkleidungs-/ Verlängerungsblechen im oberen Wangenklappenbereich gehören zu diesen Anbauteilen auch ein hoher sichelförmiger Kamm mit separat eingefasster Oberkante und beidseitig abgewinkelten Flanschstreifen entlang seiner Basis sowie eine Stirntülle vergleichbarer Formgebung und Positionierung wie das Exemplar am Helm 2 aus Poitiers. Ganz im Gegensatz zu ihrem bisherigen Fehlen an allen bekannten Militärhelmen sind vergleichbare Tüllen auch an anderen Formen von Gladiatorenhelmen belegt, so etwa bei solchen vom Attisch-Böotischen Typ (Variante Chieti) 96 oder gladiatorischen Visierhelmen des Weisenau-Typs 97 (Abb. 36, 1; 37, 1). Die Tülle, deren Querschnitt und Flanschkonturen je nach Helmform variieren können, erfüllt dabei eine Funktion als zentrale Raste für das Gesichtsvisier der Helme. Nach Auswertung der Bildquellen Siehe etwa zuletzt Meller 2011, 190. Junkelmann 2008, 246 Kat.-Nr. H34 Abb. 72-73. 416-418. 95 Kat. Rom 2001, 370 Abb. Kat.-Nr. 95. – Junkelmann 2008, 246 ff. Kat.-Nr. H35-H36 Abb. 419-422. – Meller 2011, 195 Abb. 6. Entgegen den Aussagen der anderen Autoren soll laut 93 94 634 Junkelmann nur der unverkrustete Helm (H36) entsprechende Eisenteile aufweisen. 96 Bezeichnung entsprechend »Subtypus Chieti« nach Junkelmann (2008, 62 f. 233 f. Kat.-Nr. H6-10). 97 Ebenda 55 f. 244 ff. Kat.-Nr. H29-33. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 2 3 4 Abb. 33 Pompeji / I. »Eiförmiger« Secutor-Helm (Buntmetall; B./H.: 330 × 400 mm) aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5643): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – 5 Innenansicht der Kalotte mit Blick auf die Wangenklappenscharniere und die Mittelraste des Visiers. – (Fotos Schwanke [D-DAI Rom, Neg. 85.701-85.704; 85.706]). – o. M. 5 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 635 1 2 3 4 Abb. 34 Pompeji / I. »Eiförmiger« Secutor-Helm (Eisen, Buntmetall; B./H.: 330 × 340 mm) aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/ 1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5636): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – (Fotos Schwanke [D-DAI Rom, Neg. 85.723-85.726]). – o. M. 636 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 3 2 4 Abb. 35 Pompeji / I. »Eiförmiger« Secutor-Helm (Eisen, Buntmetall; B./H.: 340 × 370 mm) aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5642): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – (Fotos Schwanke [D-DAI Rom, Neg. 85.707; 85.709-85.711]). – o. M. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 637 wurden solche Gesichtsvisiere anscheinend im Verlauf des ersten Drittels des 1. Jahrhunderts eingeführt 98. Im Gegensatz zu den mittig ungeteilten Visiermasken früh- bis mittelkaiserzeitlicher Militärhelme, die überwiegend im kavalleristischen Kontext Verwendung fanden 99, besteht das gladiatorische Visier im Grunde aus zwei stark erweiterten separaten Wangenklappen, deren gerade Vorderkanten in geschlossenem Visierzustand entlang der vertikalen Mittelachse des Gesichtsfeldes bündig aneinanderstoßen. Der dennoch verbleibende Spalt wird dabei in der Regel durch ein bandförmiges vertikales Deckblech (Visierschiene) überlagert, das an einer der Klappen befestigt ist. Während ein Auseinanderklaffen der beiden Wangenklappen / Visierhälften am unteren Ende ihrer Stoßkante meist nur durch eine simple Kinnriemenschnürung verhindert wurde, rasten ihre oberen Ecken, die – je nach Größe der Augenausschnitte des Visiers – entweder von vorneherein eine laschenartige Form besitzen oder durch Randeinkerbungen laschenartig freigestellt sind, in die an der Kalotte montierte Stirntülle ein. Auch bei geöffnetem Visier dient die Tülle letzteren z. T. als Führungselement, da der maximale Drehwinkel der Wangenklappen, bedingt durch ihre Größe und die Position ihrer Scharnierverbindung mit der Helmkalotte, nicht ausreicht, um ihre oberen Ecken nennenswert von der Tüllenmündung fortzubewegen. Anders als bei den Wangenklappen militärischer Helme kann der Spalt zwischen den Vorderkanten der Visierklappen meist nur noch so weit gespreizt werden, wie es nötig ist, um den Helm problemlos über den Kopf zu stülpen und auch wieder abzunehmen. Ein Schließen des Visiers sorgte für einen dementsprechend stabilen Sitz des Helms auf dem Kopf des Trägers. Dieser wurde in einigen Fällen noch dadurch unterstützt, dass der Kinnriemen – ähnlich wie an römischen Armeehelmen – offenbar durch eine in der Nackenpartie des Helms platzierte Öse oder Doppelbohrung (Abb. 33, 5; 36, 5; 37, 3. 5) geschlauft war. Von dort aus wurde er unmittelbar unterhalb der Unterkieferkante beidseitig des Kopfes eng anliegend nach vorne geführt, wo man mit seiner Hilfe schließlich die Wangenklappen bzw. das untere Visierende zusammenschnürte. Auf eine solche Riemenführung deuten auch die beiderseits des hinteren Helmkammniets durch das Kalottenblech getriebenen Löcher an den Helmen 1 und 2 aus Poitiers hin. Zudem darf man in Ermangelung plausibler alternativer Nutzungsmöglichkeiten ihrer Stirntülle für diese beiden Helme wohl ebenso eine zweiteilige »gladiatorische« Visiervorrichtung rekonstruieren. Eine solche würde auch das Fehlen von Ohrausschnitten erklären, da diese in ihrer übliche Position wahrscheinlich ohnehin hinter der Oberkante der Wangen- / Visierklappen verschwunden wären. So decken letztere – zumindest bei den pompejianischen Secutor-Helmen – die Stirnkante und untere Stirnzone der Helmkalotten komplett mit ab. Eine ganz andere Frage ist, wie die Zerstörung der Stirntülle an Helm 2 aus Poitiers mit der ihr nun zugeschriebenen Funktion vereinbart werden kann, da die Visierlaschen im Normalfall problemlos herauszuziehen gewesen wären. Als Ursache für eine mögliche, ungewollte Verkeilung der letzteren käme natürlich eine starke Deformation der Tülle durch gegnerische Waffeneinwirkung während des Kampfeinsatzes infrage. Sie könnte es vielleicht nötig gemacht haben, das Bauteil aufzubrechen, um das Visier öffnen und den Helm abnehmen zu können. Alternativ könnte die Zerstörung natürlich aber auch einfach das Resultat einer gewaltsamen Deformierung und rücksichtslosen Demontage des Helms nach seiner Ausrangierung sein. Sofern man der Überlegung Raum geben will, dass es sich bei den Funden aus Poitiers tatsächlich um die Überreste eiserner Gladiatorenhelme, genauer gesagt später Secutor-Helme handeln könnte, bliebe letztlich die Frage, wie ihre übrigen Merkmale, vor allem die Kalottenform und Details der Kammbefestigung, mit ihren potenziellen Vorgängerformen aus Pompeji in Einklang zu bringen sind. Hierbei stellt sich das generelle Problem, dass sich sowohl Aussagen zur Vorgeschichte als auch zur Weiterentwicklung aller kontextdatierten frühkaiserzeitlichen Gladiatorenhelmformen bislang fast ausschließlich auf die stilistisch-typologi- 98 Ebenda 61f. 638 99 Garbsch 1978, 4 ff. – Junkelmann 1997, 11ff. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 2 3 4 5 Abb. 36 Pompeji / I. Gladiatorischer Visierhelm vom WeisenauTyp (Buntmetall; B./H.: 340 × 295 mm) aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5657): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – 5 Ansicht von oben. – (Fotos Schwanke [D-DAI Rom, Neg. 83.2066; 83.2068-83.2070; 83.2075]). – o. M. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 639 1 2 4 3 5 640 Abb. 37 Pompeji / I. Gladiatorischer Visierhelm vom WeisenauTyp (Buntmetall; B./H.: 330 × 280 mm) mit geflickter Kalotte aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5658): 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Hinteransicht / Rückseite. – 4 Ansicht der rechten Seite. – 5 Ansicht von oben. – (Fotos Schwanke [D-DAI Rom, Neg. 83.2110; 83.211283.2115]). – o. M. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext sche Analyse einiger weniger weiterer, jedoch kontextloser Helme / Helmfragmente sowie vor allem auf die Betrachtung von Darstellungen auf Monumenten, Architekturdekorationen und in der Kleinkunst stützen können. Mit dieser Einschränkung lassen sich die frühkaiserzeitlichen Gladiatorenhelme in ihrer Grundform zum einen auf traditionelle hellenistisch-italische Helmtypen und zum anderen auf zeitgenössische Militärhelme in spätkeltisch-römischer Tradition zurückführen 100. Wenngleich sie sich seit dem Beginn des 1. Jahrhunderts von letzteren durch ihre zunehmend dekorative Ausgestaltung mit motivischen Treibarbeiten und die schrittweise Umformung der Wangenklappen zum Visier immer mehr separiert haben, sind die Parallelen z. T. dennoch unverkennbar. Dies trifft besonders auf die von den provocatores bevorzugten buntmetallenen Visierhelme des Weisenau-Typs zu, deren Benennung gar an die des gleichnamigen, meist eisernen römischen Armeehelms der frühen Kaiserzeit angelehnt ist 101. Detaillierte Vergleiche mit der Masse militärischer Vertreter vom Typ Weisenau sind in erster Linie durch vier gladiatorische Belegstücke aus der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne in Pompeji und / oder aus Herculaneum möglich, von denen zwei vollständig erhalten sind (Abb. 36-37) 102. Neben den oben schon angedeuteten Hauptunterschieden fällt dabei auch eine Verstärkung der vorderen Nackenschirmenden ins Auge, die diesen vier Gladiatorenhelmen gemein ist. Diese besteht aus je einem L-förmigen Metallbügel, der derart auf der Außenseite des Helms aufgenietet ist, dass ein Schenkel auf dem Schirm aufliegt, während sich der andere der aufgehenden Nackenpartie der Kalotte anschmiegt 103. Da vergleichbare Sicherungsbügel an militärischen Helmen üblicherweise nicht belegt sind, wohl aber im Zuge der Reparaturmaßnahme am Nackenschirm des Helms 3 aus Poitiers Verwendung fanden, bilden sie ein weiteres Indiz für den Gebrauchszusammenhang der an letzterem Ort entdeckten Waffenteile. Gegenüber den Provocator-Helmen erschließen sich die potenziell ebenfalls militärischen Wurzeln der Secutor-Helme jener Gestalt, wie sie aus Pompeji vorliegen, d. h. mit einem sehr hoch aufgewölbten Kalottendach, weit weniger gut. Immerhin deuten zahlreiche Darstellungen aus der mittleren Kaiserzeit darauf hin, dass die Helme der secutores zumindest in ihrer weiteren Entwicklung – ebenso wie die Provocator-Helme – dem sich bei Armeehelmen im Verlauf des 2. Jahrhunderts verstärkenden Trend zu Kalotten mit einer zunehmend tiefer heruntergezogenen Nackenpartie gefolgt sind (Abb. 38-39) 104. Durch diese Streckung wird der ursprünglich »eiförmige« Gesamteindruck der Helme bereits deutlich gemildert. Wenn man nun noch ihr Visier entlang seiner Hinter- und Oberkante, welche in vielen Abbildungen als exakt gerade, rechtwinklig aufeinanderstoßende Linien oder Absatzkanten wiedergegeben sind, aus der Betrachtung herausnimmt, gewinnt man häufig den Eindruck, dass die Kalottengrundform der jüngeren SecutorHelme jener der zeitgenössischen Militärhelme vom Typ Niederbieber entlehnt sein könnte. Dazu würde gut passen, dass man, der veränderten Kalottengeometrie Rechnung tragend, nun vielleicht auch in der Befestigung der Helmkämme neue Wege beschritten hat. Mit Blick auf die Fundstücke aus Poitiers könnten diese durchaus in einer Kombination aus der schon bei den frühkaiserzeitlichen Secutor-Helmen in Pompeji belegten flächigen Anflanschung des Kamms und der für die mittelkaiserzeitlichen Kreuzbügel des Nieder- Siehe dazu auch Junkelmann 2008, 54 ff. Abb. 64, der zwischen einer griechisch-hellenistischen und einer keltisch-italischen Entwicklungslinie unterscheidet. 101 Ebenda 54 ff. 102 Kat. Rom 2001, 379 f. Abb. Kat.-Nr. 103-104. – Junkelmann 2008, 244 ff. Kat.-Nr. H29-32 Abb. 69. 101. 122. 124-126. 406-414. – Nach Fiorelli 1869, 13. 16 Nr. 270. 281 stammen die zwei Fundstücke mit Inv.-Nr. 5658 und 5670 aus Herculaneum. Zumindest beim letztgenannten Helm scheint es nach einer neueren Durchsicht noch vorhandener Unterlagen laut Hoffmann-Schimpf / Melillo / Schwab 2011, 15 ff. auch Hinweise zu geben, die für die Richtigkeit dieser Fundortangabe sprechen könnten. 100 Entsprechend angeordnete Nietlöcher zeigt auch die im Gegensatz zu den Exemplaren aus Pompeji und Herculaneum völlig unverzierte Buntmetallkalotte eines weiteren Visierhelms vom Weisenau-Typ, die ohne nähere Kontextbeobachtungen während des Pflügens eines Ackers bei Hawkedon (co. Suffolk/ GB) zutage trat (Painter 1968/1969, 121 ff. Abb. 3-5 Taf. 5760. – Junkelmann 2008, 246 Kat.-Nr. H33 Abb. 415). 104 Siehe zum abgebildeten Klappmesser aus Avenches / Aventicum (Kt. Waadt / CH) u. a. Schenk 2008, 49 f. 192 Kat.-Nr. 407 Abb. 29. 111. – Zum Grabrelief aus Rom: Kat. Rom 1981, 222 ff. Kat.-Nr. 25-26 Abb. III, 25-26. – Augenti 2001, 109. 118 f. Abb. 63. 72. 103 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 641 1 2 Abb. 38 Avenches / CH. Klappmesser (Eisen, Elfenbein) mit Griff in Form eines Gladiatorenkampfes – retiarius gegen secutor – vom Boden einer römischen Kanalisation südwestlich des Cigonierheiligtums von Aventicum (Flur En Lavoëx, gefunden 1899); ca. 3. Jahrhundert n. Chr. (Musée Romain, Avenches; Inv.-Nr. 1898-99/3154; Abb.: Altkopie vom ursprünglichen Erhaltungszustand): 1 Vorderseite. – 2 Rückseite. – (Nach Junkelmann 2008, Abb. 146-147). – o. M. 2 1 642 Abb. 39 Rom. Relieffragmente (weißer Marmor; B./H.: 650 × 950 mm bzw. 830 × 840 mm) mit einzelnen Gladiatorenkampfszenen vom Grabmonument eines secutor, gefunden in sekundärer, nachrömischer Vermauerung in der rückwärtigen Wand des Grabmals der Caecilia Metella an der Via Appia; 3. bis Anfang 4. Jahrhundert (Museo Nazionale Romano alle Terme, Rom; Inv.-Nr. 125832-125833). – (Nach Augenti 2001, Abb. 62-63). – o. M. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext bieber-Typs üblichen punktuellen Fixierung der Bauteilenden bestanden haben. Die in der bildenden Kunst wiedergegebenen Kammformen zeigen zudem, dass neben Exemplaren mit in der Höhe relativ gleichmäßig an- und wieder abschwellender halbmondförmiger Kammscheibe spätestens im Verlauf des 3. Jahrhunderts auch solche mit stärker einbiegender und schließlich gar gerader, senkrecht auf die Kalotte abfallender Vorderkante (Abb. 40) 105 in Gebrauch kamen 106. Auch diese Variationsmöglichkeit findet im Gestaltungsunterschied der Helme 1 und 2 aus Poitiers einen realen Beleg. Abschließende Bewertung der Waffenteile Eine Abwägung aller markanten Form- und Konstruktionsdetails der drei fragmentierten Helme aus Poitiers führt zu dem Schluss, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Überreste von Gladiatorenwaffen handelt 107. Unterstützt wird diese Annahme durch den Umstand, dass der Fundort fernab von den Grenzregionen des Reiches liegt, in denen während der frühen bis mittleren Kaiserzeit mit der maßgeblichen Präsenz des römischen Militärs zu rechnen Abb. 40 Rom. Relieffragment (Lunensischer Marmor; B./H.: 400 × 800 mm) mit unterschiedlichen Gladiatorenpaarungen, ist. Allerdings können gerade in den Krisenzeiten des wahrscheinlich vom Grabmonument eines Spielegebers (editor), 3. Jahrhunderts die Stationierung militärischer Siche- gefunden im Jahr 1916 in den Fundamenten des Ministerio di Grazia e Giustizia an der Via Arenula; 3. bis Anfang 4. Jahrrungskontingente und die Aufstellung paramilitäri- hundert (Museo Nazionale Romano alle Terme, Rom; Inv.-Nr. scher Schutzverbände auch innerhalb ziviler 125598). – (Nach Augenti 2001, Abb. 7). – o. M. Siedlungen in den Binnenprovinzen des Reiches nicht ausgeschlossen werden 108. Das dennoch am zwingendsten für eine gladiatorische Deutung der PoitiersHelme sprechende Indiz bildet die an den Exemplaren 1 und 2 erhaltene Stirntülle. Sie kann als obere Mittelraste eines zweiteiligen Klappenvisiers interpretiert werden, wie es bisher nur von Gladiatorenhelmen her bekannt ist (Abb. 41). Jedoch muss man auch bei dieser Aussage einräumen, dass im Gegensatz zu den zahlreichen Belegfunden flächiger Maskenvisiere, wie sie demgegenüber während der frühen und mittleren Kaiserzeit vom römischen Militär benutzt wurden, bislang noch keine zweifelsfreien archäologischen Siehe zum abgebildeten Relief aus Rom u. a. Kat. Rom 1981, 219 ff. Kat.-Nr. 24 Abb. III, 24. – Augenti 2001, 108 Abb. 62. 106 Siehe demgegenüber auch Junkelmann 2008, 67, der auf Basis praktischer Überlegungen, die sich aus der üblichen Kämpferpaarung secutor gegen retiarius ergeben, den Realismusgehalt der Darstellung entsprechender Kammformen an Secutor-Helmen in Zweifel zieht. 105 In diesem Zusammenhang sei auch auf den Nachweis eines Amphitheaters in Poitiers aufmerksam gemacht: Golvin / Hiernard 1986, 77 ff. 108 Zu den verschiedenen Möglichkeiten eines Niederschlags militärischer Ausrüstungsteile in zivilen Kontexten s. u. a. Fischer 2001, 13 ff. 107 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 643 Abb. 41 Poitiers. Rekonstruktionsvorschlag für die Helme 1 (rechts) und 2 (links). – (Zeichnungen M. Ober, RGZM). – o. M. Nachweise für die literarisch überlieferten Helmvisiere 109 der spätrömischen Armee vorgelegt werden konnten 110. Die historischen Beschreibungen zur spätrömischen Kataphraktenreiterei, ergänzt um solche zu den ihr teilweise als Vorbild dienenden sassanidischen Panzerreitern 111, lassen allerdings immerhin darauf schließen, dass auch die Militärvisiere der späten Kaiserzeit eher eine ungeteilte Frontpartie besaßen und ebenso mit der Nachbildung menschlicher Gesichtszüge an die ältere Armeevisiertradition angeknüpft haben. Eine potenzielle Mittelstellung zwischen den mittelkaiserzeitlichen Armeehelmen vom Typ Niederbieber und bislang nicht näher fassbaren militärischen Visierhelmen der späten Kaiserzeit ist für die Funde aus Poitiers somit eher auszuschließen. Inwieweit Exemplare wie letztere vielleicht dennoch die Kammbefestigung und die Kammscheibenformen spätkaiserzeitlicher Militärhelme mit inspiriert haben könnten, bleibt aber zumindest diskutabel. Allerdings darf auch dabei nicht übersehen werden, dass schon unter den parthisch-sassanidischen Segmenthelmen, die allgemein als konstruktionstechnische Vorbilder für die spätrömischen Kammhelmkreationen angesehen werden 112, vergleichbare Anbringungsmethoden für ähnliche Bauteile belegt sind 113. Die Aussagekraft der Funde aus Poitiers ist somit vorerst ganz auf den Bereich gladiatorischer Waffenteile zu beschränken. Innerhalb dieser Sparte repräsentieren sie angesichts der Zeitstellung ihres Fundkontexts (terminus post quem 257/258) den bislang mit Abstand jüngsten archäologischen Nachweis komplexer erhaltener Helme. Ihre Form und das fehlende Dekor erlauben zumindest für die Helme 1 und 2 eine Zuordnung zur Ausrüstung der secutores. Wenngleich sie in technischen Details eine merkliche Varianz Siehe etwa die Beschreibung der schweren Panzerreiterei des Constantius II. (337-361) durch Ammianus Marcellinus (XVI,10,8) oder Julianus (or. I,37,D). 110 Die Möglichkeit einer Verwendung im spätrömischen Heer wurde zuletzt etwa für eine eiserne Gesichtsmaske aus der Kupa bei Sisak / Siscia (žup. Sisačko-moslavačka / HR) angenommen (Baćani 2010, 211 Abb. Kat. Nr. 10). Die in diesem Zusammenhang als Parallelen angeführten Eisenmasken aus dem Großen Kaiserpalast in Istanbul/Constantinopolis stammen allerdings offenbar erst aus einer Zerstörungsschicht des 109 644 späten Hochmittelalters und sind auch nicht zwangsläufig im militärischen Kontext zu sehen. Vgl. dazu u. a. Bolognesi Recchi Franceschini 1995, 130 ff. Taf. 1,1. 111 Heliodorus, Aethiopica IX,15. – Amm. XXV,1,12. 112 James 1986, 131ff. – Bishop / Coulston 2006, 214. 113 Siehe etwa den Kamm bzw. das Scheitelband mit aufgenieteter Kammscheibe an einem Helm aus der im Jahr 256 eingestürzten Kontermine bei Stadtmauerturm 19 von Dura Europos (Muhāfazah Dair az-Zaur/SYR): James 1986, 124 ff. Abb. 15. 18. A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext zueinander erkennen lassen, reichen die übereinstimmenden Merkmale dieser beiden Vertreter aus, um sie als eigenen »Typ Poitiers« gegen die frühkaiserzeitlichen Secutor-Helme aus Pompeji abgrenzen zu können. Ihre Formunterschiede gegenüber letzteren sind als das Resultat einer starken Anlehnung der gladiatorischen Waffen an die militärische Helmentwicklung der mittleren Kaiserzeit, im vorliegenden Fall speziell an die Helme des Typs Niederbieber, erklärbar. Diese gelten als charakteristische Helmform der späten Limeszeit, d. h. der Periode vom Ende des 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts. Im Anschluss daran muss dann bereits im Verlauf der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts mit einer raschen Etablierung der für die späte Kaiserzeit üblichen Segmenthelmformen gerechnet werden 114. Auch die Gladiatorenhelme aus Poitiers stellten deshalb zum Zeitpunkt ihrer Verschüttung im Zuge einer Brandkatastrophe, die sich vermutlich in den 260er bis maximal frühen 270er Jahren ereignete, sicherlich schon keine neue Helmform mehr dar. Wenngleich in Ermangelung einer breiteren Fundmaterialbasis derzeit nicht entschieden werden kann, über welchen Zeitraum sich der Gebrauch des Helmtyps Poitiers insgesamt erstreckte, waren die eponymen Fundstücke jedenfalls bereits ausrangiert und partiell demontiert, als sie in den Boden gelangten. Eine zuvor intensive Nutzung und eine vielleicht schon längere Gebrauchsdauer unterstreichen vor allem die verschiedenen Flickmaßnahmen am Helm 3, dessen erhaltene Partien auf eine ebenfalls an die Niederbieber-Helme angelehnte Kalottenform hindeuten. Sehr gut möglich ist, dass auch er einst den Helmen 1 und 2 entsprach und die geringe Breite seines Nackenschirms letztlich nur das noch zu erzielende beste Ergebnis nach zahlreichen Notreparaturen bildete. Wenngleich nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden kann, ob die Kalotten der drei Helme mutwillig oder erst beim Einsturz des Hauses vollständig deformiert wurden, so könnte ihre Auffindung im Gebäude einer Metall verarbeitenden Werkstatt doch vermuten lassen, dass ihr Material schon für eine sekundäre Verwendung vorgesehen war. Sowohl das Fehlen der Wangen -/ Visierklappen der Helme 1 und 2, die in den u. a. als Abstell- / Lagerräume genutzten Hinterzimmern P503 und P504 entdeckt wurden, als auch der geringe Umfang der Überreste 115 von Helmkalotte 3, die im unmittelbaren Produktionsraum P212 der Metallwerkstatt zutage traten, mögen dafür sprechen, dass dieser Wiederverwertungsprozess vielleicht sogar bereits begonnen hatte. In Verbindung mit ihm sind vielleicht auch noch einige der sonstigen Waffenteile aus dem Werkstattladen P212 zu sehen. So ist etwa der massiv buntmetallene Ringknauf mit eiserner Nietlasche (Abb. 16, 1) als Bestandteil einer Dolch- / Schwertgriffmode einzustufen, deren Blütezeit bereits im 2. bis maximal frühen 3. Jahrhundert war 116. Ob er einst an einer der zweischneidigen Schwert- / Dolchklingen montiert war, deren Fragmente hier ebenfalls vorliegen (Abb. 18, 3-5), ist kaum zu klären. Wie an anderer Stelle schon bemerkt, befanden sich zumindest zwei von diesen zum Zeitpunkt ihrer Verschüttung in einem noch unfertigen oder bereits verworfenen Bearbeitungs- oder Umarbeitungszustand (Abb. 18, 3. 5). Hart an der zeitlichen Obergrenze des üblichen Nachweisschwerpunktes ihres Typs liegen schließlich auch die Fragmente der eisernen Laschenkopf-Bügel (Abb. 18, 1) 117, die man, statt als unfertige oder verworfene Neustücke, auch gut als entsorgte Relikte der Scheiden demontierter Schwerter / Dolche ansehen könnte. Hingegen steht das oben bereits erwähnte Fragment eines beinernen Schwertriemenbügels vom Typ Nydam 118, das wie Helm 1 aus dem Hinterzimmer P504 stammt, ganz auf der Höhe der zeitgenössischen Militärausrüstung und wäre somit durchaus als bei der Herstellung zerbrochenes Neuprodukt interpretierbar; umso mehr, da ja aus seinem Fundumfeld auch Hinweise auf eine Beinverarbeitung vorliegen. Eine pauschale Kennzeichnung der vorhandenen Waffenteile als Altstücke, die zu Reparatur- oder Wiederverwertungszwecken in die Werkstattläden verbracht wurden, ist also kaum möglich. 114 115 Bishop / Coulston 2006, 210. – Miks 2008a, 6 f. Laut den Ausgräbern kann das Fehlen des größten Teils des Helms nicht ausschließlich durch erst nachantike und/oder bei der Ausgrabung entstandene Verluste erklärt werden. Biborski 1994, 91. – Miks 2007, 180 ff. – Miks 2009, 143 ff. Miks 2007, 305 ff. Taf. 230-233. 118 Vgl. von Carnap-Bornheim 1991, 61 TypenTaf. 6,b. – Miks 2007, 313 ff. Taf. 235-237. 116 117 Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 645 Abb. 42 Pompeji / I. Erhaltene Teile eines im Jahr 1767/1768 geborgenen Fundensembles aus Raum 7 (neben Raum 18) der Quadriporticus des großen Theaters (»caserma dei gladiatori«); terminus ante quem 24. August 79 n. Chr. (Museo Archeologico Nazionale, Neapel). – (1-2. 4-6 nach Ortisi 2005, Abb. 2; 3 nach Ortisi 2006, Abb. 1, 1a). – o. M. Dies leitet abschließend noch zu der Frage über, inwieweit die für die Helme vorgeschlagene Zuordnung zur gladiatorischen Bewaffnung auch für weitere Waffenteile aus ihrem Fundumfeld vermutet werden könnte, oder ob diese letztlich doch eine lokale Militär- / Milizpräsenz widerspiegeln. Lässt man die in den Werkstattläden nachweislich produzierten Pferdegeschirrteile außer Acht, für die eine ausschließlich militärische Nutzung ohnehin nur schwer zu postulieren ist 119, so richtet sich der Blick dabei natürlich vor allem auf die Blankwaffenrelikte. Sollte es sich bei der Schwertklinge aus dem Werkstattladen P212 (Abb. 18, 3) nicht um eine abgebrochene spatha in Zweitverwendung handeln, sondern tatsächlich um ein intentionell gefertigtes Kurzschwert, wäre ein solches in der Gladiatorenausrüstung sicherlich besser unterzubringen als 119 Siehe dazu u. a. Deschler-Erb 1999, 49. – Fischer 2001, 13. 646 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext beim Militär des fortgeschrittenen 3. Jahrhunderts. Dies gilt ebenso für lange Dolche mit relativ schlanker Klinge und einer mehr oder minder lang gestreckten Spitze 120, zu denen hypothetisch die anderen zweischneidigen Klingenstücke gehört haben könnten (Abb. 18, 4-5). Große Dolchklingen ähnlicher, wenngleich meist etwas mehr triangulärer Form sind gelegentlich auch in Verbindung mit Ringknaufgriffen belegt 121. Die oft leider sehr spärlichen und lückenhaften Fundort- / Kontextnachweise derart ausgestatteter Dolche lassen dabei nicht immer unweigerlich auf eine militärische Verwendung schließen. Allerdings fällt es bislang schwer zu beurteilen, in welchem Umfang Neuerungen bzw. Modeerscheinungen aus dem Bereich der römischen Militärausrüstung – z. B. Ringknaufgriffe oder Schwertriemenbügel – in praktisch unveränderter Form letztlich auch für nichtmilitärische Gerätschaften, wie u. a. das Spektrum »ziviler« Dolche und Messer, übernommen wurden. Einige Beispiele, darunter das Messer und der Dolch eines vor der Porta Nola in Pompeji verschütteten Mannes, deren Scheiden mit Adaptionen militärisch aktueller frühkaiserzeitlicher Schwertscheidenteile beschlagen sind 122, oder die ebenfalls zeitgenössischen Militärwaffen entlehnten Griff- und Scheidendetails mittelkaiserzeitlicher Dolche aus Grabtumulus 1 von Omal (prov. Liege / B) 123 und aus der Nekropole einer Villa in Ancy (dép. Aisne / F) 124, deuten aber zumindest auf eine begrenzte Übertragungspraxis hin. Dies heißt jedoch noch nicht automatisch, dass auch die Ausrüstung der Gladiatoren diesem Einfluss unterlag. Zwar ist letzterer – wie oben bereits thematisiert – bei ihren Helmen spürbar, doch gibt es bislang weder in den antiken Darstellungen noch unter den wenigen diskutablen Realia Hinweise darauf, dass auch die Ausgestaltung gladiatorischer Blankwaffen über das frühe 1. Jahrhundert hinaus militärischen Zeiterscheinungen gefolgt ist 125. Im Gegenteil deuten etwa die Griffe der aus Pompeji vorliegenden möglichen Gladiatorendolche schon für die fortgeschrittene frühe Kaiserzeit eher traditionelle Formbezüge an (Abb. 42, 5-6). Ganz in diesem Sinne sind dann auch Belege für eine Ausstattung mittelkaiserzeitlicher Gladiatorenwaffen mit Ringknaufgriffen bisher nicht beizubringen. Auf der anderen Seite zeigt jedoch ein im Raum 7 (neben Raum 18) der Quadriporticus (»caserma dei gladiatori«) von Pompeji zutage getretener Fundkomplex, dass zumindest im Umfeld gladiatorischer Aktivitäten mit dem Vorkommen aktueller Militaria gerechnet werden muss 126. Er enthielt neben dekorativen Schutzwaffen in teils historisierender Formgebung und zahlreichen großen Messern und Dolchen einen kompletten zeitgenössischen Armee-gladius vom Typ Pompeji (Abb. 42, 3). Für letzteres Stück und einige andere Waffenteile dieses Hortes, darunter zwei Helme, wird eine Nutzung durch eine Wachmannschaft vermutet, ohne dass letztlich klargestellt werden kann, aus welchem Personenkreis sich diese rekrutierte. Gleiches gilt für den weiter oben erwähnten, bei einer Gruppe von Flüchtlingen gefundenen Mann vor der Porta Nola. In Bezug auf ihn existieren Überlegungen, ob es sich nicht vielleicht um eine städtische Ordnungs- / Polizeikraft gehandelt haben könnte, die sich durch die Adaption militärischer Beschläge ein soldatisches Gepräge zugelegt hatte 127. Demzufolge wäre es sowohl möglich, die Militaria aus den Werkstattläden von Poitiers als Waffen zu interpretieren, die von Gladiatoren oder Wachmannschaften in ihrem direkten Umfeld genutzt wurden, als auch in ihnen eine Mischung von Gladiatorenwaffen und Ausrüstungsteilen lokaler Ordnungs- / Polizeikräfte oder gar Zivilpersonen 128 zu sehen. In letzter Konsequenz kann natürlich auch ein Gebrauch einiger der Waffen durch paramilitärische Milizverbände oder gar reguläres Militär nicht ausgeschlossen werden, doch ist diese Variante – wie zuvor aufgezeigt – keinesfalls zwingend. Junkelmann 2008, 91f. Diese Einschätzung beruht allerdings in erster Linie auf einer Analyse antiker Bilddarstellungen. Zwei der drei aus Pompeji erhaltenen möglichen Gladiatorendolche sind demgegenüber relativ kurz. Ebenda Abb. 129-130. – Kat. Rom 2001, 391 Kat.-Nr. 127-128 mit Abb. 121 Miks 2007, 75 Taf. 52-53. 122 Ebenda 705 Kat.-Nr. A589, 1-2 Taf. 206. 211. – De Caro 1979, 95 ff. bes. 99 Abb. 27-28. 120 123 124 125 126 127 128 De Loë 1937, 113 Abb. 44. – Miks 2007, 695 Kat.-Nr. A548 Taf. 167. Moreau 1887, Taf. 64, 10. – Miks 2007, 535 Kat.-Nr. A13 Taf. 181. Junkelmann 2008, 91f. Ortisi 2005, 143 ff. Abb. 1-2. – Ortisi 2006, 374 ff. Abb. 1,1. Ortisi 2005, 148. – Ortisi 2006, 380 f. Fischer 2001, 14. – Künzl 2008, 8. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 647 LITERATUR Augenti 2001: D. Augenti, Spettacoli del Colosseo. Nelle cronache degli antichi (Roma 2001). Aurrecoechea 1995/1996: J. Aurrecoechea, Las guarniciones de cinturón y atalaje de tipologia militar en la Hispania romana, a tenor de los bronces hallados en la Meseta Sur. Estud. Prehist. y Arqu. Madrileñas 10, 1995/1996, 49-100. Baćani 2010: I. Baćani, Rimska konjanička maska – Roman cavalry helmet mask. In: I. 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Vienne / F) Wahrscheinlich während der 260er bis maximal frühen 270er Jahre (terminus post quem 257/258) wurden nahe dem vermuteten Forum von Poitiers / Lemonum Gebäude mit Werkstätten und Ladenlokalen auf einer Strecke von mind. 200 m entlang der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden städtischen Hauptverkehrsachse bei einem Großbrand zerstört. Die Ursachen für die Katastrophe sind bisher unbekannt (Unfall, zivile Brandstiftung oder Kriegszerstörung?). Über den nicht abgeräumten Trümmern errichtete man gegen Ende des 3. Jahrhunderts die Mauer des spätrömischen castrum. Zu den Häusern, die beim Brand zerstört wurden, gehört auch das Gebäude Nr. 6, das möglicherweise als Sitz (schola) eines Handwerkervereins diente. In drei straßenseitig dem Haus angegliederten Ladenlokalen wurden in der letzten Nutzungsphase u. a. eine Metallwerkstatt mit Beinschnitzerei und ein Töpfer- / Glaswarenladen betrieben. Aus dem Werkstattbereich und zwei den Läden beigeordneten Hinterzimmern stammen, neben hier produzierten Pferdegeschirrbeschlägen und diversen Zivilgerätschaften, auch mehrere Militaria, darunter Blankwaffenteile und drei Helmkalotten. Eine genaue Analyse der eisernen Kalotten legt den Schluss nahe, dass es sich um die Reste mittelkaiserzeitlicher Gladiatorenhelme handelt, deren Form für einen Gebrauch durch secutores spricht. Mehrere Details, die die Helme gegen einige frühkaiserzeitliche Vergleichsstücke abgrenzen, rechtfertigen ihre Einstufung als eigener »Typ Poitiers«. Der Zustand der Helme lässt darauf schließen, dass sie bereits als Altmetall für eine Wiederverwertung vorgesehen waren. Unter den übrigen Militaria, bei denen es sich teilweise um typologische Altstücke handelt, finden sich ebenso Indizien für einen laufenden Bearbeitungs-/ Umarbeitungsprozess. Auch für sie ist ein Gebrauch durch Gladiatoren oder zumindest durch Wach- / Ordnungskräfte in deren Umfeld vorstellbar. Zudem wäre hier eine alternative Nutzung durch lokale Polizeieinheiten oder sogar Zivilpersonen zu erwägen. Zwar ist auch eine Präsenz von Milizen oder regulären Soldaten natürlich nicht gänzlich auszuschließen, doch muss diese auf Basis der vorliegenden Funde nicht zwangsläufig postuliert werden. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 651 Roman helmets from a mid-Imperial settlement context in Poitiers / Lemonum (dép. Vienne / F) Probably during the 260ies or by the early 270ies at the latest (t. p. q. 257/258) buildings with workshops and shops along an at least 200 m long stretch of the town’s main, north-south running street near the Forum of Poitiers / Lemonum were destroyed by fire. The causes of the catastrophe remain hitherto unknown (accident, civil arson or destruction in war?). At the end of the 3rd century the wall of the Late Roman castrum was erected above the ruins, which have not been cleared away. To the houses destroyed by the fire also belonged the representative building no. 6, which perhaps served as the meeting-place (schola) of an association of craftsmen. In three shops on the street annexed to the house a smithy with bone-working and a shop selling pottery and glass were being run among others during the final phase of use. From the smithy and two backrooms belonging to the shops, beside horse-trappings and various civilian tools produced here, come several military finds, including parts of weapons and three helmet bowls. A precise analysis of the iron bowls indicates that they belonged to mid-Imperial gladiatorial helmets, whose shape suggests a use by secutores. Several details set the helmets apart from some early Imperial examples and justify classifying them as an individual »type Poitiers«. The condition of the helmets allows one to assume that they were already regarded to be old metal for recycling. Among the other military finds, some of which are typologically old objects, one finds indications for a continuous process of working and reworking. For these, too, one can imagine a use by gladiators or, at least, by guards or stewards around them. In addition, one might suggest an alternative use by local police units or even civilians. The presence of militias or regular soldiers cannot, of course, by completely ruled out, but this must not be automatically postulated on the basis of the present objects. Translation: C. Bridger Casques romains issus d’un contexte d’habitat du Haut-Empire tardif à Poitiers / Lemonum (dép. Vienne / F) Toute une série de bâtiments situés près du forum hypothétique de Poitiers / Lemomum le long d’une artère orientée nord-sud, et comprenant des ateliers et des magasins, furent détruits par un immense incendie sur une distance d’au moins 200 m probablement dans les années 260, début des années 270 au plus tard (terminus post quem 257/258). Les causes de cette catastrophe restent inconnues (accident, incendie volontaire ou acte de guerre?). Vers la fin du 3e siècle, le mur du castrum du Bas-Empire fut érigé sur les décombres toujours en place. Les maisons détruites par l’incendie comprenaient le bâtiment n° 6 qui servait probablement de siège à une corporation d’artisans. Dans leur phase finale, trois magasins incorporés à cette maison côté rue abritaient entre autres un atelier métallurgique doublé d’un atelier de travail de l’os et un commerce de poterie et de verrerie. Deux pièces de derrière, attribuées aux magasins, et l’aire des ateliers ont livré, outre des garnitures de harnais et divers outils produits sur place, plusieurs militaria, dont des éléments d’armes blanches et trois calottes de casque. Une analyse précise des calottes en fer fait penser qu’il s’agit des restes de casques de gladiateurs du Haut-Empire avancé (2e-3e s.), dont la forme répond aux besoins des secutores. Plusieurs caractéristiques qui les démarquent des exemplaires du Haut-Empire justifient l’attribution de ces casques à un type propre, »type de Poitiers«. L’état des casques laisse penser qu’ils allaient être recyclés. Les autres militaria, en partie d’anciens types, trahissent un processus de travail / de transformation en cours. Ces pièces pourraient également avoir été utilisées par des gladiateurs ou, du moins, par des forces de l’ordre / de sécurité dans ce secteur. On pourrait en outre envisager leur utilisation par des unités de police ou même par des civils. La présence de milices ou de soldats réguliers n’est certes pas à exclure totalement, mais ne doit pas obligatoirement être postulée au vu des trouvailles disponibles. Traduction: Y. Gautier 652 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 1 2 653 Taf. 1 Pompeji / I. Gladiatorenhelme (vgl. Abb. 34. 36) aus dem großen Waffenhort (gefunden 1766/1767) in der Theaterporticus / Gladiatorenkaserne; terminus ante quem 24. August 79: 1 Secutor-Helm (Eisen, Buntmetall) mit ankorrodiertem vulkanischen Eruptionsmaterial (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5636). – 2 Visierhelm (Buntmetall) vom Weisenau-Typ (Museo Archeologico Nazionale, Neapel; Inv.-Nr. 5657) – (1 nach Meller 2011, Abb. 6; 2 nach H. Meller / J.-A. Dickmann, Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv [Ausstellungskat. Halle] [München 2011] Abb. Vorsatzseite 5). – o. M. 654 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 Taf. 2 2 Poitiers. Erhaltene Fragmente von Helm 1 auf einer modernen Trägerkonstruktion: 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Hinteransicht / Rückseite. – (Fotos V. Iserhardt, RGZM). – M. ca. 1:3. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 1 2 3 655 Taf. 3 Poitiers. Erhaltene Fragmente von Helm 1 auf einer modernen Trägerkonstruktion: 1 Ansicht von oben. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Ansicht der rechten Seite. – (Fotos V. Iserhardt, RGZM). – M. ca. 1:3. 1 2 5 4 3 6 7 10 8 9 Taf. 4 Poitiers. Details von Helm 1: 1 linke Kammseite mit den krumm geschlagenen Enden der Verbindungsniete (Pfeile) zwischen den Kammscheibenelementen. – 2-3 obere Scharnierbänder der linken (2) und rechten (3) Wangen- / Visierklappe am Kalotteninnenrand. – 4-6 Ansicht der Stirntülle / Visierraste von rechts (4), vorne (5) und unten (6). – 7 aus der Einfassungsleiste herausgesprungenes hinteres Ende des linken Kammscheibenelements. – 8 tunnel- / röhrenartige Fortsetzung des Kamms im oberen Nackenbereich. – 9-10 hinteres Kammende mit flankierenden Riemenlöchern von links (9) und vorne (10). – (Fotos 1. 4-5. 7. 9-10 V. Iserhardt, RGZM; 2-3. 6. 8 Ch. Miks). – M. ca. 1:1. 2 1 3 5 6 7 4 8 9 Taf. 5 Poitiers. Details von Helm 2: 1-4 Kalottenfragment mit Stirntülle / Visierraste und hintergenietetem Verstärkungsblech von rechts (1), vorne (2), unten (3) und hinten (4) (Pfeil = ankorrodiertes Kamm(?)-Fragment; Messingspiralen = moderne Befestigungselemente). – 5 am Kalottendach festkorrodierter Buntmetallstreifen mit Eierstabdekor. – 6-7 hinteres Kammende mit flankierenden Riemenlöchern von links (6) und vorne (7). – 8-9 obere Scharnierbänder der linken (8) und rechten (9) Wangen- / Visierklappe am Kalotteninnenrand. – (Fotos 1-2. 6-7 V. Iserhardt, RGZM; 3-5. 8-9 Ch. Miks). – M. ca. 1:1. 658 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext 1 Taf. 6 2 Poitiers. Erhaltene Fragmente von Helm 2 auf einer modernen Trägerkonstruktion: 1 Vorderansicht / Stirnseite. – 2 Hinteransicht / Rückseite. – (Fotos V. Iserhardt, RGZM). – M. ca. 1:3. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 58 · 2011 1 2 3 659 Taf. 7 Poitiers. Erhaltene Fragmente von Helm 2 auf einer modernen Trägerkonstruktion: 1 Ansicht von oben. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Ansicht der rechten Seite. – (Fotos V. Iserhardt, RGZM). – M. ca. 1:3. b a 4 1 2 3 5 6 Taf. 8 Poitiers. Erhaltene Fragmente von Helm 3 auf einer modernen Trägerkonstruktion: 1 Hinteransicht / Rückseite. – 2 Ansicht der linken Seite. – 3 Ansicht der rechten Seite. – 4 separat erhaltenes Fragment (a Außenseite; b Innenseite) der rechten Vorderkante der Nackenpartie. – 5 Anflickungen am rechtsseitigen Nackenschirmende von der Kalotteninnenseite her betrachtet (a älteres Flickageblech; b jüngeres Flickageblech; dicker Pfeil = Restaurierungsgrenze). – 6 Unterseite des rechtsseitigen Nackenschirmendes mit den entsprechenden Flickstellen. – (Fotos 1-4 V. Iserhardt, RGZM; 5-6 Ch. Miks). – 1-4 M. ca. 1:3; 5-6 M. ca. 1:1. 660 A.-M. Jouquand-Thomas u. a. · Römische Helme aus einem mittelkaiserzeitlichen Siedlungskontext