13. Jahrgang 2013
·
Heft 1
1
Inhalt
Vorwort
Coastal and underwater Late Urnfield sites in South Etruria
Clarissa Belardelli
Ships of Aquileia
Underwater Archaeological Research on Marine and Inland Routes of the Upper Adriatic Sea
Massimo Capulli
Lead ingot cargoes from Carthago Nova to Rome
Some remarks on the presence of people from Campania in the exploitation of Iberian mines
Michele Stefanile
The shift of trade routes across the English Channel
during the Roman expansion in western Europe
3
5
18
24
32
Jonas Enzmann
Britannisches Blei auf dem Weg nach Rom
Die Metallversorgung der Reichsmetropole am Beginn der Herrschaft des L. Septimius Severus
Nobert Hanel - Peter Rothenhöfer - Michael Bode - Andreas Hauptmann
A glimpse into the Early Imperial Roman Atlantic trade
Historical and marine context of a ceramic assemblage in a shipwreck at Cortiçais (Peniche, Portugal)
Jean-Yves Blot - Sonia Bombico
Caesarea Maritima and the Grand Strategy
Gil Gambash
Integrating an Empire
Maritime Trade and Agricultural Supply in Roman Cyprus
Justin Leidwanger
The Sutivan Shipwreck
A cargo of sarcophagi and stone of the Roman period
Igor Mihajlović
The wrecks and artifa
discovered in the exca
tions indicate that the h
bor began gathering sil
its western end soon a
the mole was construc
to form the harbor ba
In time, as the silting p
gressed eastward and
38
43
53
59
67
The wrecks and artifa
discovered in the exca
tions indicate that the h
bor began gathering sil
its western end soon a
the mole was construc
to form the harbor ba
In time, as the silting p
gressed eastward and
73
81
89
99
Food supply from Tauric Chersonesos
Products and Transportation
Marina Ć` echová
Late Byzantine amphorae from eastern Adriatic underwater sites
Vesna Zmaić
Vom Seeungeheuer verfolgt?
Zwischen Fiktion und Realität der Gefahr auf hoher See
Leon Ziemer
Die strategische Lage der Insel Rügen in Verbindung mit Stralsund
und dem Hinterland
Thomas Förster
113
Das Bücherbrett
Titelmotiv
Historische Darstellung des Systems von
Befestigungswerken zwischen Usedom
und der Südostküste Rügens, die der
Sperrung der Zufahrt nach Stralsund
dienten, 1715.
Aus: Th. Förster,
Die strategische Lage der Insel Rügen in
Verbindung mit Stralsund und dem
Hinterland, Abb. 8.
38
Britannisches Blei
·
N. Hanel - P. Rothenhöfer - M. Bode - A. Hauptmann
Britannisches Blei auf dem Weg nach Rom
Die Metallversorgung der Reichsmetropole am Beginn
der Herrschaft des L. Septimius Severus
Norbert Hanel – Peter Rothenhöfer – Michael Bode – Andreas Hauptmann
Abstract – Six Roman lead ingots were found near the eastern shore of Corsica. Weight, size, stamps, and especially the moulded inscriptions mentioning Septimius Severus show a relation to lead ingots known from Lillebonne
(Iuliabona) and the surroundings of Chalon-sur-Saône (Cabillonum). Lead isotope analysis supports a provenance
of these ingots from mines of Britannia (Mendip Hills; Flintshire). The production of this lead must be dated between the victory of Septimius Severus over Clodius Albinus in the battle of Lugdunum (19 February 197) and
February AD 198 because of the imperial titles. The locations of the finds in Gallia and near Corsica are strong
hints for reconstructing a transport route via the Channel, Gaulish rivers and the Mediterranean Sea to Italy and
Rome.
Inhalt – Sechs römische Bleibarren sind nahe der Ostküste Korsikas gefunden worden. Gewicht, Größe, Stempel
und besonders die mitgegossenen Inschriften mit der Nennung des Septimius Severus weisen auf eine Verbindung
zu Bleibarren aus Lillebonne und der Umgebung von Chalon-sur-Saône hin. Bleiisotopen-Analysen stützen die
Herkunft dieser Barren aus Minen Britanniens (Mendip Hills; Flintshire). Die Gewinnung dieses Bleis muss wegen
der kaiserlichen Titel zwischen den Sieg des Septimius Severus über Clodius Albinus in der Schlacht von
Lugdunum (19. Febr. 197) und Februar 198 n. Chr. datiert werden. Die Fundorte in Gallien und vor Korsika sind
starke Anhaltspunkte für die Rekonstruktion einer Transportroute über den Ärmelkanal, Flüsse in Gallien und das
Mittelmeer nach Italien und Rom.
Im Rahmen des
analytisch uninterdisziplinätersucht1.
ren Forschungsprojekts „CorDie Bleibarren
pus der römides L. Septischen Bleibarmius Severus
ren“ der Kommission für Alte
Von den mittGeschichte und
lerweile 2900
Epigraphik des
bekannten BarDeutschen Arren werden in
chäologischen
diesem Beitrag
Instituts und
zehn Exemplades Leibnizre aus den ProKo m p e t e n z vinzen Gallia
zentrums für
Archäometrie
Lu g d u n e n s i s
und
Corsica
des Deutschen
vorgestellt, die
Bergbau-Muschon auf den
seums Bochum
ersten
Blick
wurden sämtliaufgrund ihrer
che überlieferepigraphischen
ten römischen
Elemente
Bleibarren von
(Gussbzw.
der Republik Abb. 1: Bleibarren eines Schiffswracks von der Ostküste Korsikas bei Aleria.
Stempelinschrifbis in die Spätantike dokumentiert und ein guter Herkunft und Herstellung des Bleis ten) in einen historischen ZusamTeil repräsentativ für Fragen zu spurenelement- und bleiisotopen- menhang gestellt werden können.
13. Jahrgang 2013
·
Heft 1
39
Abb. 2: Bleibarren eines Schiffswracks von der Ostküste Korsikas bei Aleria. Auf der Barrenoberseite zwei Stempeleindrücke COMPM
^
und LEC VI.
Um das Jahr
1980
bargen
Übersetzt:
Schatztaucher
„(Eigentum)
vor der Ostküsdes Kaisers Lute Korsikas in
cius Septimius
der Nähe der
Severus PerStadt Aleria aus
tinax, des Aueinem Schiffsgustus, des SieAbb. 3: Chamilly (Dép. Saône et Loire). Bleibarren mit zweizeiliger Gussinschrift
wrack u. a. sechs
gers über die
(ergänzt).
römische BleiParther und
barren mit eidie Bewohner
nem Gewicht von jeweils 78,1 bis Gewicht mit den Meeresfunden ver- der Adiabene.“ Demnach gehörten
90 kg (Abb. 1). Über den Kunst- gleichbar und tragen außerdem wie diese Metallbarren dem L. Septihandel gelangten diese Funde in die zwei hervorgehobenen korsi- mius Severus (*146 - †211 n. Chr.),
das Deutsche Bergbau-Museum schen Barren (s. o.) eine zweizeilige der sich in den Nachfolgekämpfen
Bochum2. Der Zusammenhang der Gussinschrift auf der Vorderseite, beim Tod des P. Helvius Pertinax
korsischen Barren wird hier durch die wie folgt lautet (Abb. 3):
gegen seine Rivalen behauptete
gleichlautende Stempelinschriften
und seit April 193 n. Chr. römibestätigt, wobei zwei Exemplare IMP(eratoris) CAES(aris) L(ucii) •
scher Kaiser war (Abb. 4)3. Anhand
außerdem identische Gussinschrif- SEPTIMI(i) SEVERI PERTI|NACIS
der Siegestitulaturen der Gussinten aufweisen. Die Stempelinschrifschriften der Bleibarren lässt sich
• AVG(usti) • PART(h)ICI • ADIA^
ten lauten COMPM und LEGVI
deren Herstellungszeitraum ein(Abb. 2). Während die Auflösung BENICI
grenzen: Septimius hatte die beider ersten Inschrift noch nicht
den Siegerbeinamen Parthicus und
gelungen ist, dürfte es sich bei der
Adiabenicus vom Senat nach seizweiten Inschrift um eine Marnem ersten erfolgreichen Orientkierung der in der Provinz Brifeldzug im Frühjahr bzw. Sommer
tannia stationierten legio VI victrix
195 n. Chr. erhalten4. Drei Jahre
handeln. Inwieweit diese sechs
später nahm der Kaiser nach der
Barren der Gesamtbestand oder
zweiten expeditio Parthica, die in
nur ein Teil einer größeren
der Einnahme der parthischen
Bleifracht waren, ist nicht bekannt.
Hauptstadt Ktesiphon (bei Al-Madain, Irak) gipfelte, zu Beginn des
Die übrigen vier Stücke sind LandJahres 198 n. Chr. den Titel Parthicus maximus an5. Der Guss der
funde aus der Provinz Gallia LugBarren erfolgte also in der Zeit zwidunensis: Ein Bleibarrenfragment
schen Frühjahr 195 und Februar
kam beim römischen Theater von
198 n. Chr. Wie weiter unten
Lillebonne (Dép. Seine-Maritime),
gezeigt wird, kann dieses Zeitfendem antiken Iuliobona, zutage, drei
vollständige Barren im Umland von
ster noch weiter eingeengt werden.
Chalon-sur-Sâone, dem antiken
Cabillonum, in Sassenay, Chamilly Abb. 4: Büste des Kaisers L. Septimius
Im Unterschied zu den Bleibarren
und Alouettes (alle Dép. Saône et Severus (Staatliche Museen,
von Korsika weisen die Stücke aus
Loire). Sie sind in Größe und Antikensammlung Berlin).
der Umgebung der Stadt Chalon-
40
Britannisches Blei
·
N. Hanel - P. Rothenhöfer - M. Bode - A. Hauptmann
sur-Saône andere Stempelinschriften auf (Abb. 5 a-b). Neben den
Formularen DCP und DLP, die
wahrscheinlich als tria nomina zu
deuten sind, wurden wiederum
Stempel von Legionen in die Barrenoberfläche eingeschlagen. Erneut ist die legio VI victrix bezeugt,
allerdings mit der anders lautenden
Abkürzung LVICVC. Als zweite
Militäreinheit ist die legio XX Valeria victrix anhand des Stempelformulars LEG°XX nachgewiesen.
Der Stempel BFLIDOCI ist vorerst
nicht sinnvoll aufzulösen6.
Was die Provenienz dieser Barren
betrifft, deren Gewicht – soweit sie
vollständig erhalten sind – zwischen 85 und 95,2 kg liegt, hatte
man bereits kurz nach ihrer Entdeckung eine Herkunft aus Britannien vermutet7. Dieser Verdacht
hat sich nun durch den sogenannten Bleiisotopenvergleich erhärtet
und gilt in gleicher Weise für die
korsischen Barren. Man stellt hierfür die Bleiisotopenzusammensetzung von Metallen denen von
Erzen aus potentiellen Bergbauen
gegenüber und sortiert solche Lagerstätten aus, deren Bleiisotopenmuster nicht mit denen des Metalls
übereinstimmen. Unterschiedliche
Bleiisotopenmuster entsprechen in
erster Linie unterschiedlichen Altern von Erzlagerstätten8.
In diesem Fall konnten die römischen Bergbaugebiete Spaniens,
Sardiniens und des Balkans mit
Sicherheit aussortiert werden, für
die in der frühen römischen Kaiserzeit befahrenen Bleierzreviere
des nördlichen rheinischen Schiefergebirges hingegen gilt dies zumindest nicht. Die bereits beschriebenen Stempelmarkierungen
der in Britannien stationierten 6.
Legion wie auch der Barrenfund
von Iuliobona gegenüber der englischen Küste lassen aber nur den
Schluss zu, dass die Bleibarren britannisch sind. Ihr Produktionsort
war sehr wahrscheinlich das Bergbaurevier der Mendip Hills südlich
von Bristol oder Flintshire in
North Wales.
Bereits früh hatte man in der französischen Forschung die histori-
Abb. 5 a-b: Stempelinschriften auf
Bleibarren von Korsika und aus der
Umgebung von Chalon-sur-Saône (Dép.
Saône et Loire).
sche Bedeutung der Bleibarren aus
dem Umland von Chalon-surSaône erkannt. Besonders ausführlich hat sich der Archäologe Louis
Armand-Calliat (1896-1966) mit
den Barren beschäftigt9. Er stellte
als erster einen, wenngleich im
Detail ungenauen, Zusammenhang
der Barren mit dem Feldzug des L.
Septimius Severus gegen seinen
Kontrahenten um den Kaiserthron
D. Clodius Albinus her. In der
Schlacht bei Lugdunum (Lyon) am
19. Februar 197 n. Chr. wurden die
Truppen des Clodius Albinus, der
zuvor als Statthalter der Provinz
Britannien mit seinen Streitkräften
nach Gallien übergesetzt war, vernichtend geschlagen. Da aber der
siegreiche Septimius Severus vor
dieser Schlacht keinen Zugriff auf
die in Britannien geförderten Ressourcen seines Gegners haben
konnte, lässt sich die Herstellung
der Bleibarren zeitlich noch weiter
einengen: Sie können demnach nur
nach der Schlacht bei Lugdunum
und vor dem durch die Gussinschriften erschlossenen Datum im
Februar 198 n. Chr. (siehe oben)
gegossen worden sein; d.h. der
Herstellungszeitraum der Bleibarren kann auf knapp ein Kalenderjahr eingegrenzt werden. Aus den
vorliegenden Fakten lassen sich
folgende Schlussfolgerungen ziehen: Unmittelbar nach der siegreichen Schlacht hatte L. Septimius
Severus die gegnerischen Bleierzlagerstätten in der Provinz Britan-
nien ausgebeutet, wobei dies durch
die Barren zumindest für die Bergbaureviere der Mendip Hills bzw.
Flintshire der Fall gewesen sein
sollte. Die Stempelinschriften der
6. und 20. Legion zeigen, dass die
unterlegenen Truppen des Clodius
Albinus zur Ausbeutung der Erze
abkommandiert waren, ohne dass
sich derzeit Umfang und Form
ihrer Einbindung abschätzen lassen.
Möglicherweise spielt bei diesem
Szenario ein weiterer Aspekt eine
bedeutende Rolle: Da oftmals mit
der Bleigewinnung die Silberproduktion verbunden ist und L. Septimius Severus laut antiker Überlieferung für alle römischen Truppen eine Solderhöhung veranlasste10, ist es denkbar, dass diese
Maßnahme nach der Schlacht von
Lugdunum und mit dem Abbau
silberhaltiger Bleierze in Britannien erfolgte. Silber kommt in Bleiglanz (PbS), dem bekanntesten
Silberträger, als Spurenelement oft
mit Wismuth (AgBiS2) und/oder
Antimon (AgSbS2) zusammen vor,
kann aber z.B. auch mit weiteren
Begleitelementen als Bestandteil
silberreichen Fahlerzes mechanisch
im Bleiglanz eingeschlossen sein.
In den beiden ersten Beispielen
sollte in nicht-entsilbertem Blei
nach der Verhüttung eine positive
Korrelation von Ag/Bi(Sb) und/
oder Ag/Sb(Bi) sichtbar sein11, für
das letzte Beispiel gilt dies nicht. In
13. Jahrgang 2013
Abb. 6: Mutmaßliche Transportroute der severischen Bleibarrenfunde aus Britannien.
den Barren ist zumindest eine
leichte positive Korrelation für
Ag/Sb zu erkennen, die Wismutkonzentrationen sind sehr niedrig.
Die Silbergehalte liegen zwischen
0,0055 und 0,0215 % und damit im
großzügig erweiterten Bereich für
entsilbertes Blei (±0,01 %), ähneln
aber zugleich auch Silbergehalten
in Bleierzen der Mendip Hills und
Flintshires. Festzuhalten bleibt,
dass eine Entsilberung des Barrenbleis nicht offensichtlich ist.
Auffallend ist die ungewöhnliche
Konzentration von insgesamt sechs
römischen Bleibarren in der Umgebung von Cabillonum, die in
einer Entfernung von 3 bis 24 km
an den Fernstraßen oder in ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft gefunden wurden. Während für die
hier schon vorgestellten drei Barren ein Zusammenhang mit der
severischen Ausbeutung der britannischen Bleireviere angenommen werden kann, muss bei den
anderen drei Barren wegen fehlender oder bislang nicht zu datierender Inschriften die historische
Einordnung unsicher bleiben12.
Aufgrund der Schlussfolgerung,
dass einige Barren bereits im Jahr
197 n. Chr. verloren gingen, scheidet ein Verlust unter normalen
Transportbedingungen aus, da
man bei kaiserlichen Metalllieferungen sorgfältiger auf die Fracht
geachtet hätte. Bei heutigem
Kenntnisstand ist zu überlegen,
inwieweit sich hinter diesen Barrenverlusten eventuell Angriffe
versprengter Truppen des Clodius
Albinus auf die kurz vor Erreichen
des Handelszentrums über dem
Landweg verlaufenden severischen
Transporte verbergen13.
Die Rekonstruktion der Transportroute(n)
Aufgrund der Verbreitung und Herkunft der hier behandelten Blei-
·
Heft 1
41
barren kann die Transportroute
des Metalls im Wesentlichen rekonstruiert werden (Abb. 6). Andere römische Bleibarrenfunde in
Britannien bei Southampton und
Bossington (Hampshire) legen nahe, dass die Barren auf einem kombinierten Land- und Flussweg zu
Häfen an der südenglischen Küste
gebracht wurden. Dort erfolgte
ihre Verladung auf Frachtschiffe,
um sie über den Ärmelkanal zur
gallischen Küste zu transportieren.
In Gallien gab es verschiedene
Transportrouten, wobei den Flüssen Somme, Seine und Loire eine
wichtige Rolle als bequeme und
kostengünstige Wasserwege zukam. Wie der Bleibarren aus Lillebonne zeigt, könnte im Fall des britannischen Bleitransports die Seine
genutzt worden sein. Unumgänglich war jedoch im Innern Galliens
die Nutzung von Landwegen, bei
denen Strecken von ungefähr 150
km zurückgelegt werden mussten.
Für den Weitertransport war die
Haeduerstadt Cabillonum ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt
und Handelsdrehkreuz14. Über die
Saône (Arar), den Doubs (Dubis)
und die Rhône (Rhodanus) konnten auf dem Wasserweg Waren in
Reichsgebiete im Norden, Osten
und Süden verschifft werden. Ferner trafen sich Fernstraßen aus
allen Himmelsrichtungen an diesem Ort, der über Anlegestellen
und seit dem 2. Jh. n. Chr. über
eine Steinbrücke verfügte15.
Durch die Barren von der Ostküste
Korsikas lassen sich Aussagen zum
mutmaßlichen Bestimmungsort
der britannischen Bleibarren treffen. Auch wenn es eine Konzentration von Bleibarrenfunden um
Cabillonum gibt, war die Haeduerstadt selbst nicht das Ziel der
Bleiladungen. Verschiedene Forscher haben schon früh die Ansicht
geäußert, dass das britannische
Blei für Italien und hier vermutlich
für die Metropole Rom bestimmt
war. Insgesamt betrug der Transportweg von den britannischen Lagerstätten bis Rom ungefähr 1700
bis 1800 km, wobei die Ladung
sowohl auf relativ kurzen Land- als
auch auf Fluss- (Seine?, Saône,
Rhône, Tiber) und Seewegen
42
Britannisches Blei
·
N. Hanel - P. Rothenhöfer - M. Bode - A. Hauptmann
(Ärmelkanal, Mittelmeer) befördert werden musste. Das Wrack bei
Aleria deutet darauf hin, dass der
Zielort dieses Schiffes Rom war.
Dies wäre umso wahrscheinlicher,
wenn gleichzeitig mit der Bleifracht Silber aus Britannien in die
Hauptstadt des Imperium Romanum geliefert worden wäre. Während das Blei für Bauprogramme in
Rom (Thermae Severianae, Tempel
für Dionysos und Hercules, Wasserleitungen etc.) oder in anderen
Städten (Ostia, Puteoli etc.) Verwendung fand, hätte das Silber in
der einzigen Münzstätte des römischen Westens am Beginn der severischen Herrschaft bei der Münzprägung zur Verfügung gestanden.
Anmerkungen
3
Birley, A.R. 1999: Septimius Severus –
The African emperor2 (London/New York
1999) 89-107.
4
Scriptores Historiae Augustae, Sept.
Sev. 9,10-11; Hasebroek, J. 1921: Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers
Septimius Severus (Heidelberg) 73-81, bes.
81; Kneissl, P. 1969: Die Siegestitulatur der
römischen Kaiser. Untersuchungen zu den
Siegerbeinamen des ersten und zweiten
Jahrhunderts. Hypomnemata 23 (Göttingen) 129-138; 211-215; Birley 1999: 116;
Kienast, D. 2004: Römische Kaisertabelle.
Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie (Darmstadt) 158.
5
Hasebroek 1921, 195; Kneissl 1969, 144;
Birley 1999, 130; Kienast 2004,158.
6
Corpus Inscriptionum Latinarum XIII
2612b, p. 409 (Kommentar O. Hirschfeld);
Hirt, A.M. 2010: Imperial Mines and
Quarries in the Roman World. Organizational Aspects 27 BC-AD 235 (Oxford) 191.
12
Armand-Calliat a.O. (s. Anm. 9) Note
530-532 Abb. 1; ders., Une tuile de la VIIIe
légion et un lingot de plomb romain trouves a Palleau, Mémoires de la Société d’histoire et d’archéologie de Chalon-sur-Saône
36, 1960, 113.
13
Armand-Calliat a.O., Note 532 f. mit
teilweise fehlerhaften Erklärungsmodellen.
14
Bonnamour, L. 2000: Archéologie de la
Saône. 150 ans de recherches (Paris) 118
Abb. oben; Bonnamour, L. –Wirth, St.
2001: Die Saône – Ein Glücksfall für die
Flußarchäologie in Europa, in: Kuhnen,
H.P. (Hrsg.): abgetaucht – aufgetaucht.
Flussfundstücke. Aus der Geschichte. Mit
ihrer Geschichte (Trier) 13-30.
15
Vgl. Bonnamour, L. 1999/2000: Le port
antique de Chalon-sur-Saône. Bilan de 150
ans de recherches, in: Bedon, R. –
Malissard, A. (Hrsg.), La Loire et les fleuves
de la Gaule romaine et des régions voisines,
Caesarodunum 33/34, bes. 228 Abb. 2.
7
1
Rothenhöfer, P. – Hanel, N. – Bode, M.
2012: Auf den Spuren des Bleis der Römer.
Das Forschungsprojekt Corpus der römischen Bleibarren, in: Creemers, G. (Hrsg.),
Archaeological Contributions to Materials
and Immateriality, Atuatuca 4 (Tongeren)
68-74; Hanel, N. 2011: Auf der Spur des
Bleis. Das Corpus römischer Bleibarren
(CMPR), Kölner u. Bonner Archaeologica
1, 119-123. – Eine ausführliche Version
dieses Beitrags, in dem die Argumentationsstränge detaillierter nachvollzogen
werden können, ist erschienen in Chiron
42, 2013, 297-325.
2
Weisgerber, G. – Craddock, P.T. –
Meeks, N. – Baumer, U. – Koller, J. 2007:
Roman brass and lead ingots from the
western Mediterranean, in: la Niece, S. –
Hook, D. – Craddock, P. (Hrsg.): Metals
and Mines. Studies in Archaeometallurgy.
Selected papers from the conference Metallurgy: A Touchstone for Cross-cultural
Interaction, held at the British Museum
28.-29. April 2005 to celebrate the career of
Paul Craddock during his 40 years at the
British Museum (London) 147-158.
Cochet, J.B.D. 1856: Note sur le commerce et l’industrie du plomb dans la
Gaule et la Grand-Bretagne, Revue Archéologique 13, 548.
8
Ausführliche Informationen zur Bleiisotopenanalytik und deren Anwendung in
der Archäologie z.B. Gale, N.H. – StosGale, Z. 2000: Lead Isotope Analyses
Applied to Provenance Studies, in: Ciliberto, E. –Spoto, G. (Hrsg.), Modern Analytical Methods in Art and Archaeology
(New York u.a.) 503-584.
9
Armand-Calliat, L. 1936/37: Note sur
des saumons de plomb antiques trouvés
dans le Chalonnais, Bulletin Archéologique
Paris 527-533; ders. 1944, Les lingots de
plomb chalonnais et les évènements de
197, Annales de Bourgogne 16, 240-241.
10
Scriptores Historiae Augustae, Sept.
Sev. 12,2; Herodian 3, 8, 5.
11
s. z.B. Pernicka, E. – Bachmann, H.-G.
1983: Archäometallurgische Untersuchungen zur antiken Silbergewinnung in Laurion III. Das Verhalten einiger Spurenelemente beim Abtreiben des Bleis, Erzmetall
36, 592-597.
Abbildungsnachweis
Abb. 1-6: N. Hanel.
Anschriften
Dr. Norbert Hanel
Dr. Peter Rothenhöfer
c/o Kommission für Alte Geschichte und
Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts
Amalienstr. 73 b
80799 München
Dr. Michael Bode
Prof. Dr. Andreas Hauptmann
Deutsches Bergbau-Museum Bochum
Forschungsstelle Archäologie und Materialwissenschaften
Hernerstraße 45
44787 Bochum