Ausgrabungen in Vindonissa im Jahr 2010
Jürgen Trumm
Mit Beiträgen von Georg Matter und Beat Wigger
Im Berichtjahr 2010 lag der Schwerpunkt der archäologischen Feldarbeit einmal mehr auf dem Gebiet der
Zivilsiedlung Vindonissa ausserhalb des römischen Legionslagers (Abb. 1, 2 und 18). Der archäologische Gesamtplan von Windisch ist hier in den letzten Jahren beständig erweitert worden. Dies kann aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass in diesen Arealen gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr viel archäologische
Substanz unbeobachtet der modernen Überbauung zum
Opfer fiel.
Im Legionslager selbst blieb es demgegenüber für einmal recht ruhig, was sich u.a. mit einer geringeren Anzahl an eingegangenen und behandelten Baugesuchen
erklären lässt (Abb. 3). Die archäologische Begleitung
der Um- und Ausbaumassnahmen im Bereich der heutigen Zürcherstrasse führte zur erneuten Beobachtung eines Spitzgrabens, der dem bekannten Doppelspitzgraben
der 13. und 21. Legion an der Westfront des Legionslagers vorgelagert war (Meldung Nr. 2). Eine flächenmässig
begrenzte, stratigrafisch komplexe Grabung südlich der
römischen Lagerhauptstrasse (via principalis) ergab einen
weiteren Aufschluss im Bereich der spätkeltischen Befestigung, die unsere Kenntnis vom Verlauf des «Keltengrabens» und der zugehörigen Pfostenschlitzmauer weiter
ergänzt (Meldung Nr. 4).
Unmittelbar südlich des Legionslagers wird ein Überbauungsprojekt zwischen Zürcherstrasse und Gemeindehaus Windisch ab Sommer 2011 eine weitere Grossgrabung auslösen, so dass im Bereich der noch weitgehend
unbekannten südlichen Zivilsiedlung etwa 3500 m2 auszugraben sein werden. Für die Ausarbeitung des Projektplans inklusive Zeit- und Finanzbudget wurde deshalb im künftigen Grabungsperimeter eine Sondierung
durchgeführt, welche die Beobachtungen der letzten Jahre ergänzt (Meldung Nr. 5).
Über die südliche Grenze des antiken Vindonissa hinaus führte die überraschende, weil dort nicht erwartete, Entdeckung eines römischen Steinkellers im «Breitacher» (Meldung Nr. 6). Noch ist offen, zu welcher Art
von Siedlung dieser Keller, 650 m südlich des Südtors des
Legionslagers gelegen, gehörte: Villa oder mansio?
Im Bereich unmittelbar vor dem Westtor des Legionslagers (porta principalis dextra) wurde – erstmals in Vindonissa – eine grossflächige und systematische geophysikalische Prospektion durchgeführt. Sie ergab in diesem
noch weitgehend unbekannten Areal innerhalb des Parks
von Königsfelden überraschende Erkenntnisse und warf
neue Fragen zur antiken Siedlungsstruktur und zum römischen Strassensystem auf (Meldung Nr. 8). Mit Unterstützung der «Vindonissa-Professur» an der UniversiJber. GPV 2010, 79–96
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tät Basel soll diese Prospektion 2011 in einem grösseren
Bereich fortgeführt werden. Unmittelbar westlich davon
zeigte eine Sondierung, dass das Areal nahe der Zürcherstrasse im 19. Jahrhundert offenbar grossflächig umgestaltet und die römischen Befunde dabei weitgehend zerstört wurden (Meldung Nr. 9).
Die 2009 begonnene Grossgrabung im Bereich des sog.
Forums nahe der Südwestecke des Legionslagers konnte
planmässig fortgesetzt werden (Meldung Nr. 10). Dank
grosser Arbeitsleistung von Beat Wigger, Hermann Huber, Philipp Tröster und dem Grabungsteam konnten
mehrere Tausend Quadratmeter im Innenhof des riesigen Rechteckbaus flächig untersucht werden (Abb. 4).
Während sich der seit 1902 bekannte Steinbau-Grundriss weitgehend bestätigen liess, kamen im 120 × 105 m
grossen, gekiesten Innenhof komplexe Befunde älterer Holzbauten zum Vorschein. Deren Interpretation
(Speicherbauten?) bleibt ebenso zu diskutieren wie die
Zweckbestimmung des steinernen Rechteckbaus.
Dessen bisherige Bezeichnung als «Forum» ist insofern
schon deshalb nicht zutreffend, da ein römisches Forum
als komplexer Bau für Verwaltung, Rechtssprechung, Religion und Handel stets auch den Status einer Stadt (colonia oder municipium) erforderte. Das antike Vindonissa gelangte aber nie über die Rechtsstellung eines vicus bzw.
der canabae legionis hinaus. In den römischen Nordwestprovinzen sind nun aber bei mehreren Legionslagern solche grossen Rechteckbauten vor den Lagermauern bekannt, oftmals in Kombination mit einem nahegelegenen
Amphitheater. Daher ist die Frage zu diskutieren, ob solchen Bauten in der Bauplanung römischer castra eine bestimmte, klar umrissene Funktion zukam.
In einem «Gespräch am Runden Tisch» anlässlich der
Jahresversammlung der GPV wurden deshalb alternative
Begriffe (campus, ludus, quadriporticus, palaestra) in die Diskussion gebracht. Die weiteren Grabungen werden das
Rätsel «Forum von Vindonissa» vielleicht der Lösung näher bringen.
Weiter gearbeitet wurde auch am Amphitheater, wo Georg Matter die seit 2006 laufenden Restaurierungs- und
Sanierungsarbeiten fortführte (Meldung Nr. 11). Zum
Abschluss dieser umfassenden Erhaltungsmassnahmen
erschien im Frühsommer 2011 eine Publikation in der
Kunstführer-Reihe der Schweizerischen Gesellschaft für
Kunstgeschichte (GSK).
Neben der genannten geophysikalischen Untersuchung
im Park von Königsfelden wurde erstmals in Vindonissa
auch eine Tauchprospektion in der Reuss durchgeführt
(Meldung Nr. 12). Zusammen mit einer grossflächigen
Baubegleitung in Unterwindisch (Meldung Nr. 13) führ79
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Aare
13
Schutthügel
1
Reuss
9
4
12
7
8
3
2
5
10
Amphitheater
11
14
15
R öm
isch
eW
ass
erle
itun
gen
6
römische Strassen (gesichert/vermutet)
0
Gräber, Gräberfeld
Ausgrabungen 2010
100
200 m
archäologische Detailpläne
Abb. 1: Archäologischer Gesamtplan von Vindonissa mit Legionslager (Bauzustand im späten 1. Jh.n.Chr.), umgebender Zivilsiedlung, Strassen, Wasserleitungen
und Gräbern des 1.–7. Jh. Die Zahlen bezeichnen die Grabungsmeldungen 2010 in diesem Bericht (Plan 1:8000).
80
102230_JB_2010.indb 80
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Nr. Lage
Befunde
Funde
Datierung
Einsatzart
Kürzel
1 Legionslager
Schwelle des Nordtors
–
1. Jh.
Schadensdokumentation
V.010.2
2 Legionslager
Westliche Lagerumwehrung
Gefässkeramik, Baukeramik, Bronze, 1. Jh.
Eisen, Tierknochen, Sedimentproben
Baubegleitung
(2. Etappe)
V.009.15
3 Legionslager
Kulturschicht
Gefässkeramik, Menschenknochen
Neuzeit
Baubegleitung
V.010.8
4 Spätkeltische Siedlung / Befestigung, Holz- und Steinbauten
Legionslager
Gefässkeramik, Baukeramik, Wandverputz, Bronze, Eisen, Münze,
Tierknochen
1. Jh.v.Chr.
1.–4. Jh.
Baubegleitung /
Ausgrabung
V.010.9
5 Zivilsiedlung Süd
Kulturschichten
Gefässkeramik, Baukeramik, Eisen
1. Jh.
Neuzeit
Sondierung
V.010.12
6 Zivilsiedlung Süd
Mauern (Steinkeller)
Gefässkeramik, Baukeramik,
Bronzefibel, Eisen, Mörtelproben,
Tierknochen
1. Jh.
Neuzeit
Baubegleitung /
Ausgrabung
V.010.6
7 Zivilsiedlung West
Kulturschicht
–
Neuzeit
Baubegleitung
V.010.3
8 Zivilsiedlung West
Gruben, Gräbchen, Mauern, Strassen
–
Römisch
Mittelalter
Neuzeit
Geophysikalische
Prospektion
V.010.13
9 Zivilsiedlung West
Planieschichten
–
Neuzeit
Baubegleitung
V.010.14
10 Zivilsiedlung West
(sog. Forum)
Mauern, Traufwasserkanal, Holzbauten,
Kulturschichten
Umfangreiches Fundspektrum,
Proben für naturwissenschaftliche
Untersuchungen
1.–4. Jh.
Baubegleitung /
Ausgrabung
(2. Etappe)
V.009.14
V.009.18
11 Zivilsiedlung West
(Amphitheater)
Mauern, Bauschichten, Pfostenlöcher
Gefässkeramik, Baukeramik
1.–2. Jh.
Neuzeit
Sanierungsarbeiten
(5. Etappe)
V.006.13
12 Zivilsiedlung Ost
Uferverbauung
Baukeramik,
Architekturteil
Neuzeit
Tauch-Prospektion V.010.1
13 Zivilsiedlung Ost
Kulturschichten
Geologische Schichten
Baukeramik
1.–4. Jh.
Baubegleitung
V.010.4
14 Wasserleitung
Wasser führende Leitung
Holz- und Steinbauten
Gefässkeramik, Baukeramik, Bronze, 1. Jh. (?)
Eisen, Mörtelproben, Tierknochen
Baubegleitung
V.010.7
15 Wasserleitung
Wasser führende Leitung
Mörtelproben
1. Jh. (?)
Sondierung
V.010.5
- Windisch-Buchenweg
Negativbefund
–
–
Baubegleitung
V.010.10
- Windisch-Bachstrasse
Negativbefund
–
–
Baubegleitung
V.010.11
Abb. 2: Übersicht der Ausgrabungen und archäologischen Negativbefunde im Jahr 2010.
nigt und archivfertig abgelegt. Parallel dazu wurden die
zugehörigen Datensätze in der neu implementierten
EDV-Datenbank ARIS II/IMDAS PRO bereinigt und
definitiven Grabungsnamen zugewiesen. Damit sind nun
beispielsweise auch die grossen Grabungen im Lagerzen-
70
Behandelte Baugesuche
davon ohne Auflagen von Seiten
Kantonsarchäologie
60
Anzahl Grabungen
50
40
Anzahl
te sie zum Ergebnis, dass wir in und unmittelbar neben
der Reuss offenbar nicht mehr mit römischen Befunden
zu rechnen haben.
Weiterhin beschäftigte uns einmal mehr die intakte römische Wasserleitung von Vindonissa (Meldungen Nr. 14–
15). Hier ist es bei eingehenden Baugesuchen seit Jahren das Bestreben der Kantonsarchäologie Aargau, den
substanziellen und funktionalen Erhalt dieses einzigartigen Technikdokumentes nördlich der Alpen trotz fortschreitender Überbauung zu sichern. Diesem Ziel dient
ein 2010 angelaufenes Projekt zur Bestandesaufnahme
und Sicherung der römischen Wasserleitung auf dem Gebiet der Gemeinden Hausen und Windisch. Die Arbeit
an diesem Projekt soll langfristig gewährleisten, dass der
Brunnen vor dem Hauptgebäude der Klinik Königsfelden weiterhin mit «römischem» Wasser gespeist wird –
genauso wie die Fontana di Trevi in Rom, die ihr Wasser noch heute aus dem antiken Aquädukt der Aqua Virgo
bezieht (Abb. 5).
Parallel zu den laufenden Feldarbeiten wurde die im
Herbst 2008 begonnene Erschliessung der älteren Grabungsdokumentationen im Archiv der Kantonsarchäologie Aargau fortgesetzt. Der Berichterstatter hat zusammen mit Daniel Berger mittlerweile mehr als 140
Grabungsdossiers aus dem Zeitraum 1900–1985 berei-
30
20
10
0
2006
2007
2008
2009
2010
Jahre
Abb. 3: Kennzahlen zur Basisarbeit der Kantonsarchäologie Aargau auf dem
Gemeindegebiet von Windisch im Zeitraum 2006–2010.
81
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24.08.11 15:45
Abb. 4: Der besondere Fund vom «Forum»: Eiserner Fingerring mit geschnittenem Schmuckstein (Gemme) aus Karneol. Die Darstellung zeigt
einen jugendlichen Krieger – möglicherweise Achill – beim Betrachten seines
Helms. Kantonsarchäologie Aargau, Inv.-Nr.V.009.18/311.1.
a
trum erschlossen, die Christoph Simonett in den Jahren 1935–1940 mit Hilfe des Freiwilligen Arbeitsdienstes
durchführte (Abb. 6).
Das Projekt «Windisch-Zentralgebäude» (Projektleitung:
Simone Benguerel) konnte mit Erscheinen der Publikation «Zum Lagerausbau im Nordwesten von Vindonissa»
als Band 21 der Reihe «Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa» erfolgreich abgeschlossen werden.
Auch das Auswertungs- und Publikationsprojekt «via et
porta praetoria» zu den Steinbauten im Süden des Legionslagers wurde 2010 mit Unterstützung des Kantons
Aargau und des Schweizerischen Nationalfonds SNF
fortgeführt, die Manuskripte hierzu sind weitgehend abgeschlossen (Projektleitung: Jürgen Trumm).
Einmal mehr bedanke ich mich abschliessend bei allen
Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie und der Grabungsequipen für die geleistete Arbeit in und für Vindonissa.
b
Abb. 5: a) Brunnen vor der Klinik Königsfelden, b) Fontana di Trevi in
Rom. Beide Brunnen werden bis heute von intakten antiken Wasserleitungen versorgt.
82
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Abb. 6: Windisch 1935, Gruppenbild der Grabungsarbeiter des Freiwilligen Arbeitsdienstes.Vorne rechts, als einzige weibliche Teilnehmerin, Elisabeth Ettlinger,
die später die beste Kennerin Vindonissas wurde. Die zeitgenössische Grabungsdokumentation ist nun unter dem Grabungsnamen «Windisch-Breite (Valetudinarium) 1935–1936 (V.35.1)» im Archiv der Kantonsarchäologie Aargau zusammengefasst und abgelegt.
Legionslager
1.Windisch-Nordtor 2010 (V.010.2)
2.Windisch-Zürcherstrasse 2009–2011 (V.009.15)
Schlüsselwörter: Legionslager, Lagerumwehrung, Nordtor
Lage: Nordtor des Legionslagers
Koordinaten: 658 885/259 440
Anlass: Schadensdokumentation
Verantwortlich: Riccardo Bellettati, Jürgen Trumm
Literatur: Jber. GPV 1994, 39–48
Schlüsselwörter: Legionslager, westliche Lagerumwehrung,
Spitzgraben
Lage: An der südwestlichen Umwehrung des Legionslagers
Koordinaten: 658 595/259 005
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Hermann Huber, Jürgen Trumm
Literatur: Jber. GPV 2009, 129f.
An verschiedenen Stationen des Publikumsprojekts «Legionärspfad» wurden neue Steuergeräte im Boden verlegt, um die tragbaren Audioguides besser auslösen zu
können. Unklare Kommunikation der dortigen Betriebsleitung führte dazu, dass bei Baggerarbeiten am
Nordtor des Legionslagers die bis dahin original erhaltene Schwelle des westlichen Torturms teilweise zerstört
wurde. Der entstandene Schaden am 1905–1907 ausgegrabenen und 1907 bzw. 1994 restaurierten Befund
wurde im März 2010 von der Kantonsarchäologie mit
Zeichnung und Foto dokumentiert. Die Fehlstelle im
Bereich des zerstörten mittleren Schwellensteins wurde
anschliessend mit Zement geschlossen, um die moderne Ausflickung deutlich von der originalen Bausubstanz
abzusetzen.
Im Zuge des Aus- und Umbaus der Fachhochschule
Nordwestschweiz kommt es auch zur Neugestaltung des
Verkehrsregimes im Bereich der stark befahrenen Zürcherstrasse mit dem Neubau dreier Verkehrskreisel. Parallel dazu werden die Werkleitungen erneuert und die
Fahrbahnen verbreitert. Die Erdarbeiten wurden von der
Kantonsarchäologie ganzjährig begleitet. Von besonderer
Bedeutung ist ein archäologischer Aufschluss am Südrand
des Parks von Königsfelden. Hier wurde im März 2010
im neuen Leitungsgraben ein Nord-Süd-verlaufender,
etwa 4 m breiter und 3 m tiefer Spitzgraben angeschnitten. Im Profil zeigte sich, dass die westliche, also «feindseitige» Grabenwand annähernd senkrecht abgestochen
war, während die östliche, «lagerseitige» Grabenwand ei83
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4.Windisch-Dorfstrasse 2010–2011 (V.010.9)
Schlüsselwörter: Spätkeltische Siedlung, Pfostenschlitzmauer,
Legionslager
Lage: Im Bereich der spätkeltischen Siedlung («oppidum») und
im östlichen Zentrum des römischen Legionslagers
Koordinaten: 659 100/259 175
Anlass: Baubegleitung/Ausgrabung
Verantwortlich: Riccardo Bellettati, Fabio Tortoli, Jürgen Trumm
Literatur: Th. Pauli-Gabi, Ausgrabungen im Gebiet der spätlatènezeitlichen Befestigung von Vindonissa. Ein Vorbericht
zu den Ergebnissen der Grabung Römerblick 2002–2004
(V.002.11). Jber. GPV 2004, 13–39
Abb. 7: Windisch-Zürcherstrasse (V.009.15). Blick von Süden auf den einfachen, quer zu seinem Verlauf geschnittenen Spitzgraben vor der Westfront
des Legionslagers. Im Hintergrund der Park von Königsfelden.
ne Neigung von ca. 45 Grad aufwies (Abb. 7). Hinweise
auf Annäherungshindernisse vor dem Graben oder eine
zugehörige Holz-Erde-Befestigung hinter dem Graben
gab es nicht. Die in der Grabenverfüllung geborgenen
Funde legen nahe, dass der Spitzgraben spätestens in neronisch-vespasianischer Zeit verfüllt und mit einer Kiesplanie überdeckt wurde.
Bei diesem Spitzgraben vor der Südwestecke des Legionslagers handelt es sich um einen altbekannten Befund,
der bereits 1917, 1967, 1975 und 1986/87 angeschnitten
wurde. Der einfache Spitzgraben verläuft dabei ca. 15 m
westlich des Doppelspitzgrabens der 13. und 21. Legion und dürfte zum ursprünglichen Verteidigungskonzept
mit dahinterliegender Holz-Erde-Mauer gehört haben.
Dieser «Vorgraben» wurde offenbar aufgegeben, als die
11. Legion nach 71 n.Chr. rund um das Lager eine Steinmauer errichtete und sich wohl deshalb mit einem einfachen Spitzgraben begnügen konnte.
3.Windisch-Königsfelden (westlich Klosterscheune)
2010 (V.010.8)
Schlüsselwörter: Kloster Königsfelden, Legionslager, via principalis
Lage: Im westlichen Lagerzentrum
Koordinaten: 658 770/259 110
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Riccardo Bellettati, Jürgen Trumm
Literatur: –
Im ehemaligen Klosterareal Königsfelden, zwischen
Frauenkloster-Osttrakt und Klosterscheune, wurde Ende
Mai 2010 ein 19 m langer, 0,5 m breiter und 0,5 m tiefer
Graben für eine Stromleitung ausgehoben. Der Grabenaushub tangierte lediglich den Humus sowie die Rückverfüllung eines älteren Leitungsgrabens, die wenige neuzeitliche, mittelalterliche und römische Funde enthielt.
Intakte archäologische Befunde in diesem Bereich der
lagerzeitlichen via principalis wurden nicht angeschnitten.
Das alte Bauernhaus an der Dorfstrasse 26 in Windisch wird 2010/2011 umfassend saniert und mit einem Carport versehen. Im Zuge dieser Baumassnahmen
kommt es auch zum Neuanschluss der Kanalisation und
zu weiteren kleineren Bodeneingriffen, die archäologisch
begleitet werden. Bezogen auf das steinerne Legionslager
des 1. Jahrhunderts liegt die Grabungsstelle unmittelbar
südlich der via principalis, in einem bislang wenig bekannten Bereich östlich der Prätoriums-Basilika. Bezogen auf
die spätkeltische Zeit liegt die Grabungsstelle unmittelbar
beim Holz-Erde-Wall des keltischen «Oppidums», östlich
des sog. Keltengrabens. In einer vorgezogenen Grabung
wurde eine ca. 14 m2 grosse Fläche weitgehend von Hand
bis auf die projektierte Baugrubensohle abgetieft, wobei
der anstehende Boden nur stellenweise erreicht wurde.
Eine komplexe, teils bis zu 2 m mächtige Stratigrafie entspricht den bekannten Verhältnissen im Lagerzentrum.
Unter den vorerst nicht weiter interpretierbaren Befunden der römischen Stein- und Holzbauphasen wurden
die untersten erhaltenen Reste der spätkeltischen Befestigung erfasst, nämlich Tuffquader der Pfostenschlitzmauer und eine mehrphasige Kiesschüttung der vorgelagerten Berme (Abb. 8). Absolute Höhe, Lage und Verlauf der
keltischen Befunde lassen sich gut mit den Resultaten
korrelieren, die in der Grabung Windisch-Römerblick
2002–2004 (V.002.11) unmittelbar nördlich der aktuellen Grabungsstelle erzielt wurden. Damit bestätigt sich
die These, wonach der Zugang zur befestigten keltischen
Siedlung, also das Tor innerhalb der Pfostenschlitzmauer,
unmittelbar unter der heutigen Dorfstrasse liegen dürfte. Demnach verläuft die heutige Windischer Dorfstrasse
in diesem Bereich seit mehr als 2000 Jahren auf ein und
demselben Trassee.
Zivilsiedlung Süd
5.Windisch-Dorfzentrum 2010 (V.010.12)
Schlüsselwörter: Zivilsiedlung Süd, canabae legionis, Kulturschichten
Lage: Etwa 80 m südlich der Südwestfront des Legionslagers
Koordinaten: 658 645/258 895
Anlass: Sondierung
Verantwortlich: Hermann Huber, Jürgen Trumm
Literatur: Jber. GPV 2006, 90
84
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24.08.11 15:45
Abb. 8: Windisch-Dorfstrasse (V.010.9). Blick von Südosten auf die kleine
Grabungsfläche. Ganz unten erkennt man in Planum und Profil die kiesige
Berme, welche das spätkeltische Gehniveau anzeigt.
Im bislang nur locker überbauten Areal zwischen Zürcherstrasse und Gemeindehaus Windisch ist eine neue
Grossüberbauung mit gemeinsamer Tiefgarage (Projektname: «Dorfzentrum Windisch») geplant. Das betroffene Areal liegt im Bereich der römischen Zivilsiedlung
unmittelbar vor der Südwestfront des Legionslagers. Der
archäologische Kenntnisstand für dieses Gebiet östlich
des sog. Forums ist bislang unzureichend, grössere Grabungen haben hier noch nicht stattgefunden. Um Aufschlüsse zur archäologischen Situation zu erhalten, waren bereits 2006 zwei Sondierschnitte angelegt worden.
Sie ergaben unter einer durchschnittlich etwa 0,8 m
mächtigen modernen Überdeckung zwei diffuse römische Kulturschichten von max. etwa 1 m Gesamtstärke
(Ausgrabung Windisch-Dorfzentrum 2006 [V.006.5]).
Römische Baubefunde wurden damals nicht angetroffen. Zur Abrundung der Planungsgrundlagen wurde im
Herbst 2010, nach Einreichung des Baugesuchs, ein weiterer Sondierschnitt im Garten des Hauses Hauserstrasse
5 abgetieft. Unter einer 1 m starken modernen Humuszone bzw. Aufschüttung – das Areal wurde im 20. Jahrhundert u.a. als Gärtnerei genutzt – folgten kiesig-lehmige Kulturschichten mit wenigen römischen Funden
des 1. Jahrhunderts, darunter dann der anstehende lehmige Silt. Klare römische Steinbau- oder Holzbaubefunde waren auch in diesem Sondierschnitt nicht erkennbar.
Möglicherweise liegen die drei Sondierschnitte in einem
Areal, das in römischer Zeit nur extensiv genutzt wurde. Eindeutige Aussagen zur antiken Besiedlung vor der
Südwestecke des römischen Legionslagers können demnach erst im Zuge der Grossgrabung gemacht werden,
mit deren Beginn ab Juni 2011 zu rechnen ist.
6.Windisch-Breitacker 2010 (V.010.6)
Schlüsselwörter: Südfriedhof, Steinkeller, römische Einzelsiedlung
Lage: Östlich des römischen Südfriedhofes, etwa 650 m südlich
des Legionslagers
Abb. 9:Windisch-Breitacker (V.010.6). Blick von Südwesten auf den Steinkeller, dessen östlicher Teil unter der heutigen Mülligerstrasse liegt. Gut erkennbar sind die ausgeraubten Mauerschalen, die stark schutthaltige Verfüllung und die Kiesstreifen im Kellerboden.
Koordinaten: 659 295/258 430
Anlass: Baubegleitung/Ausgrabung
Verantwortlich: Hermann Huber, Jürgen Trumm
Literatur: D. Hintermann, Der Südfriedhof von Vindonissa.
Veröff. GPV 17 (Brugg 2000) | Jber. GPV 2009, 141
Auf zwei bislang nicht überbauten Parzellen im Süden
der Gemarkung Windisch ist eine Grossüberbauung mit
unterkellerten Wohnblöcken geplant. Das Areal liegt unmittelbar östlich des bekannten Südfriedhofs von Vindonissa, der 2000 von Dorothea Hintermann umfassend
analysiert wurde. Weder die Begleitung von Baugrunduntersuchungen 2009 noch vorgängige Baggersondierungen 2010 erbrachten weitere römische Brand- oder
Körpergräber. Funde, die auf verpflügte oder zerstörte
Bestattungen deuten könnten, fehlten ebenso wie klare
Hinweise auf die gesuchte, Nord-Süd-verlaufende Fernstrasse, die weiter zum Südtor des Legionslagers geführt
haben muss. Mit diesem negativen Befund lässt sich die
östliche Grenze des römischen Gräberfelds wohl näher
eingrenzen.
Überraschenderweise kam in der südöstlichen Ecke der
Parzelle Nr. 236, im Winkel zwischen Mülligerstrasse und
85
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24.08.11 15:45
Aumattstrasse, ein römischer Steinkeller zum Vorschein,
dessen östlicher Abschluss ausserhalb der Grabungsfläche
lag (Abb. 9). Der Steinkeller wies in Nord-Süd-Richtung eine lichte Weite von 6 m auf, in West-Ost-Richtung betrug sie mind. 4,5 m. Die ehemalige Zugangssituation, d.h. eine Kellertreppe, wurde nicht erfasst, sie
lag wohl im nicht ausgegrabenen Ostteil. Kellernischen
oder Lichtschächte waren nicht vorhanden, wobei zu
bedenken ist, dass grössere Abschnitte der gemauerten
Kellerwände bereits in römischer Zeit ausgerissen wurden. Der Kellerboden war nicht massiv ausgestaltet, sondern bestand aus kiesigem Lehm, also dem Material der
anstehenden Niederterrasse. Deutlich wahrnehmbare
Unterschiede in der Matrix und im Verschmutzungsgrad
des kiesigen Kellerbodens lassen auf nicht begangene, also möglicherweise durch Holzgestelle o.ä. überdeckte
Kellerbereiche schliessen. Zwei ziegelgesetzte Feuerstellen im südlichen Kellerbereich zeugen von einer letzten
Nutzungsphase vor endgültiger Auflassung des darüber
liegenden Gebäudes und der wohl zeitgleich erfolgten
Aufgabe des Steinkellers. Der Keller wurde mit bauschutthaltigem Material verfüllt, das recht viel Keramik
und Tierknochen umfasst. Die zumeist grossteilig zerscherbte Keramik datiert recht einheitlich in das mittlere Drittel des 3. Jh. n.Chr. Offen bleibt, zu welcher Art
von Siedlung dieser Steinkeller gehörte, da in der Umgebung bislang keine römischen Siedlungsbefunde beobachtet wurden. Lag in diesem Areal, ca. 650 m südlich
des Südtors des Legionslagers, das Wohngebäude einer
villa rustica? Oder handelt es sich um eine Strassenstation
(mansio), dessen Lage an einer postulierten Ausfallstrasse
an einen Steinkeller südwestlich des Legionslagers erinnert, der bereits im Jahr 1960 nahe des Amphitheaters
freigelegt wurde (Grabung Windisch-Kestenbergstrasse
1960 [V.60.4])?
sen Erdarbeiten keine intakten archäologischen Befunde
angeschnitten wurden. Es fand sich lediglich eine moderne Bauschuttplanie mit römischem Ziegelbruch, die
ehemals als Unterbau für einen gekiesten Platz gedient
hat, der auf zeitgenössischen Bauplänen der 1868–1872
errichteten Klinik Königsfelden erscheint. Römische
Funde wurden, auch trotz Einsatz eines Metalldetektors,
nicht gemacht.
8.Windisch-Königsfelden (Geophysik) 2010
(V.010.13)
Schlüsselwörter: Geophysikalische Prospektion, westliche Zivilsiedlung, canabae legionis, Strasse, Spitzgraben
Lage: Im Park von Königsfelden, Areal westlich vor dem Legionslager
Koordinaten: 658 540/259 100
Anlass: Geophysikalische Prospektion
Verantwortlich: Riccardo Bellettati, Christian Hübner, Jürgen
Trumm
Literatur: –
Das weitläufige Areal unmittelbar westlich vor dem römischen Legionslager ist bis heute nur locker überbaut
und wird seit 1872 als Park der Klinik Königsfelden genutzt.Von der hier zu vermutenden römischen Zivilsiedlung (canabae legionis) ist archäologisch bislang nur wenig
bekannt.
Um erstmals grossräumig Kenntnis von allfälligen antiken Bebauungsstrukturen zu gewinnen, wurde im Herbst
2010 in einem etwa 1,2 ha grossen, grösstenteils als Wiese
genutzten Areal eine geophysikalische Testmessung angesetzt. Diese sollte zunächst zeigen, ob sich entsprechende
Prospektionsmethoden in diesem Bereich des römischen
Vindonissa überhaupt lohnen. Die viertägigen Messungen
mit einer Kombination aus Geomagnetik und Bodenra-
Zivilsiedlung West
7.Windisch-Königsfelden (Park) 2010 (V.010.3)
Schlüsselwörter:Westliche Zivilsiedlung, Kulturschicht
Lage: Im Park von Königsfelden, unmittelbar vor dem Westtor
des Legionslagers
Koordinaten: 658 575/259 070
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Riccardo Bellettati, Jürgen Trumm
Literatur: A. Knecht, Königsfelden im Wandel der Zeiten
(Brugg 2008)
Im November 2009 wurde im «englischen» Teil des Parks
von Königsfelden eine etwa kreisrunde Fläche von ca.
18 m Durchmesser abhumusiert, da die Gärtnerei der
Klinik Königsfelden hier einen gekiesten Platz nach alten Plänen wieder herstellen will. Aus diesem Grund
wurde die Rasenoberfläche bis in eine Tiefe von etwa
40 cm unter Grasnarbe maschinell abgetragen. Bezogen
auf die römische Situation liegt die Stelle etwa 60 m südwestlich vor dem Westtor des Legionslagers. Eine Überprüfung der Situation im März 2010 ergab, dass bei die-
Abb. 10: Windisch-Königsfelden (Geophysik) (V.010.13). Vereinfachter
Gesamtplan Geomagnetik. Deutlich erkennbar ist der römische Spitzgraben vor der Westfront sowie zwei parallel verlaufende, lineare Anomalien, die
zum Westtor ziehen: Gräben einer Ausfallstrasse?
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«Forum»
Hauserstrasse
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Zürcherstr
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Gesicherte Befunde, römisch-neuzeitlich:
Spitzgräben
Grabungsflächen
Gräber
Gräbchen, Mauer
Strassenkies
Geophysikalische Strukturen, römisch-neuzeitlich:
Grabenstruktur
Untersuchte Fläche
Flächige Anomalien
Lineare Anomalien
Altgrabungen und moderne Störungen
Strassenkies
Ergänzungen
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dar wurden von der Firma GGH (Freiburg im Breisgau)
durchgeführt und erbrachten eine Fülle neuer Informationen. Im Zuge der Prospektion konnten über 70 Strukturen festgestellt werden, deren archäologische Interpretation jedoch nicht in allen Fällen gelingt (Abb. 10). Als
wichtigste Befunde sind zu nennen:
– Eine lineare Struktur, die in gerader Richtung auf einer Länge von mind. 130 m vom römischen Westtor
nach Westen verläuft. Sehr wahrscheinlich handelt es
sich hierbei um die Fortsetzung der via principalis im
Lagerinnern, die – anders als bislang vermutet – nach
Verlassen des Lagers offenbar weiter geradlinig nach
Westen verlief. Die gemessenen Anomalien lassen vermuten, dass es sich hierbei um eine ca. 8 m breite Kiesstrasse mit beidseits gemauerten Traufwasserkanälen
handelt.
– Zahlreiche geophysikalische Anomalien südlich und
nördlich der erwähnten Strassenstruktur. Vermutlich
handelt es sich hierbei um Siedungsbefunde (Mauern,
Gruben) der römischen Zivilsiedlung unmittelbar vor
dem Westtor des Legionslagers.
– Eine etwa 3,5 m breite und mind. 65 m lange Grabenstruktur, die in Nord-Süd-Richtung etwa 50 m westlich vor dem Westtor verläuft. Es handelt sich hierbei
um einen einfachen Spitzgraben, der an der Westfront
des Legionslagers westlich vor dem Doppelspitzgraben
der 13. und 21. Legion und parallel zu diesem verläuft.
Die südliche Fortsetzung dieses Spitzgrabens wurde
im Sommer 2010 bei Bauarbeiten erfasst (vgl. oben
Meldung Nr. 2).
– Weitere geophysikalische Anomalien lassen sich nach
dem Vergleich historischer Karten als mittelalterliche,
frühneuzeitliche und neuzeitliche Befunde (Klosterbauten, Strassen,Versorgungsleitungen) deuten.
Die erfolgreiche Prospektion im Park von Königsfelden
soll im Herbst 2011 mit Unterstützung der «VindonissaProfessur» an der Universität Basel grossflächig fortgesetzt werden.
9.Windisch-Königsfelden (Personenunterführung)
2010–2011 (V.010.14)
Schlüsselwörter: westliche Zivilsiedlung, canabae legionis, Planieschichten
Lage: Im Park von Königsfelden, Areal westlich vor dem Legionslager
Koordinaten: 658 360/259 175
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Hermann Huber, Jürgen Trumm
Literatur: Jber. GPV 2009, 140
Im Zuge des Grossbauprojekts «Vision Mitte» für die geplanten Campusbauten der Fachhochschule Nordwestschweiz wird unter der stark befahrenen Zürcherstrasse
eine Personenunterführung errichtet, welche den Campus mit dem Park von Königsfelden verbinden soll. Die
östliche Rampe der Unterführung nimmt dabei eine
Grundfläche von ca. 400 m2 ein. Die Baugrube reicht an
ihrer tiefsten Stelle bis ca. 6 m unter das heutige Terrain,
da hier ein Schacht für einen Personenlift geplant ist. Das
betreffende Areal, bis heute nicht überbaut und als Park
mit Lärchenbestand genutzt, befindet sich westlich des römischen Legionslagers, im Bereich der ausgedehnten Zivilsiedlung des 1.–3. Jh. n.Chr. Etwa 60 m nördlich verlief
eine römische Strasse, die vom Westtor des Legionslagers
kommend weiter nach Augst bzw. Avenches führte.
Bereits im November 2009 war die archäologische Situation in diesem Bereich vorgängig sondiert worden (vgl.
Windisch-Königsfelden [Park] 2009 [V.009.27]). Dabei
stellte sich heraus, dass neuzeitliche Planien bis in eine
Tiefe von mind. 1,8 m unter das heutige Terrain reichen.
Die weiteren Untersuchungen anlässlich des maschinellen Voraushubs im Winter 2010/11 zeigten, dass diese
modernen Aufschüttungen noch wesentlich tiefer reichen, nämlich bis etwa 4,5 m unter das heutige Niveau,
wo sie unmittelbar auf dem anstehenden Kies liegen. Intakte römische Kulturschichten oder Befunde waren in
diesem Areal daher nicht mehr vorhanden. Offenbar verlief quer zum Hang einstmals eine Geländestufe zum tiefer liegenden Gelände von «Bachtalen». Diese Terrassenkante ist vermutlich im 19. Jahrhundert, beim Bau der
Zürcherstrasse bzw. während des Klinikbaus 1868–1872,
gekappt und nach Osten zurückgesetzt worden. Bei diesen Terrainveränderungen hat man offenbar gleichzeitig
auch das tiefer liegende Areal im Westen massiv mit Aushubmaterial aufgefüllt.
10.Windisch-Forum 2009–2010 (V.009.18) und
Windisch-Garage Obrist 2009–2010 (V.009.14)
Schlüsselwörter: Grossbau, «Forum», Holzbauten, Getreidespeicher, Grab
Lage:Vor der Südwestecke des Legionslagers
Koordinaten: 658 520/258 910
Anlass: Ausgrabung und Baubegleitung
Verantwortlich: Philipp Tröster, Jürgen Trumm, Beat Wigger
Literatur: Jber. GPV 2009, 134f. | JbAS 93, 2010, 261–
263 (mit der älteren Lit.)
Unmittelbar vor der Südwestecke des Legionslagers Vindonissa, unter der heutigen «Fehlmannmatte» von Windisch, liegen die Reste eines riesigen römischen Steingebäudes (Abb. 11). Durch ein Bauprojekt wird ein grosser
Teil des Innenhofes dieses Baukomplexes zerstört. Deshalb führt die Kantonsarchäologie seit August 2009 hier
eine grossflächige Ausgrabung durch.
Durch die neuen Untersuchungen konnte der bereits
1902 in Teilen erfasste Grundriss des ausgedehnten Baukomplexes weiter ergänzt werden. Mit Aussenmassen von
ca. 160 × 140 m handelt es sich um eines der grössten Gebäude der römischen Schweiz. Der Osttrakt bestand offenbar aus zwei lang gezogenen Hallen von 6 bzw. 7,2 m
Breite ohne weitere Innengliederung. Der 1902 nur in
Schnitten erfasste Westtrakt dürfte gleich aufgebaut gewesen sein.
Im Gegensatz zu Ost- und Westtrakt waren Nord- und
Südtrakt des Gebäudes vermutlich dreischiffig konzipiert.
Damit war der Innenhof auf allen Seiten von Hallen um-
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658 500/258 850
200
Mauern/Fundamente erhalten,
Ausgrabungen 2009–2010
Fundamentverlauf mit Georadar
ermittelt (Februar 2010)
Fundamente ausgebrochen,
Ausgrabungen 2009–2010
Kies des Innenhofes,
Ausgrabungen 2009–2010
Mauern/Fundamente erhalten,
Ausgrabungen 1902–2002
St
Moderne Störung
Befunde ergänzt
Grabungsgrenze
Abb. 11: Windisch, sog. Forum. Provisorischer Gesamtplan der Steinbauphase. Für den Plan wurden neben den Untersuchungen der Jahre 2009–2010 auch
ältere Ausgrabungen und Baustellenbeobachtungen mit einbezogen. M 1:1000.
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geben. Die mittleren Bereiche von Süd- und Nordtrakt
scheinen in kleinere Raumeinheiten unterteilt gewesen
zu sein (Abb. 12). Die Breite dieser Räume betrug im
Süden rund 4,5 m bei unterschiedlicher Länge. Im Norden zeigen Georadar-Untersuchungen, dass die Räume
hier deutlich schmaler waren und lediglich eine Breite
von ca. 2 m aufwiesen.
Bislang konnten rund 70 % des Innenhofs untersucht
werden. Dieser war wohl durchgehend gekiest und wies
keine Gebäude auf. Eine bauliche Gliederung in area sacra
(mit Tempel) und area publica (mit Basilika), wie sie einem
typischen römischen forum entspricht, fehlt beim Grossbau von Vindonissa.
Unerwartet fand sich im nördlichen Bereich des Innenhofs eine Reihe von mindestens neun Punktfundamenten (Abb. 13). Deren ehemalige Funktion ist bisher unklar; denkbar wäre eine Deutung als Inschriften- oder
Statuensockel, welche im Eingangsbereich des grossen
Innenhofs aufgestellt waren.
Die bereits 2009 unter dem Kies des Innenhofs festgestellten Holzbaustrukturen konnten 2010 auf der gesamten
untersuchten Fläche beobachtet werden. Die Pfostengräben setzten sich nach Norden fort. Sie bildeten einen lang
gezogenen Gebäudekomplex mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von mindestens 110 m. Dabei könnte es sich um
den Vorgängerbau des riesigen Steingebäudes handeln.
Die bereits 2009 erkannten, parallel verlaufenden Negative von Baumstämmen oder Halblingen konnten auf
einer Fläche von ca. 4500 m2 nachgewiesen werden. Es
dürfte sich hierbei um einen massiven Unterbau handeln,
wie er von römischen Getreidespeichern (horrea) bekannt
ist. Die enorme Grösse des Befundes wirft aber noch Fragen auf.
Als Getreidespeicher anzusprechen sind auch zwei Pfostenbauten von jeweils etwa 550 m2 Fläche. Diese Pfostenbauten zeichneten sich durch Pfostenreihen mit regelmässigen Abständen von 1,5 m aus.
Im südwestlichen Bereich des Areals fand sich die beigabenlose Bestattung eines etwa 35-jährigen Mannes (Abb. 14). Diese kann, wie das C14-Datum (3./4.
Jh.n.Chr.) belegt, nicht mit den erwähnten römischen
Strukturen verbunden werden. Am linken Fuss konnten die Nägel einer Ledersandale (caliga) nachgewiesen
werden. Auf den Nagelköpfen befanden sich organische Reste, die auf einen Ledersack oder eine Einschnürung mit Lederriemen hindeuten. Dies würde auch die
kompakte Hockerstellung des Skeletts erklären. Die Frage, warum Kopf und Arme fehlen, kann hingegen nicht
schlüssig beantwortet werden.
Auffällig ist nach wie vor die sehr geringe Funddichte. Fundreiche Gruben oder Planieschichten fehlen fast
vollständig. Trotz Einsatz eines Metalldetektors konnten
bisher auf der gesamten Fläche lediglich 80 Münzen gefunden werden. Diese Fundarmut macht einerseits die
exakte Datierung und funktionale Zuweisung der Befunde äusserst schwierig, dürfte andererseits aber einen
Hinweis auf die Funktion des Areals geben. Während der
Nutzung des Steingebäudes wie auch der älteren Holzgebäude wurde auf diesem Areal wohl kaum dauerhaft
gewohnt. Es wurden auch keine Abfallgruben angelegt.
Abb. 12: Windisch-Forum (V.009.18). Blick von Nordosten in den Südtrakt des Grossbaus. Im Vordergrund ist ein gemauerter Traufwasserkanal zu
sehen.
Abb. 13: Windisch-Forum (V.009.18). Punktfundament im nördlichen Innenhof.
Abb. 14: Windisch-Forum (V.009.18). Bestattung eines Mannes aus dem
3./4. Jh. n.Chr.
Das gehäufte Auftreten von Pferdegeschirr und von Militaria (ein Helmfragment, Gürtelbleche und ein Dolch)
belegen hingegen die Anwesenheit des Militärs in diesem Areal. Der Grossbau von Vindonissa, dessen Lage und
Grundriss auffällige Parallelen in den Legionslagern Mirebeau, Nijmegen und Carnuntum besitzt, könnte daher die Funktion eines Exerzierplatzes (campus) oder eines grossen Magazins besessen haben.
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In einer abschliessenden Grabungskampagne werden im
östlichen Innenhof weitere 1200 m2 archäologisch zu untersuchen sein.
Beat Wigger
11.Windisch-Amphitheater (V.006.13),
Gesamtsanierung 2006 –2010, Etappe 2010
Schlüsselwörter: Amphitheater, Brandhorizont, Bauhorizont
Lage: Zivilsiedlung West, Amphitheater
Koordinaten: 658 410/258 685
Anlass: Sondierungen im Zusammenhang mit Gesamtsanierung Amphitheater
Verantwortlich: ProSpect GmbH, Georg Matter
Literatur: R. Fellmann, Führer durch das Amphitheater von
Vindonissa (Brugg 1952)
Nachdem sich die archäologischen Untersuchungen im
Zusammenhang mit der Gesamtsanierung des Amphitheaters 2008 und 2009 auf die Entwässerung der Erdböschungen der ehemaligen cavea konzentriert hatten,
stand 2010 der Bereich ausserhalb der Umfassungsmauer im Fokus. Die Restaurierungsarbeiten zeigten, dass
Wurzelausläufer der um die Ruine herum angeordneten Pappeln bis in den Mauerkern der Umfassungsmauer
vorgedrungen waren und dort teilweise massive Schäden
verursacht haben. Um dieser Schadensursache entgegenzuwirken, sollte im Bereich des peripheren Umfassungswegs eine Wurzelbarriere eingebracht werden. Aus
diesem Grund musste ein massiver Bodeneingriff vorgenommen werden, der rings um die gesamte Ruine verlief. Neben der Wurzelbarriere wurde in denselben Graben auch eine Elektroringleitung verlegt.
Die archäologische Begleitung dieser Arbeiten erbrachte im Bereich der Böschung ausserhalb der östlichen Umfassungsmauer den Nachweis eines markanten, ca. 5–15 cm starken Brandhorizonts mit Holzkohle
und Ascheresten (Niveau zwischen 361.94 und 362.50 m
ü.M.). Darin fand sich zahlreiches Fundmaterial wie Keramikfragmente, Knochen sowie einzelne Buntmetallobjekte. Direkt auf diesem Brandhorizont lag eine 10–
30 cm starke Schicht aus Kieseln und Kalkanteilen auf
(Niveau zwischen 361.90 und 362.65 m ü.M.). Die Ähnlichkeit dieser Komponenten mit jenen der im vergangenen Jahr an der Aussenseite der Couloirmauer mehrfach
beobachteten Bauhorizonte (vgl. Jber. GPV 2009, 135)
lässt vermuten, dass wir es hier ebenfalls mit einer Ablagerung zu tun haben, die im Zusammenhang mit der
Errichtung des Steinbaus entstanden ist. Überreste dieses
mutmasslichen Bauhorizonts wurden auch an der nördlichen und nordwestlichen Peripherie gefasst. Im Bereich der Böschung ausserhalb der südöstlichen Umfassung wurde zudem ein beigabenloses Körpergrab eines
erwachsenen Individuums angeschnitten. Der chronologische und kulturhistorische Kontext dieser Bestattung
bleibt vorderhand unklar.
Weitere Bodeneingriffe wurden im Bereich der Rampen beim West- und Nordeingang im Zusammenhang
mit dem Einbringen von zwei Betonplatten vorgenommen. Hier konnten am Fuss der seitlichen Mauern stel-
lenweise Reste von Brandrötungen beobachtet werden.
Vermutlich handelt es sich dabei um spät- oder nachantike Strukturen. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Zugangsbereichs beim Parkplatz an der Hauserstrasse wurden ferner mehrere kleinere Bodeneingriffe
archäologisch begleitet. Diese erbrachten jedoch keine
relevanten Befunde.
Ein ausführlicher Bericht über die archäologische Begleitung der Amphitheater-Sanierung ist für den kommenden Jahresbericht vorgesehen.
Georg Matter, ProSpect GmbH
Zivilsiedlung Ost
12.Windisch-Reussufer 2010 (V.010.1)
Schlüsselwörter:Tauchprospektion, Uferverbauung, Südostecke
Legionslager
Lage: In der Reuss in Unterwindisch
Koordinaten: 659 225/259 500
Anlass:Tauch-Prospektion
Verantwortlich: Riccardo Bellettati,Thomas Scherer, Jürgen
Trumm
Literatur: –
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Südost-Ecke des
römischen Legionslagers Vindonissa oberhalb des steilen
Prallhangs der Reuss in unbestimmter, jedenfalls nachrömischer Zeit erodiert und in den Fluss gestürzt. Im fraglichen Areal, am heutigen, nicht überbauten Ostabhang
zur Reuss und im östlich anschliessenden Flussbett, haben allerdings noch keine archäologischen Untersuchungen stattgefunden. Ein erster Augenschein bei Niedrigwassser im Herbst 2009 zeigte im ufernahen, einsehbaren
Wasserbereich einige auffallende Stein-Ansammlungen,
die modern (Uferverbauung?), aber durchaus auch älter
(abgespülte römische Bautrümmer?) sein konnten.
Zusammen mit Forschungstauchern des Amtes für Städtebau Zürich (AfS ZH) wurde daher im Januar 2010 in
einem ca. 200 m langen Flussabschnitt eine Tauchprospektion durchgeführt. Sie sollte unter Einhaltung aller
Sicherheitsaspekte vornehmlich dazu dienen, die grundsätzliche Möglichkeit ausgedehnter Tauchgänge in diesem Fliessgewässer abzuschätzen (Abb. 15).
Der Tauchgang entlang des linken Reuss-Ufers ergab ein
archäologisch negatives Ergebnis: Hinweise auf römische
Befunde fehlen ebenso wie eindeutig datierbare antike
Funde. Stattdessen konnten Reste einer Uferverbauung
festgestellt werden, deren Bauweise mit Tannenhölzern
und Bruchsteinen eher auf ein frühneuzeitliches Datum
verweist. Einige wenige neuzeitliche Streufunde (glasierte Ofenkacheln, Teile eines Fenstergesimses aus Sandstein) wurden nach Reinigung und Begutachtung entsorgt.
Sollten am ufernahen Flussgrund der Reuss also jemals
Überreste der abgegangenen Südostecke des römischen
Legionslagers gelegen haben, so dürften diese von der
kräftigen Strömung längst flussabwärts verfrachtet worden sein.
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13.Windisch-Stegbünt 2010 (V.010.4)
Schlüsselwörter: Reussniederung, Kulturschichten, geologische
Schichten
Lage: In der Reussniederung von Unterwindisch, etwa 700 m
südöstlich des Legionslagers
Koordinaten: 659 820/259 430
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Hermann Huber, Jürgen Trumm
Literatur: Jber. GPV 2009, 137
Die 2009 begonnenen Erschliessungsarbeiten für eine
neue Grossüberbauung in Unterwindisch wurden 2010
fortgesetzt und danach drei «Wohninseln» mit insgesamt 63 Wohnungen errichtet. Wegen des hohen Grundwasserpegels in der Reussniederung reichen zugehörige Tiefgarage und Kellergeschosse dabei nicht sehr tief
in den anstehenden Untergrund. Wie bereits im Vorjahr
(vgl. Dokumentation V.009.4) wurden die Erdarbeiten
auch 2010 mit periodischen Kontrollgängen überwacht,
jedoch ohne relevanten archäologischen Befund. Überall erschien unter der rezenten Humusschicht der bis zu
1,5 m mächtige Auenlehm, darin vereinzelt eingelagerte
Kies- und Sandschichten, wohl von lokalen Hochwasser-Ereignissen stammend. In einigen Kiesbändern waren
stark verrollte, kleinteilige, wohl römische Ziegelbruchstücke vorhanden. Erwähnenswert ist dabei ein Halbrundziegel, wie man ihn von den gemauerten Säulen aus
dem Legionslager kennt. Diese Ziegel dürften von römischen Steinbauten nahe der Reuss stammen und später
durch Hochwasserereignisse flussabwärts zum heutigen
Fundort transportiert worden sein.
Abb. 15:Windisch-Reussufer (V.010.1). Blick vom Weidling auf den Prallhang der Reuss in Unterwindisch. Der Taucher im Hintergrund steht bei
winterlichem Niedrigwasser im ufernahen Flussbereich.
Römische Wasserleitungen
14.Windisch-Anemonenstrasse/Bergstrasse 2010–
2011 (V.010.7)
Abb. 16:Windisch-Anemonenstrasse/Bergstrasse (V.010.7). Blick von Norden auf die wieder freigelegte römische Wasserleitung mit der 1934 aufgemauerten Betonplatten-Abdeckung.
Schlüsselwörter:Wasser führende Wasserleitung
Lage: Etwa 300 m südlich der Umwehrung des Legionslagers,
im Wasser transportierenden Abschnitt
Koordinaten: 658 765/258 685
Anlass: Baubegleitung
Verantwortlich: Jürgen Trumm, Rolf Widmer
Literatur: Maier-Osterwalder 1994
Südlich des Legionslagers, auf einer bislang nicht überbauten Parzelle, werden zwei unterkellerte Einfamilienhäuser samt neuer Werkleitungen gebaut. Quer von
Nord nach Süd verläuft durch dieses Areal die intakte römische Wasserleitung von Vindonissa. Sie war hier bereits
1934, allerdings ohne Dokumentation, auf einer Länge
von 150 m freigelegt und anschliessend mit neuen Betonplatten überdeckt worden. Eine flächenmässig begrenzte geophysikalische Prospektion erfolgte im Jahre
2006 (vgl. Dokumentation V.006.3).
Bereits in der Planungs- und Bewilligungsphase konnten die unterirdischen Neubauten so projektiert bzw. angepasst werden, dass die römische Wasserleitung in ihrer
Abb. 17: Windisch-Im Winkel (V.010.5). Blick von oben in den geöffneten
Schacht der römischen Wasserleitung.
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Substanz nicht tangiert wird und weiterhin funktionsfähig und zugänglich bleibt.
Mit zwei Sondierschnitten wurde die Wasserleitung im
Sommer 2010 exakt eingemessen und dokumentiert.
Der bereits 1934 ausgegrabene Befund wurde dabei nur
oberflächlich freigelegt, die damals verlegten und zusätzlich zementierten Betonplatten nicht bewegt (Abb. 16).
Neu aufgetaucht sind hingegen ein Pfostengräbchen (?)
und eine Steinsetzung, die östlich, also hangaufwärts und
hangparallel zur römischen Wasserleitung verlaufen. Die
beiden linearen Befunde, die sich bereits in der geophysikalischen Prospektion von 2006 abzeichneten, datieren
wohl in römische Zeit (Fundmaterial aus der 2. Hälfte des
1. Jh. n.Chr.), lassen sich vorderhand aber nicht eindeutig
interpretieren. Möglich ist eine Deutung als Siedlungsbefunde, etwa Überreste einer Holz- und Steinbebauung
mit Hangstützmauer. Intakte stratigrafische Zusammenhänge dieser Befunde zur römischen Wasserleitung waren wegen der Eingriffe von 1934 leider nicht mehr vorhanden. Ansonsten wurden keine Funde geborgen, die
eine nähere Datierung der Wasserleitung erlauben.
15.Windisch-Im Winkel 2010 (V.010.5)
Schlüsselwörter:Wasser führende Wasserleitung
Lage: Etwa 1050 m südlich der Umwehrung des Legionslagers,
im Wasser transportierenden Abschnitt
Koordinaten: 658 435/257 975
Anlass: Sondierung
Verantwortlich: Jürgen Trumm, Rolf Widmer
Literatur: S. Heuberger, Aus der Baugeschichte Vindonissas und
vom Verlauf ihrer Erforschung (Aarau 1909) 62 | Maier-Osterwalder 1994
Die derzeit noch als Ackerland genutzte Flur «Im Winkel»
im Süden der Gemarkung Windisch soll in den nächsten Jahren in eine Gewerbezone umgewandelt werden.
Quer durch das zu überbauende Areal verläuft die intakte römische Wasserleitung. Im Zuge des GestaltungsplanVerfahrens sollte der Leitungsverlauf im Gelände so exakt wie möglich festgestellt werden, damit die geplanten
Neubauten das antike Monument nicht tangieren.
Im Mai 2010 wurde zunächst versucht, den römischen
Wasserleitungskanal mittels Georadar zu lokalisieren. Die
Messungen erbrachten allerdings kein Ergebnis, da die
heutige Überdeckung mit Erdreich bei einer Stärke von
2,5–3,0 m zu mächtig war und eine gesicherte Ortung
verunmöglichte. Mitte Juni 2010 wurde der altbekannte,
im Ackerland liegende Einstiegsschacht («Schacht VIII»
gemäss Auer-Plan von 1835) ausgegraben und eingemessen. Die neuen Vermessungsdaten weichen dabei nur um
wenige Dezimeter von den bisherigen Planunterlagen ab,
was erneut die Zuverlässigkeit der Pläne und Einmessungen des 19. Jahrhunderts belegt.
Der etwa 0,9 m unter der heutigen Ackeroberfläche liegende Schachtdeckel bestand aus einer grossen Muschelkalkplatte, die modern vermörtelt, also in der Neuzeit bereits mindestens einmal abgehoben worden war.
Nach Abnahme der 1,7 × 1,2 m grossen und 0,2 m star-
ken Steinplatte konnte der im Lichten 1,15 × 1,05 m
weite und 4 m tiefe Schacht begangen werden. Er wies
ein ca. 0,5 m tiefes Absetzbecken auf, das fast vollständig mit Schlamm und versinterten Ablagerungen gefüllt
war. Der 0,3 m breite Wasserleitungskanal selbst war auf
Sohle und Wangen mit Terrazzomörtel verstrichen, ein
Viertelrundstab am Übergang zwischen Kanalsohle und
-wangen war nicht vorhanden. Ein falsches Gewölbe mit
einer grösseren Steinplatte bildete den oberen Abschluss
(Abb. 17).
Sämtliche Schachtwände waren einheitlich aus kleinformatigen Kalkbruchsteinen in Mörtelbauweise errichtet. In der östlichen Schachtwand befand sich ca. 1,25 m
über der Kanalsohle die gleichfalls gemauerte und mit
Terrazzomörtel verkleidete Mündung einer Zuleitung
von etwa 0,40 × 0,35 m lichter Weite. Zum Zeitpunkt
der Dokumentation führte diese praktisch kein Wasser,
Sinterspuren auf der Sohle der Zuleitung zeigen aber an,
dass hier über längere Zeit hinweg Wasser geflossen war.
Wie bereits im Auer-Plan von 1835 eingezeichnet, handelt es sich hierbei um eine von Osten her kommende,
fast rechtwinklig auf die römische Wasserleitung stossende Zuleitung unbekannter Länge. Woher diese – wohl
Hangwasser fassende – Zuleitung genau kommt, ist mangels Aufschlüssen oder aussagekräftigen Luftbildern unklar. Vermutlich handelt es sich bei dieser Zuleitung um
einen Befund, den Samuel Heuberger bereits 1909 erwähnte: «In die Hauptleitung … mündeten Zweigleitungen vom Lindhofhügel … her». Datierende Funde wurden 2010 nicht gemacht. Schacht und Zuleitung wirken
in Bauweise und Baumaterial sehr einheitlich, nachträgliche Baumassnahmen sind aus dem Befundbild heraus
nicht ableitbar. Von allen vier Schachtwänden wie auch
von der modernen Mörtelüberdeckung wurden Mörtelproben für eine geplante C14-Datierung entnommen.
Nach Abschluss der Untersuchung wurde die Steinplatte aufgesetzt, vermörtelt und der Leitungsschacht wieder
mit Erde überdeckt.
Negativbefunde
Umfeld Zivilsiedlung Süd
− Windisch-Buchenweg 2010 (V.010.10): Im Juli 2010
wurden ca. 120 m südöstlich des römischen Amphitheaters zwei unterkellerte Einfamilienhäuser auf einer
bislang nicht überbauten Parzelle (Parzelle Nr. 2151,
Buchenweg 4 und 6) erstellt. Etwa 60 m nördlich des
Bauprojekts war 1963 ein vermutlich römischer Mauerzug angeschnitten worden (vgl. Dokumentation
V.63.1). Der Bauaushub sowie die Erdarbeiten für die
Leitungsanschlüsse wurden archäologisch begleitet. In
den Baugruben war überall die ungestörte Schichtabfolge Ah-Horizont (Grasnarbe und Humus) – Bt-Horizont (rötlicher, lehmiger Kies, max. ca. 1,2 m stark) –
C-Horizont (anstehender grauer Kies) zu beobachten. Archäologische Befunde oder Funde waren nicht
vorhanden. Dieser Negativbefund grenzt die bekannte maximale Ausdehnung der römischen Zivilsiedlung
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659
658
657
256
römische Strassen (gesichert/vermutet)
römische Wasserleitung (Wasser führend)
römische Wasserleitung (nicht Wasser führend)
Legionslager Vindonissa, Kastell Altenburg
ungefähre Ausdehnung der Zivilsiedlung
Gräber, Gräberfeld
Abb. 18: Lage der Ausgrabungen in Vindonissa und Umgebung im Jahr 2010. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA 110360, Karte 1:25000).
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von Vindonissa an ihrer südlichen Peripherie weiter
ein (Koord. 658 550/258 595)
– Windisch-Bachstrasse 2010 (V.010.11): Im August
2010 wurde östlich der Reutenenstrasse, auf einer bislang nicht überbauten Parzelle (Parzelle Nr. 525), die
Baugrube für ein Einfamilienhaus ausgehoben. In der
Baugrube war überall die ungestörte Schichtabfolge
Ah-Horizont (Grasnarbe und Humus) – Bt-Horizont
(rötlicher, lehmiger Kies, max. ca. 1,2 m stark) – CHorizont (anstehender grauer Kies) zu beobachten.
Archäologische Befunde oder Funde waren nicht vorhanden. Identische Beobachtungen waren 2009 unmittelbar südwestlich der jetzigen Baustelle gemacht
worden, als in der Nachbarparzelle ein Neubau erstellt
wurde (vgl. Dokumentation V.009.13). Dieser Negativbefund grenzt die bekannte maximale Ausdehnung
der römischen Zivilsiedlung von Vindonissa an ihrer
südwestlichen Peripherie weiter ein (Koord. 658 160/
258 210)
Abkürzungen
AS
Archäologie der Schweiz
JbAS
Jahrbuch Archäologie Schweiz
Jber. GPV
Jahresbericht der Gesellschaft Pro Vindonissa
Maier-Osterwalder 1994
F.B. Maier-Osterwalder, Die wasserführende römische Wasserleitung
von Hausen nach Vindonissa. AS 17, 1994, 140–152
Veröff. GPV
Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa
Abbildungsnachweise
Abb. 5b: © Wikimedia Commons. Autor: David Illifs.
Alle anderen Abb. und Pläne: Kantonsarchäologie Aargau.
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