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SPM AS – Archäologie Schweiz SAM – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit SBV – Schweizerischer Burgenverein (Herausgeber) Die Schweiz von 1350 bis 1850 im Spiegel archäologischer Quellen AS – Archéologie Suisse SAM – Groupe de travail suisse pour l’archéologie du Moyen Age et de l’époque moderne SBV – Association suisse Châteaux forts (éditeurs) La Suisse de 1350 à 1850 à travers les sources archéologiques Akten des Kolloquiums Actes du Colloque Bern, 25.–26.1. 2018 Verlag Archäologie Schweiz Basel 2018 Umschlag: Dudelsackbläser vom so genannten Holbein-Brunnen. Werk eines unbekannten Künstlers, um 1545. Sandstein mit farbiger Fassung. Höhe 91 cm. Heute Basel, Historisches Museum, Inv. 1910.132. Umzeichnung Archäologie Baselland, S. Schäfer. Schellen-Under. Schaffhauser Spielkarte. Schaffhausen, um 1800. Holzschnitt, schablonenkoloriert. Drucker David Hurter; Bearbeitung I. D. Zeder. Couverture: Joueur de cornemuse de la fontaine dite de Holbein. Oeuvre d’un artiste inconnu, ver 1545. Grès avec décor polychrome. Hauteur 91 cm. Aujourd’hui à Bâle, Musée Historique, Inv. 1910.132. Dessin Archéologie Baselland, S. Schäfer. Schellen-Under (Under de grelot). Carte à jouer de Schaffhouse. Schaffheouse, vers 1800. Gravure sur bois peinte au pochoir. Imprimeur David Hurter. Infographie I. D. Zeder. Wissenschaftliche Leitung / Direction scientifique : Steuerungsgruppe SPM VIII (s. S. 7), im Auftrag der Wissenschaftlichen Kommission der Archäologie Schweiz / sur mandat de la Commission Scientifique d’Archéologie Suisse. Die Umsetzung dieser Internet-Publikation wurde unterstützt durch die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften SAGW. Der Band ist gratis online verfügbar unter www.archaeologie-schweiz ▻ Publikationen ▻ Online-Publikationen. La réalisation de cette publication éléctronique a été largement soutenue par l’Académie des Sciences humaines et sociales ASSH. Le volume est mis à disposition en ligne gratuitement sur www.archeologie-suisse.ch ▻ Publications ▻ Publications en ligne. Hardcopy produziert mit Unterstützung der Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. / Version imprimée réalisée avec le soutien du Groupe de Travail pour l’Archéologie du Moyen Age et de l’Epoque moderne. Bestelladresse für die gedruckte und gebundene Version: Archäologie Schweiz, Petersgraben 51, CH-4051 Basel, admin@archaeologie-schweiz.ch Adresse de commande pour la version imprimée et reliée: Archéologie Suisse, Petersgraben 51, CH-4051 Bâle, admin@archeologie-suisse.ch Projektleitung / Direction du projet : Urs Niffeler. Redaktion / Rédaction : Catherine Leuzinger-Piccand (Beitrag Liboutet/Vanetti); Urs Niffeler (übrige Teile). Druckvorstufe / Prépresse : Isabelle D. Zeder. Copyright by Archäologie Schweiz, Basel 2018. ISBN 978-3-908006-48-0 Inhaltsverzeichnis – Table de matière – Indice Dank ....................................................7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Siedlungen – Habitat 1.1 Städte – Villes Basel – Transformationen einer Stadt Frank Löbbecke, Martin Möhle, Christoph Matt und Marco Bernasconi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Vom Lagerbau zum Stadthaus. Die bauliche Entwicklung des Städtchens Werdenberg (Grabs SG) im 14. und frühen 15. Jh. Carolin Krumm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 Städtischer Wohnbau am Beispiel Zug Anette JeanRichard und Christoph Rösch . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 Freiburg: Rue Neuveville 46, ein spezieller Typ von Gerbereigebäude Christian Kündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Murten: Ein Dachstuhltyp zu Wohnbauten ab dem frühen 16. Jh. Christian Kündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 Bossonnens FR: Von der mittelalterlichen Burg bis zur Artillerieplattform Christian Kündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 Saint-Ursanne, premières investigations en archéologie urbaine dans le Jura Zur Chronologie und Typologie der Wohnbauten Graubündens im Zeitraum von 1350 bis 1850 Mathias Seifert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Alpnutzung in Spätmittelalter und Frühneuzeit am Beispiel Andermatt UR Brigitte Andres und Christian Auf der Maur . . . . . . . . . . . . . . .129 Der Oberwalliser Wohnbau in Spätmittelalter und Neuzeit. Das Bespiel Schnydrighaus in Mund, Gemeinde Naters Werner Bellwald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139 Innerschweizer Holzbau Ulrike Gollnick und Christoph Rösch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 Bauernhäuser aus Altholzbeständen – eine Erscheinung des Taunerwesens im 18./19. Jh.? Katharina König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 Archéologie du « village vigneron » : l’exemple du Vignoble neuchâtelois (15e–17e siècles). Comment le développement de l’économie viticole du 15e au 17e siècle a durablement influencé le paysage, l’urbanisme et l’architecture de la région Christian de Reynier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175 1.3 Sonderbauten und Infrastruktur – Bâtiments spécialisés et infrastructures Münzstätten im archäologischen Befund Rahel C. Ackermann und Christoph Ph. Matt . . . . . . . . . . . . . .189 Sébastien Saltel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 Die gemeineidgenössischen, bernischen und vorderösterreichischen Landvogteischlösser des Aargaus 1.2 Ländliche Siedlungen – Habitat rural Baden AG: vom Wildbad zum Kurort Der städtische Einfluss auf die Haus- und Siedlungsentwicklung im Basler Untertanengebiet (Kanton Baselland ohne Laufental) Anita Springer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69 Hochstudbauten im Aargau. Typologische Entwicklung vom 16. Jh. bis 19. Jh. Cecilie Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 Alles unter Schutt und Asche. Ofenkachelfunde des 14.–18. Jh. in Brandhorizonten von Fricktaler Bauerndörfern David Wälchli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 Peter Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 Andrea Schaer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197 Bad Weissenburg und das Badewesen im Berner Oberland Volker Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207 Bauarchäologische und bauhistorische Untersuchungen am Escher- und am Linthkanal Jakob Obrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217 Das ehemalige Gasthaus Ochsen in Flüelen UR: Gasthof, Kaufhaus und Sust an der Gotthardroute. Ein stattlicher Bau am Übergang zwischen Land und See Ulrike Gollnick und Christian Auf der Maur . . . . . . . . . . . . . .229 Bohlenständerbau im Kanton St. Gallen Moritz Flury-Rova . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 3 Le pavillon de chasse de Guillaume de La Baume : une source d’inspiration pour le Canton de Fribourg Rocco Tettamanti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237 Pour une relecture du statut économique du Canton de Vaud à l’époque moderne : les cas du fer et des fours à chaux du Jura-Nord vaudois Alice Vanetti et Marion Liboutet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .239 3. Glaubenswelt – Croyances 3.1 Bauten und Zeichen – Bâtiments et symboles Die Mikwe von Lengnau AG Peter Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .397 Das «Cappeli» im Berner Stockental 2. Materielle Kultur – Culture matérielle Laufenburg-Siechebifang – ein aussergewöhnlicher Fundkomplex aus dem 15. Jh. Ein Einblick in das Inventar des ehemaligen Laufenburger Siechenhauses Reto Bucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .255 Bunte Schüsseln, schlichte Tassen. Gefässkeramikentwicklung in der Nordostschweiz (1350–1850) Valentin Homberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271 Ein geschlossenes Geschirrensemble des 18. Jh. aus Winterthur Annamaria Matter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .283 Alles im grünen Bereich. Die Haushaltskeramik vom Bauschänzli in Zürich, datiert vor 1662 Jonathan Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297 Spätmittelalterliche und neuzeitliche Keramikkomplexe im Kanton Zug Eva Roth Heege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .309 Reperti ceramici in Ticino dal 1350 al 1850: prime considerazioni Maria-Isabella Angelino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 L’atelier de potiers de Bulle-rue de la Poterne (1765–1895). Etat de la recherche Gilles Bourgarel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .337 L’évolution du vaisselier genevois entre 1350 et 1850 Michelle Joguin Regelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .361 Tabak und Tabakpfeifen in der Schweiz Andreas Heege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .371 Konjunkturen und Kleingeldwanderung. Kirchenfunde des 16.–19. Jh. Benedikt Zäch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .383 Plomben und Marken Rahel C. Ackermann und Benedikt Zäch . . . . . . . . . . . . . . . . . .391 Volker Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .399 Ermitages religieux des environs de la ville de Fribourg (15e–19e siècles) : un patrimoine à redécouvrir Ludovic Bender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .407 Aménager un temple réformé en terres neuchâteloises (1530–1850). Apports de l’archéologie Jacques Bujard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .417 An Holzbauten beobachtete Zeichen von Praktiken der Volksfrömmigkeit Ulrike Gollnick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .427 3.2 Bestattungen – Sépultures Grabbeigaben im Gebiet der Deutschschweiz Martina Kaelin-Gisler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .431 Die Bestattungen im Kanton Bern im Wandel der Zeit. Interdisziplinäre Betrachtungen zu den Gräbern und Verstorbenen Amelie Alterauge und Sandra Lösch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .441 Evolution des ensembles funéraires de la fin du Moyen-Âge au début du 20e siècle. Quelques exemples de fouilles récentes dans les cantons de Vaud et de Neuchâtel Lucie Steiner et Sophie Thorimbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .457 Temple de Daillens VD : sépultures découvertes dans le chœur désaffecté – un cas d’école Anna Pedrucci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .469 4. Umwelt und Naturressourcen – Environnement et ressources naturelles Klima und extreme Naturereignisse in der Schweiz, 1350–1850. Nutzen und Potenziale historischer und naturwissenschaftlicher Klimaforschung für die Archäologie Christian Rohr und Chantal Camenisch . . . . . . . . . . . . . . . . . .479 Landwirtschaft und Umwelt im Spiegel archäobiologischer Funde – Materialvorlage Marlu Kühn, Sabine Deschler-Erb und Simone Häberle . . . . .489 4 Abkürzungen – Abréviations – Abbreviazioni AAS ABBS ADSO AF AiZ AKBE AM ArchBE as. ASA ASSPA BSSI BZ CAF CAR ENr. FA FHA HLS HS ISOS JbAB JbADG JbAS JbHGL JbHVFL JbSGUF KA KDM KdS RHV SBKAM SAEF/AAKF SCA SPM ZA ZD ZAK ZAM Annuaire d’Archéologie Suisse Archäologische Bodenforschung des Kantons BaselStadt Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn Archéologie Fribourgeoise Archäologie im Kanton Zürich Archäologie im Kanton Bern Archeologia Medievale Archäologie Bern – Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern archäologie schweiz – archéologie suisse – archeologia svizzera Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde Annuaire de la Société Suisse de Préhistoire et d’Archéologie – Annuario della Società Svizzera di Preistoria e di Archeologia Bollettino Storico della Svizzera Italiana Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Cahiers d’Archéologie Fribourgeoise, Fribourg Cahiers d’Archéologie Romande, Lausanne Ereignisnummer Freiburger Archäologie Freiburger Hefte für Archäologie Historisches Lexikon der Schweiz Helvetia Sacra Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt Jahresbericht des Archäologischen Dienstes Graubünden und der Denkmalpflege Graubünden Jahrbuch der Archäologie Schweiz Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern (1983–2001); Historische Gesellschaft Luzern, Archäologie, Denkmalpflege, Geschichte (seit 2002) Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Urund Frühgeschichte Kantonsarchäologie Die Kunstdenkmäler des Kantons … Die Kunstdenkmäler der Schweiz Revue historique vaudoise Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters Service archéologique de l’Etat de Fribourg/Amt für Archäologie des Kantons Freiburg Service Cantonal d’Archéologie Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum Mittelalter – La Suisse du Paléolithique au Moyen-Age – La Svizzera dal Paleolitico al Medioevo Zürcher Archäologie Zürcher Denkmalpflege, Stadt Zürich, Bericht Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters AS et al. 2011 AS et al. (Hrsg.; 2011) Archäologie Schweiz AS/ Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit SAM/ Schweizerischer Burgenverein SBV (Hrsg.; 2011) SPM – Siedlungsbefunde und Fundkomplexe der Zeit zwischen 800 und 1350. Akten des Kolloquiums zur Mittelalterarchäologie in der Schweiz, Frauenfeld, 28.–29.10.2010. Basel. – Archéologie Suisse AS/Groupe de travail suisse pour l’archéologie du Moyen Âge et de l’époque moderne SAM/ Association suisse Châteaux forts SBV (éds.; 2011) SPM – Habitat et mobilier archéologiques de la période entre 800 et 1350. Actes du colloque «Archéologie du Moyen Âge en Suisse», Frauenfeld, 28.–29.10. 2010. Bâle. SPM VII Urs Niffeler (Projektleitung u. Red.), Reto Marti et al. (wissenschaftl. Leitung) SPM VII, Archäologie der Zeit von 800 bis 1350 – L’archéologie de la période entre 800 et 1350 – L’archeologia del periodo tra l’800 ed il 1350. Basel 2014. Kantone – Cantons – Cantoni AG AI AR BE BL BS FR GE GL GR JU LU NE NW OW SG SH SO SZ TG TI UR VD VS ZG ZH Aargau Appenzell Innerrhoden Appenzell Ausserrhoden Bern Basel-Landschaft Basel-Stadt Fribourg Genève Glarus Graubünden Jura Luzern Neuchâtel Nidwalden Obwalden St. Gallen Schaffhausen Solothurn Schwyz Thurgau Ticino Uri Vaud Valais Zug Zürich FL Fürstentum Liechtenstein 5 Plomben und Marken Rahel C. Ackermann und Benedikt Zäch Plomben, Marken und Zeichen aller Art sind monetiforme Objekte, die im weiteren Sinn zum Arbeitsgebiet der Numismatik gehören. Sie bilden eigenständige Gruppen von wissenschaftlichem Wert und eine wichtige Primärquelle mit hohem Potential für die Wirtschaftsgeschichte. In der Schweiz steht ihre Erforschung erst am Anfang. Durch die verstärkte Prospektionstätigkeit der letzten Jahre fallen sie in vielen Kantonen vermehrt an und werden auch als archäologisches Fundgut registriert. Plomben Sie dienen zum Markieren oder Verschliessen von Waren und werden von einer offiziellen Instanz angebracht. Wesentlich ist, dass sie so beprägt werden, dass man sie nicht öffnen oder entfernen kann, ohne sie zu beschädigen. Daher werden sie nur einmal verwendet und dokumentieren sowohl den Produktions- (oder Anbringungs-)Ort, allenfalls Zwischenstationen des Handelsweges, wo eine weitere Plombe angebracht oder die bereits angebrachte mit einem Gegenstempel markiert wurde (Abb. 1b), aber auch den Bestimmungsort einer Ware, wo sie entfernt und entsorgt wurde. In der Regel bestehen sie aus Blei; sie wurden nach Gebrauch gesammelt und wieder eingeschmolzen. Im Fundniederschlag lässt sich also nur ein geringer Anteil der einst umgelaufenen Exemplare fassen. Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit dominieren die Tuchplomben (Tuchmarken, Tuchsiegel), mit denen international verhandelte Stoffe gekennzeichnet wurden: Der Herkunftsort, allenfalls ein wichtiges Verteilzentrum (z. B. Nürnberg) sowie die Qualität des Tuches wurden so «codiert». Die Gestaltung ist heraldisch und sehr traditionell, nach stilistischen Kriterien lassen sie sich kaum datieren (Abb. 1). Ab dem 17./ 18. Jh. kommt eine breite Palette an Waren- (Mehl, Salz, Tabak o. ä.) und Zollplomben hinzu, ab der Mitte des 19. Jh. Transportplomben z. B. der Eisenbahngesellschaften. Durch Aufschriften, die Firmen nennen, lassen sie sich über die Firmengeschichte genauer chronologisch einordnen (Abb. 2). a b 0 1 cm c d Abb. 1. Tuchplomben. a Nördlingen D, 16./17. Jh.(?), FO Küssnacht SZ (publ. Obrecht/ Rösch 2017, 50f., Kat. 163); b Nördlingen D, 16./ 17. Jh.(?), beidseitig Gegenstempel: Hausmarke, FO Risch ZG (publ. Doswald 2009, 138, Taf. 13); c St. Gallen, 16./ 17. Jh.?, FO Hospental UR (publ. Auf der Maur et al. 2014, 195f., Kat. 71); d Freiburg FR, 15./ 16. Jh., FO Freiburg FR, Rue de Romont (FNr. FPL-RROM 1994/ 300 = SAEF Inv. 8146, unpubl.). M 3:2. Fotos Inventar der Fundmünzen der Schweiz (a.c); Amt für Denkmalpflege und Archäologie ZG (b); Amt für Archäologie FR (d). R. C. Ackermann/B. Zäch, Plomben und Marken 391  Abb. 2. Salzplombe. Wilhelmshall D, Königlich Württembergische Saline (1823– 1865), FO Rheinau ZH (FmZH, LNr. 5543, unpubl.). M 3:2. Foto Kantonsarchäologie Zürich/ Münzkabinett Winterthur. 0 1 cm Marken und Jetons Die ältesten Belege für die grosse Gruppe der Marken sind ein- oder zweiseitig gegossene Objekte aus Blei oder einer Blei-Zinn-Legierung. Sie stammen aus archäologischen Kontexten des 14./ 15. Jh. Geometrische und einfache bildliche Darstellungen sowie Buchstaben herrschen vor (Abb. 3). Sie werden bis weit in die Neuzeit hinein hergestellt. Ihre Verwendung ist unklar und wohl vielseitig: Im Ausland sind solche Objekte als Wert-, Erkennungs-, Tor- oder Kontrollmarken belegt.1 Ab dem 17. Jh. kommen runde, dreieckige und quadratische, einseitig gepunzte und gelochte Messing- und Bronzebleche 392  Abb. 3. Gussmarken. 14./15. Jh. (?), FO Burgdorf BE (publ. Beer et al. 1999, 254). Foto Archäologischer Dienst BE, Ph. Joner. auf, welche die Spediteure an Warenballen und Fässer hefteten, um den Transport zu kontrollieren (Abb. 4). Die ebenfalls einseitig gepunzten und gelochten Färbermarken des 19. Jh., die zur Identifikation an zu färbendem Stückgut angenäht wurden, sehen auf den ersten Blick ähnlich aus, bestehen aber aus dünnerem Blech (Abb. 5). Ab dem 16. Jh. und verstärkt ab dem 19. Jh. kommt eine breite Palette an geprägten Wertmarken auf, die gegen Waren oder Leistungen eingetauscht werden konnten: Wahl- und Abendmahlpfennige, Milch-, Brot-, Bier-, Kaffee-, Transportmarken bis hin zu den modernen Drogeriemarken sowie Telefon- und Parkjetons. Als Berechtigungsausweis und als Geldersatz spielten sie im Alltag eine wichtige Rolle. R. C. Ackermann/B. Zäch, Plomben und Marken Desiderata – Forschungslücken Kenntnis des Fundmaterials In den archäologischen Diensten liegen zahlreiche mittelalterliche und neuzeitliche Plomben und Marken aller Art, die nicht aufgearbeitet sind oder gar als «modern» ausgeschieden werden; erst in wenigen Kantonen werden solche Objekte regelhaft bearbeitet. Deren Dokumentation (Reinigung, Fotodokumentation, Katalog) und das Zugänglichmachen der anfallenden Informationen (z. B. online-Dossiers) sind die Grundlage für genauere Bestimmungen, eine Zusammenschau des Materials und regionale/ überregionale sowie internationale Vergleiche. Die steinernen Formen zur Produktion der Gussmarken sind erst in wenigen Fällen als solche erkannt und in den Zusammenhang mit den Marken gebracht (Abb. 6). Sie können jedoch wichtige Hinweise zu Produktionsstandorten und zur Datierung liefern. Darüber hinaus gibt es Archivbestände in der Schweiz, die aufgearbeitet und ausgewertet werden sollten; sie liefern wertvolle Informationen zur Produktion und Verwendung von Plomben und Marken. Archäologie – datierende Kontexte Der Grossteil der bisher erschlossenen Plomben und Marken stammt aus Prospektionen, nur eine Minderheit aus Hausuntersuchungen und archäologischen Grabungen. Viele der Objekte sind nicht aus sich selbst heraus datierbar. Wir sind daher auf Stücke aus geschlossenen, datierbaren archäologischen Kontexten angewiesen, um die Objektgruppen besser fassen und chronologisch einordnen zu können (exemplarisch durchgeführt für den Dorfbrand Stans2 und den Stadtbrand Willisau3). 0 1 cm Abb. 4. Transportmarke/Etikett. Dat. vor 1713, FO Stans NW (publ. Obrecht et al. 2011, 117, Kat. 241, Taf. 21). M 3:2. Foto J. Obrecht, Füllinsdorf. 0 1 cm Abb. 5. Färbermarke. 19. Jh., FO Rheinau ZH (publ. Ackermann/Zäch 2016, 78, Abb. 3). M 3:2. Foto Kantonsarchäologie Zürich/ Münzkabinett Winterthur. Rahel C. Ackermann Inventar der Fundmünzen der Schweiz Hirschengraben 11 3001 Bern rahel.ackermann@fundmuenzen.ch ORCID 0000-0002-2927–7471 Benedikt Zäch Münzkabinett und Antikensammlung der Stadt Winterthur Villa Bühler Lindstrasse 8 8400 Winterthur benedikt.zaech@win.ch ORCID 0000-0001-6377-0238 Abb. 6. Gussformen zur Produktion von Gussmarken. Spätes 14./frühes 15. Jh., FO Bern-Burg Nydegg (publ. Beer et al. 1999, 251). Foto Archäologischer Dienst BE, Ph. Joner. R. C. Ackermann/B. Zäch, Plomben und Marken 393 Anmerkungen Bibliografie 1 Ackermann, R. C./ Zäch, B. (2016) Plomben, Marken und Zeichen. Forschungsberichte zur Schweizer Numismatik IV. Schweizer Münzblätter 66, 67–79. Beer, E. J./ Gramaccini, N./ Gutscher-Schmid, Ch. et al. (Hrsg.; 1999) Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt. Bern. Auf der Maur, Ch./ Diaz Tabernero, J./ Meier Mohamed, G. (2014) Archäologische Spuren einer Kulturlandschaft. Zur Nutzung und Begehung des Urserntals bei Hospental seit dem Mittelalter. Historisches Neujahrsblatt Uri 103, 125–197 (bes. J. Diaz Tabernero zu den Münzen, 162–168 [Kommentar] und 191–197 [Katalog]). Doswald, S. (2009) Kanton Zug II. Inventar der Fundmünzen der Schweiz 9. Bern. Eggenberger, P. (2005) Willisau im Spiegel der Archäologie. Archäologische Schriften Luzern 5. Luzern. Obrecht, J./ Rösch, Ch. (2017) Die Ausgrabungen auf der Unteren Burg in Küssnacht SZ. Mittelalter – Moyen Age – Medioevo – Temp medieval 22, 1, 1–52. Obrecht, J./ Springer, A./ Weber, E. (2011) Stans NW vor dem Dorfbrand von 1713. Antiqua 43. Basel. Van Laere, R. (2017) Loden penningen en aanverwante objecten opgegraven in de verdronken weide te Ieper (14de eeuw). Revue Belge de Numismatique 163, 269–364. 2 3 394 s. zuletzt die Vorlage von über 300 solcher Objekte aus Ieper, Belgien, dat. 14. Jh.: Van Laere 2017. Obrecht et al. 2011, 118, Kat. 256–258 (Gussmarke und Plomben, dat. vor 1713). Eggenberger 2005, 397–398, Kat. 811 (Tuchplombe Augsburg, dat. vor 1704) und 814 (Warenmarken, dat. Brand und Wiederaufbau von 1714). R. C. Ackermann/B. Zäch, Plomben und Marken